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Moose mit besonderen Fähigkeiten

Gentechnik. - Das Hormon Epo hat einen schlechten Ruf, seitdem Sportler den Stoff als Doping-Mittel nutzen. Doch in der Medizin ist es nach wie vor ein wichtiges Medikament: bei Dialysepatienten hilft es gegen Blutarmut, und für Schlaganfallpatienten wird Epo als Mittel diskutiert, um Schäden am Gehirn zu mindern. Freiburger Forscher haben Zellen des Blasenmützenmooses genetisch so verändert, dass es Epo produziert, und zwar so, dass es seinen medizinischen Nutzen zwar behält, als Dopingmittel aber nicht mehr in Frage kommt.

Von Katrin Zöfel |
    "Wir können die Kultur lüften, das heißt wir pumpen Luft rein und wir rühren ständig, dass das homogen bleibt."

    Ein Labor an der Universität Freiburg. Auf dem Tisch vor Juliana Parsons steht eine dickwandige Glasflasche, Inhalt: gut fünf Liter Flüssigkeit, hellgrün, gut durchleuchtet von hellen Neonröhren. Dünne Plastikschläuche führen von der Flasche zu einem Luftkompressor. Juliana Parsons öffnet ein Ventil an einem Schlauch und lässt ein paar Milliliter grüne Flüssigkeit aus dem Bioreaktor in ein kleines Probenglas laufen. Im Probenglas sind winzige, noch junge Blasenmützenmoospflanzen zu erkennen.

    "Da wächst unser Moos und produziert die Proteine, die uns interessieren, das sind menschliche Proteine, die interessant für die Pharmakologie sind – und die gehören normalerweise nicht in Moos."

    Das Moos ist genetisch so verändert, dass seine Zellen das menschliche Hormon Erythropoetin produzieren. Epo stimuliert die Produktion roter Blutkörperchen. Als Medikament hilft es Dialysepatienten oder Krebskranken nach einer Chemotherapie. Seine Herstellung allerdings ist aufwändig. Epo ist ein sogenanntes Glykoprotein: Es besteht aus Aminosäuren und aus sogenannten Zuckerresten. Das sind lange Zuckerketten, die an das Rohprotein angeheftet werden. Diesen Vorgang beherrschen nur höherentwickelte Zellen, Bakterienzellen nicht. Für die Produktion von Epo, nutzt man deshalb Kulturen aus tierischen Zellen, deren Pflege ist relativ schwierig. Mooskulturen dagegen brauchen außer einigen Mineralien und Wasser nur Licht, um zu wachsen. Daher die Idee der Freiburger: Mooszellen könnten EPO produzieren, vorausgesetzt man schleust die notwendigen Gene in ihr Erbgut ein. Das hat auch geklappt. Doch die ersten Moosprodukte waren noch nicht als Medikament geeignet, sagt die Leiterin des Labors, Eva Decker:

    "Wenn wir uns Epo als ein Medikament vorstellen, ist es wichtig dass es ein verträgliches Protein ist."

    Und das ist nicht selbstverständlich. Wenn Blasenmützenmooszellen Epo herstellen, behandeln sie das fremde Produkt als wäre es ein Moosprotein. Das bedeutet, dass an das fremdartige Epo moostypische Zuckerketten angehängt werden, die bei empfindlichen Menschen Abwehrreaktionen auslösen können. Decker:

    "Was uns interessiert hat war, Zuckerreste zu entfernen, die möglicherweise im Patienten unverträglich werden, denn anders können wir guten Gewissens keine Medikamente anbieten."

    Das Genom des Blasenmützenmooses ist seit 2007 komplett sequenziert. Damit haben die Forscher die Information, die sie brauchen um die zuständigen Gene zu finden und dann mit molekularen Methoden auszuschalten. Schließlich kam den Forschern noch eine moostypische Eigenschaft zugute. Moos produziert von sich aus sogenanntes Asialo-Epo, eine Epo-Form, die im menschlichen Körper relativ rasch abgebaut wird. Das führt dazu, dass diese Epo-Form kaum auf die Blutbildung wirkt, dafür aber eine andere Eigenschaft voll entfalten kann: Es schützt Nervenzellen vor dem programmierten Zelltod. Bei Schlaganfallpatienten, deren Nervenzellen durch Sauerstoffmangel unter Stress geraten, könnte Epo deshalb Schäden im Gehirn verhindern helfen. Eva Decker:

    "Bei Patienten mit einem akuten Schlaganfall ist irrelevant, dass neues Blut gebildet wird, im Gegenteil: das kann den Organismus sogar eher stören, es ist relevant, dass akut, das heißt ganz schnell, das Hirngewebe vor dem Absterben geschützt wird."

    Bisher produzieren die Mooszellen in den 5-Liter-großen Bioreaktoren nur kleinere Mengen des Hormons. Ob sich das Verfahren im größeren Maßstab bewährt, muss sich zeigen. Kommerziell werden bisher unter anderem Antikörper für klinische Studien in der Krebstherapie in Moosen produziert. Und die Forscher sind dabei, das Prinzip auf weitere Proteine zu übertragen, die als Medikamente in Frage kommen.