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"Monti hat nicht immer die richtigen Sparansätze gezeigt"

Eine Rückkehr Silvio Berlusconis nach dem angekündigten Rücktritt von Premier Mario Monti sei nicht überzubewerten, sagt Siegfried Brugger. Italien müsse aber weiter sparen, so der Fraktionsvorsitzende der Südtiroler Volkspartei - beispielsweise beim aufgeblähten Beamtenapparat.

Das Gespräch führte Doris Simon |
    O-Ton Silvio Berlusconi: "”Das Amt hat mir nie gefehlt, nicht für eine Minute. Ich kehre aus Verzweiflung in die Politik zurück, ich tue das aus Verantwortungsbewusstsein.”"

    Doris Simon: Es ist wie im Gruselfilm: Die Untoten kehren zurück. Italiens früherer Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat angekündigt, nun doch noch einmal in das Rennen um das Amt des Regierungschefs zu gehen. Dabei hatte man angenommen, dass Berlusconis Politkarriere nun wirklich der Vergangenheit angehört. Aber jetzt, da Ministerpräsident Monti nach einer Vertrauenskrise vorzeitig das Handtuch werfen will, rechnet sich Berlusconi Chancen aus. Italien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Jetzt aber drohen noch stürmischere Zeiten. Am Telefon ist Siegfried Brugger, er ist der Fraktionsvorsitzende der Südtiroler Volkspartei im italienischen Parlament. Guten Morgen!

    Siegfried Brugger: Guten Morgen!

    Simon: Herr Brugger, Monti geht, Neuwahlen, Berlusconi steht vor der Tür, die Märkte zittern. Können Sie all dem irgendetwas Gutes abgewinnen?

    Brugger: Nein, überhaupt nicht. Die Tatsache, dass Berlusconi wiederkommen will, die natürlich ist negativ sowohl in Europa auf den Finanzmärkten, aber ich würde sagen, vor allen Dingen in Italien zu bewerten. Denn eines ist ganz klar: Berlusconi kommt nicht zurück, weil er Verantwortung spürt für Italien, sondern er hat Sorge um seine großen Betriebe, und das ist der einzige Grund, warum Berlusconi zurückkommen will.

    Simon: Mehrere europäische Verantwortungsträger, nenne ich sie mal, haben sich ja schon sehr beunruhigt gezeigt, haben auch verwiesen auf die Märkte, die schon anfangen zu zittern. Wie groß ist die Gefahr, dass Italien weiter abrutscht in der Schuldenkrise? Wir haben ja in Griechenland gesehen, wie Wahlen und Koalitionsverhandlungen und Wahlkampf ein Land auch gefährlich handlungsunfähig machen können.

    Brugger: Ja, das ist schon wahr. Nur auf der anderen Seite war auch klar, dass diese Regierung ein Ablaufdatum hat, und das war auf jeden Fall April, denn im April hätten die Neuwahlen stattfinden sollen. Jetzt zieht man diese Wahlen vor um zwei Monate. Ich glaube nicht, dass Italien jetzt große Instabilität bekommen wird, vielleicht in den nächsten Tagen auf den Finanzmärkten. Dann aber gehe ich schon davon aus, dass die Mitte-Links-Partei PD aller Voraussicht nach mit einer Mitte-Kraft, und zwar der von Ferdinando Casini, eine neue Regierung und stabile politische Mehrheiten bekommt, sowohl in der Abgeordnetenkammer als auch im Senat, und dass es dann eine politische Regierung für die nächsten Jahre geben wird. Die Sparpolitik muss auf jeden Fall fortgesetzt werden. Ich sehe das nicht so dramatisch. Im Gegenteil: Ich würde diese Androhung der Rückkehr von Berlusconi nicht überbewerten.

    Simon: Sie sagen, die Sparpolitik muss fortgesetzt werden. Das sagen Sie als Vertreter der Südtiroler Volkspartei. Es gibt aber viele andere italienische Politiker in allen Parteien, die sagen, so wie bisher, so stark gespart kann nicht mehr werden. Ist das mehrheitsfähig mit dem Sparen auch in einer neuen Konstellation?

