Am Mittwoch sind die israelischen Fußballer ins olympische Turnier eingestiegen. Ihr Spiel gegen Mali im Pariser Prinzenpark wurde von mehreren Hundert Polizisten gesichert. Straßen waren gesperrt, Soldaten patrouillierten mit Maschinengewehren. Im Stadion: Buhrufe und Pfiffe während der israelischen Hymne. Zuschauer schwenkten palästinensische Fahnen. Und auch außerhalb auf den Straßen demonstrierten Gruppen gegen Israel. In jüngerer Vergangenheit: fast schon Gewohnheit.
Vor diesem Hintergrund müssen sich israelische Sportler mit schärferen Sicherheitsmaßnahmen vertraut machen, sagt Miki Halika, Präsident des Israelischen Schwimmverbandes: „Die Athleten können allein nichts unternehmen. Selbst wenn sie in der Sportstätte auf Toilette wollen, müssen sie sich mit Sicherheitskräften abstimmen. Viele Sportler haben ihre Trainingslager bewusst in der Ferne abgehalten, in den USA oder in Hongkong. Aber sie durften von dort nicht ihren Standort in sozialen Medien veröffentlichen. Das war erst wieder zwei Tage nach ihrer Abreise erlaubt.“
Erinnerungen an den Terror 1972
In Paris besteht die israelische Mannschaft aus 88 Sportlern. Ihre beiden Fahnenträger, der Schwimmer Meiron Cheruti und der Judoka Peter Paltchik, haben in sozialen Medien Morddrohungen erhalten. Die israelische Regierung ließ mitteilen, dass sich die Sicherheitskosten für das Team gegenüber den Sommerspielen in Tokio 2021 verdoppelt haben, sie nannte aber keine Summe.
Und so fühlen sich viele Israelis an die Olympischen Spiele 1972 in München erinnert, als palästinensische Terroristen elf israelische Teilnehmer ermordeten, sagt der israelische Sportjournalist Felix Tamsut: „In Israel nimmt man es so wahr, dass einer der Fehler der israelischen Seite damals war, einfach alles an Vertrauen in Sachen Sicherheit an die Deutschen zu geben. Das heißt, sie kennen sich aus, es ist ihr Land. Ich glaube, diesen Fehler wird man nicht zweimal machen.“
Der 7. Oktober wirkt nach. Von den mehr als 250 Geiseln sollen sich heute noch rund 110 in Gaza aufhalten. Israelische Sportler erinnern an die Opfer der Hamas. Und sie äußern ihre Solidarität mit dem israelischen Militär, auch bei der Verabschiedung der Olympia-Delegation. Felix Tamsut kommentiert: „Ich glaube schon, dass es so gesehen wird in Israel in der Gesellschaft, als eine Chance, das Land auf die internationale Bühne zu stellen. Und zwar im Sport.“
In Gaza wurden 400 Sportler getötet
Eine Chance für Israel. Doch viele andere dürften sich dadurch provoziert fühlen. Immer wieder forderten das palästinensische und iranische olympische Komitee den Ausschluss Israels von den Spielen. Ähnliches passiert beim Weltfußballverband FIFA. Und auch in der Politik gibt es Forderungen nach Sanktionen, zum Beispiel im EU-Parlament. Dort verweist man auf die mehr als 38.000 Menschen, die in Gaza mutmaßlich getötet wurden. Darunter 400 palästinensische Sportler, Trainer und Betreuer, sagt Susan Shalabi, Vizepräsidentin des Palästinensischen Fußballverbandes: „In Gaza wurde die sportliche Infrastruktur fast komplett zerstört. Viele Kinder und Jugendliche aus unseren Nachwuchsakademien wurden getötet, zum Teil kamen ganze Familien ums Leben.“
Mehrere palästinensische Vorbilder wurden getötet. Der frühere Läufer Majed Abu Maraheel erlag ohne Medikamente einem Nierenleiden. Er war 1996 in Atlanta der erste palästinensische Sportler bei Olympia gewesen. Und auch für diejenigen Sportler, die sich in Sicherheit bringen konnten, hat der Krieg Folgen, berichtet Susan Shalabi: „Einer unserer Hoffnungsträger für Paris war der Gewichtheber Mohammed Hamada. Es war sehr schwer, ihn aus Gaza herauszuholen. Weil es dort nur wenige Lebensmittel gibt, hat er zwanzig Kilo abgenommen. Und er konnte nicht rechtzeitig wieder genug Gewicht zulegen. Dadurch verlor er eine einmalige Chance, bei Olympia dabei zu sein.“
Bislang haben palästinensische Athleten in ihrer olympischen Geschichte keine Medaille gewonnen, und dabei dürfte es auch in Paris bleiben. Und noch etwas bleibt. Olympia ist eine große politische Plattform: für Solidarität, aber auch für Protest.