Einst galt Sachsen als das reichste Land im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Einer der Landesfürsten hieß Otto der Reiche, in seine Zeit fielen die ersten großen Silberfunde im Erzgebirge. Das verdankt seinen Namen eben den Bodenschätzen, und heißt erst seit etwa 1600 so.
Um Welterbe zu werden, muss man den einmaligen universellen Wert nachweisen. Dazu wurde das Erzgebirge mit über 50 anderen Bergbau-Regionen weltweit verglichen. Helmuth Albrecht, Professor für Technikgeschichte und Industrie-Archäologie an der Bergakademie Freiberg, sagt: Es ist einmalig.
"Da gibt es drei Aspekte, die das ausmachen: Das ist die Vielzahl der Rohstoffe, die hier abgebaut worden sind, eben nicht nur Silber. Dazu gehört Zinn, gehört Eisen, bis hin zum Uran des 20. Jahrhunderts. Dann die 800-jährige Geschichte mit all ihren Bergbauperioden und die kulturellen Werte, die damit verbunden sind, und die Objektkategorien vom Bergwerk bis zur Hallenkirche bis hin zur Bergakademie als Beispiel für die Wissenschaftsentwicklung des Montanwesens und dieses bis heute lebendige Brauchtum dieser Region. Das weist keine andere montane Kulturlandschaft auf der Erde aus. Das macht den einmalig universellen Wert aus."
Bergleute - eine Kaste für sich
Die Bergakademie wurde zum Vorbild für Montan-Hochschulen in Mittel- und Süd-Amerika. Gesetze aus dem Erzgebirge finden sich im Bergrecht anderswo in Europa wieder. Es sind also nicht nur die vielen historischen Bergwerke und technischen Denkmale, auch die lebendigen Traditionen, wie die Bergparaden. Bergbruderschaften marschieren in historischen Uniformen. In Sachsen durften einst neben dem Militär nur die Bergleute Paraden abhalten.
"Ja, die Bergleute waren eine Kaste für sich, wie man so sagt, früher. Sie hatten bestimmte Privilegien. Sie wurden vom König gefördert, weil sie ja den Reichtum für den Staat gebracht haben."
Im Advent beleuchten Schwibbögen die Fenster, ebenso Kerzen tragende Engel und Bergmänner. Schon seit Jahrhunderten, sagt Monika Kutzsche vom Freiberg-Tourismus.
"Wenn man sich vorstellt: Früh im Finstern losgegangen ins Bergwerk, zwölf Stunden Untertage fast ohne Licht, raus gekommen wieder ohne Licht. Daher rührt eigentlich die absolute Sehnsucht des Bergmanns nach Licht."
Begonnen hat es 1168. Im Gebiet der heutigen Freiberger Altstadt wurde das erste Silber gefunden und Markgraf Otto der Reiche gründete die Stadt am freien Berg. Der sieht man ihren damaligen Reichtum immer noch an. Das repräsentative Rathaus nimmt eine ganze Längsseite des großen Oberen Marktes ein. Die anderen Häuser am Markt sind mit fünf bis sieben Stockwerken für die damalige Zeit richtige Hochhäuser.
"So, wie es dasteht 15. bis 17. Jahrhundert. Das Besondere ist: diese steilen Dächer, diese prächtigen Patrizierhäuser mit ihre Bogenfenstern und reich verzierten Portalen. Und wenn man einfach mal rund guckt, überall werden sie sehen, die Arbeit des Bergmanns ist auch in Stein gehauen und nachgestellt."
Annaberg nach der Schutzpatronin benannt
Auch Annaberg ist so eine Stadt, die mit dem Bergbau groß und reich geworden ist.
Ein Silberfund um 1500 löste das Berggeschrey aus, scharenweise kamen die Bergleute, blitzschnell wurde die Stadt angelegt und nach der Schutzpatronin der Bergleute St. Anna benannt. Aus den Gründungsjahren stammt auch die Annenkirche, eine riesige gotische Hallenkirche.
"Es ist weniger die äußere Bauhülle, sondern mehr das Innere dieser Kirche, eine wunderbare Architektur, eine wunderbare Blütendecke, die von schlanken Säulen getragen wird. Und interessant in dieser Kirche die drei Hauptaltäre und da wiederum ist es der linke, der sogenannte Bergaltar. Dieser Altar ist, wie würden heute sagen gesponsert worden von Annaberger und Frohnauer Bergleuten. Und das Außergewöhnliche an diesem Altar ist nicht die Vorderseite, sondern die Rückseite, die Entstehung Annabergs eben mit diesem Berggeschrey, eingerahmt von den einzelnen Etappen der Erzaufbereitung."
Gleich gegenüber der Kirche kann man die Untertage-Welt des Bergmanns erleben, in einem der vielen historischen Bergwerke. 500 Jahre alt, wurde es erst vor wenigen Jahren für Besucher erschlossen. Siglinde Peter steigt mit uns hinab.
"Bis zu 24 Meter geht es hier in die Tiefe. Im Annaberger Revier sind ja bis zu 970 Bergwerke entstanden. Annaberg ist unterhöhlt wie ein Schweizer Käse, ein einziges Labyrinth."
Trotzdem bricht die Stadt nicht ein, hält der Berg. Es ist ein harter Stein. Mühsam war die Arbeit der Bergleute nur mit Schlägel und Eisen. So heißen Hammer und Meißel in der Bergmanns-Sprache.
"Man sagt ja, mitunter hat ein Bergmann drei Meter im Jahr geschafft."
In Annaberg geht man zu Fuß ins Bergwerk, anderswo steigt man in den Förderkorb.