    Brugger: Ja, das ist keine Frage, ob das mehrheitsfähig ist oder nicht. Italien muss das machen. Italien darf ja nicht abdriften in Richtung griechischer Verhältnisse. Die Frage ist nur, wie man spart, und da bin ich auch der Meinung, dass Monti nicht alles richtig gemacht hat. Monti hat nicht immer die richtigen Sparansätze gezeigt. Deshalb gibt es auch viel Unmut, besonders bei den kleinen Bürgern oder beim Mittelstand auch. Aber auf der anderen Seite: Gespart werden muss. Italien hat 2000 Milliarden Schulden. Italien ist in den letzten Jahren aufgrund des Schlendrians, des allgemeinen, einfach in eine sehr, sehr schwierige Situation gekommen. Deshalb: Egal, wer jetzt die Regierung übernimmt, das Sparen muss weitergeführt werden.

    Simon: Was wären denn aus Ihrer, aus der Sicht der Südtiroler Volkspartei, die richtigen Sparansätze in Italien?

    Brugger: Man kann in Italien ja diesen aufgeblähten Beamtenapparat und alles das, was die öffentliche Verwaltung ausmacht, so verkleinern und so effizienter gestalten, dass gerade da ganz große Sparmaßnahmen gemacht werden können. Man kann das Parlament verkleinern. Italien hat eines der größten Parlamente weltweit. Man kann bei den sogenannten Kosten der Politik sehr, sehr viel machen. Und dann kann man auch oder muss man vor allen Dingen die Wirtschaftskraft Italiens wieder neu ankurbeln, und da braucht es mehr Fantasie, als Monti hatte. Da braucht es die großen Infrastrukturprojekte, die nie gestartet sind in Italien seit langer Zeit, und da kann man wirklich Arbeitsbeschaffungsprogramme machen, die seriös und sinnvoll sind und nicht nur angekündigt werden.

    Simon: All das kann man natürlich nur hinbekommen mit Willen erstens, aber zweitens vor allem auch, wenn man eine stabile Mehrheit hat. Sehen Sie die denn für die kommenden Neuwahlen?

    Brugger: Ja, ich sehe die heute schon. Gerade wenn jetzt bald gewählt wird und Berlusconi nicht die Möglichkeit hat, jetzt einen extrem populistischen Wahlkampf zu führen, gegen Europa, gegen Deutschland, gegen Merkel, dann glaube ich, dass es sehr stabile Verhältnisse geben kann. Und man darf auch Italien nicht unterschätzen und die Bürger Italiens nicht unterschätzen. Die wissen schon, die haben schon das Gespür dafür, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo man wirklich versuchen muss, dieses Land europareif zu behalten, und ich glaube schon, dass zwischen der Mitte-Links-Partei Partito Democratico und den Zentrumskräften man sehr stabile und sehr ausgewogene Regierung und parlamentarische Mehrheiten zusammenstellen kann.

    Simon: Herr Brugger, die aktuelle Krise und das, was am Wochenende geschehen ist, verstärkt das eigentlich die immer noch bestehende emotionale Distanz, die manche Ihrer Südtiroler Bürger immer noch mit dem italienischen Staat haben?

    Brugger: Ja sicher! Und wenn ich jetzt nur aus Südtiroler Sicht die Regierung Monti betrachte, so muss ich sagen, dass wir überhaupt nicht zufrieden sind. Wir haben immer gesagt, wir sehen ein, dass Italien sparen muss. Das hat ja auch Auswirkungen auf Südtirol. Aber Monti zum Beispiel hat nicht einmal Verfassungsgesetze, die wir zum Schutz unserer Autonomie haben, eingehalten und hat wirklich Gesetze verletzt, nur um Sparziele zu erreichen. Das war auch nicht richtig und das verstärkt in Südtirol die Überzeugung, dass dieser Staat in großer Krise ist und dass man nicht auf Gedeih und Verderben mit diesem Staat immer nur einverstanden sein will. Deshalb muss die nächste Regierung sehr viel offener sein, auch gegenüber den Autonomien, gegenüber den sprachlichen Minderheiten. Das hat Mitte-Links in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich immer gemacht und insofern sehen wir eher positive Ansätze, wenn diese Regierung zurückkommt.

    Simon: Die Meinung von Siegfried Brugger, er ist der Fraktionsvorsitzende der Südtiroler Volkspartei im italienischen Parlament. Herr Brugger, vielen Dank für das Gespräch.

    Brugger: Danke auch.

    Simon: Auf Wiederhören!

    Brugger: Auf Wiederhören.

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