Die Glocke zeigt an, ob es runter oder hochgeht. In Ehrenfriedersdorf wurde Zinn gewonnen, ab 1240 etwa bis 1990. Es ist eines der ältesten Bergwerke im Erzgebirge. Jetzt fahren nur noch Besucher ein.
Wir sehen neuzeitliche Abbau-Orte, können sogar einen Bohrhammer selbst ausprobieren. Das Gestucker ist nichts für empfindliche Hände und ich bin froh, als der Krach vorbei ist. Wir kommen auch zu einem über 400 Jahre alten Abbau.
"2.200 Meter lang ist der, wurde innerhalb von 36 Jahren aufgefahren. Die haben nur den Erzgang verfolgt, hier ist er relativ breit. Wenn der mal schmaler wird, es gibt Stellen, da wurde eben bloß so schmal gefahren. Und da haben die drin gearbeitet, mit Schlägel und Eisen Stein rausgeschlagen. Man sieht hier an den Seiten noch die Schlägel-Spuren."
Zwei junge Leute sind durch die historische Förderstrecke gekrochen und können sich nicht vorstellen, dass da Menschen gearbeitet haben.
"Nee!!! Ist unvorstellbar, echt. Also es geht wirklich nur gerade so im Kauern durch, bissel so im Entengang. Wer dann noch die Hände hochnehmen soll dazu…. Nee, das geht nicht."
Bergmänner fahren, auch zu Fuß
Wir erfahren, dass der Bergmann immer fährt, egal, ob im Förderkorb runter oder hoch, ob er zu Fuß geht, die Leiter hoch klettert oder einen Erzgang aus dem Gestein schlägt – der Bergmann fährt. Und die Leiter heißt nicht Leiter, sondern Fahrt. Die Lampe heißt Geleucht und das Werkzeug Gezähe.
Es gibt etliche Besucherbergwerke im Erzgebirge und jedes ist beeindruckend. Bei Oelsnitz wird im einst modernsten Steinkohle-Schacht Deutschlands die Geschichte des sächsischen Steinkohlebergbaus erzählt. Hier allerdings nicht Untertage. Dagmar Borchert erklärt, warum.
"Eine der schlimmsten Gefahren in der Steinkohle sind die vorhandenen Methangase, die kann man nicht sehen, nicht hören, nicht riechen, die sind auch nicht giftig, aber die sind hochexplosiv. Die gibt es nur in der Steinkohle. Also das ist eine latente Gefahr, deren Eintreten können sie nicht vorhersehen."
Nachdem 1971 die letzte Steinkohle gefördert wurde, entstand in den übertätigen Schachtgebäuden das Bergbau-Museum Oelsnitz mit originalgetreu nachgebauten Strecken und Abbauorten. Wenn Presslufthammer und Schüttelrutsche lärmen, vergisst man schnell, dass man nicht wirklich untertage ist.
Zu den Bergbauzeugnissen gehört auch die Saiger-Hütte Olbernhau, kein Bergwerk sondern die Erz-Verhüttung.
"Das Saiger-Verfahren wurde 1430 in Nürnberg erfunden, ein mehrstufiger Schmelzprozess, mit dem man erstmalig in der Geschichte kleinen Mengen Silber aus Kupfer heraus schmelzen konnte.
Historische Produktionsgebäude sind erhalten, Hüttenschänke, Herrenhaus, Wohnhäuser der Arbeiter, die Schule von 1570, Scheunen und Ställe. Die Saiger-Hütte war ein autarkes Dorf.
Von Untertage in die Holzschnitzerei
"Und umgeben war diese Saiger-Hütte von einer wehrhaften Mauer mit Schießscharten, die sieht man hier noch. Um Überfälle abzuwehren und aber auch das Geheimnis des Saigerns zu wahren, es sollte ja nicht jeder wissen, wie das funktioniert."
Das benachbarte Seiffen wurde zum Synonym für Holzschnitzerei, zunächst als Zubrot für die Bergleute. Auch woanders im Erzgebirge, aber besonders in und um Seiffen. Als dort kaum noch Zinn aus den Bergwerken kam, wurden die wassergetriebenen Pochwerke, mit denen das Zinn aus dem Stein gelöst wurde, umgebaut zu Drehwerken, eins steht noch und ist Attraktion im Erzgebirgischen Freiluftmuseum.
"Das ist eine Reifendreherei, gebaut 1760. Ist auch noch der Originalstandort. Und hier werden schon seit über 250 Jahren solche Reifen hergestellt. Holzreifen, vorwiegend aus frischem Fichtenholz gedreht, die im Querschnitt ein Tier erkennen lassen. Reifentiere waren ja früher Spielzeug, heute benötigt man solche Tiere, um die Weihnachtspyramiden zu bestücken, die Krippenfiguren, Rehe, Schafe…"
Ein Ring ergibt etwa 50 Tierchen. Erst wenn der Holzreifen in schmale Scheiben geschnitten ist, erkennt man die Kontur des Tieres. Nur hier wurden – weltweit einmalig - so schnell und preisgünstig kleine Holzfiguren gefertigt. Dirk Weber zeigt im Museum das alte Handwerk und produziert gleichzeitig Reifentiere.
Über Jahrhunderte hat der Bergbau auch die Landschaft verändert – Einbrüche, Pingen genannt, und Abraumhalden. Schon im Mittelalter wurden künstliche Seen und lange Wasserläufe angelegt. Auch das gehört zur Montanregion Erzgebirge. Und natürlich dieses Lied: …. Glück auf, Glück auf.
http://www.montanregion-erzgebirge.de/
www.silberstrasse.de