Archiv

Mordfall Daphne Caruana Galizia
Journalistin war mysteriöser China-Connection auf der Spur

2017 wurde auf Malta die Journalistin Daphne Caruana Galizia durch eine Autobombe getötet. Ein internationales Team nahm ihre Recherchen wieder auf und entdeckte, dass Galizia offenbar Betrügereien hochrangiger maltesischer Politiker auf der Spur gewesen war - mit Verbindung nach China.

Text: Nina Magoley; Christoph Giesen im Gespräch mit Isabelle Klein | 30.03.2021
Foto der 2017 ermordeten Journalistin Daphne Caruana Galizia vor einer Wand, davor Kerzen
Malteser demonstrieren für mehr Aufklärung des Mordes an Daphne Caruana Galizia (picture alliance/AP Photo/Rene Rossignaud)
Ihre Ermordung löste weltweit Betroffenheit aus: Die 53-jährige maltesische Journalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia war am 16. Oktober 2017 in ihrem Auto auf einer Straße im Norden Maltas in die Luft gesprengt worden. Sie hatte regelmäßig über Korruption und Geldwäsche berichtet. Anfang 2016 enthüllte Galizia, dass der maltesische Regierungsstabschef Keith Schembri und der damalige Energieminister Briefkastenfirmen in Panama besaßen. Diskussionen über mögliche Schmiergeldzahlungen an Regierungsmitglieder kamen auf, die 2017 zu vorgezogenen Neuwahlen führten.
Bis heute tut sich die maltesische Regierung schwer, die Hintergründe des Mordes an der Journalistin aufzuklären. Bislang ist unklar, wer den Auftrag gab, sie zu töten.
Ein Schild vor der maltesischen Botschaft erinnert bei einer Mahnwache an die vor zwei Jahren ermordete maltesische Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia. Auf dem Schild steht: #Justice4Daphne. Zu der Mahnwache hatten Reporter ohne Grenzen (ROG) und das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) aufgerufen und fordern von der maltesischen Regierung eine lückenlose Aufklärung der Tat.
Schleppende Ermittlungen zum Tod von Daphne Caruana Galizia
Die genauen Umstände des Mordes an der Investigativjournalistin sind bis heute nicht bekannt. Die Behörden tun sich mit der Aufklärung schwer.
Um die auffällig zögerliche Arbeit der Behörden auf Trab zu bringen, liefern jetzt Journalisten möglicherweise sachdienliche Hinweise: Ein etwa sechsköpfiges, internationales Team aus Journalistinnen und Journalisten der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) gemeinsam mit Reuters, der "Times of Malta" und dem "Organized Crime and Corruption Reporting Project" hatte die Recherchen, mit denen sich Galizia kurz vor ihrem Tod beschäftigte, wieder aufgenommen. Die "SZ" veröffentlichte nun erste Erkenntnisse.

Mysteriöser Geldtransfer über China

Demnach hatte Caruana Galizia schon 2016 zwei mysteriöse Firmen ins Visier genommen, die möglicherweise als Vehikel für die Überweisung von Bestechungsgeldern fungierten: "17 Black Ltd." und "Macbridge Ltd.". Ein Informant aus einer Behörde hatte ihr offenbar angedeutet, dass über die beiden Firmen zum Beispiel illegale Provisionen an hochrangige Politiker gingen. Der Quelle zufolge sollen so beispielsweise der damalige Energieminister und der Regierungsstabschef Keith Schembri rund zwei Millionen Dollar erhalten haben, berichtet die "SZ".
Auf diese Fährte sei das Rechercheteam durch die Aussage eines der Verdächtigen gekommen, sagt der Peking-Korrespondent der "Süddeutschen", Christoph Giesen im @mediasres-Interview. Zwei Jahre nach dem Tod Galizias war im November 2019 der Geschäftsmann Yorgen Fenech auf seiner Yacht vor der Küste Maltas festgenommen worden. Er steht seither unter dem Verdacht, die Ermordung der Journalistin in Auftrag gegeben zu haben. Ihm sind die besagten Firmen offenbar bekannt.
Ermittlern gegenüber habe Fenech erklärte, dass es sich bei dem Firmennamen "Macbridge" um eine Abkürzung handele, so Giesen: "Ma" stünde für Malta und das "C" für China. Macbridge fungiere als Verbindungsbrücke zwischen den beiden Staaten. Da war dem Rechercheteam klar: Galizias Spur führte also nach China.

Galizia kurz vor Aufdeckung von Korruption in höchsten Regierungskreisen

Die Journalistin hatte 2017, kurz vor ihrer Ermordung, sogar bereits über die beiden Firmen berichtet - und dass es Hinweise gebe, wonach Bestechungsgelder für Politiker in Malta über diese Firmen laufen sollten, berichtet Giesen. "Was sie aber noch nicht wusste: Wer dahinter steckt." Das Team um die "SZ" recherchierte in diversen Handelsregistern, und fand heraus, dass die Firma Macbridge, in Hongkong registriert, offenbar in direkter Verbindung mit dem Unternehmer Fenech steht - der wiederum gut befreundet sein soll mit Ex-Stabschef Keith Schembri. Fenech habe demnach 1,2 Millionen Dollar nach China überwiesen.
Geschäftsmann Yorgen Fenech umgeben von Reportern nach seiner Verhaftung
Hauptverdächtiger im Mordfall: Geschäftsmann Yorgen Fenech (picture alliance/AP Photo/Uncredited)
Auch den Shanghaier Unternehmensberater Chen Cheng, über den Galizia bereits berichtet hatte, konnte das Rechercheteam in China ausfindig machen und beleuchten, erzählt Giesen. Heraus kam, dass der Mann für einen chinesischen Staatskonzern "den Einstieg bei einem Versorger in Malta mitbegleitet" habe.
Die Recherchen des Teams hätten die Verstrickungen und die Korruptheit, denen Galizia auf der Spur war, immer deutlicher zutage geführt, sagt der "SZ"-Korrespondent. Klar geworden sei den Journalisten: "Zum Zeitpunkt ihres Todes war Malta ein bis in die höchsten Regierungsspitzen sehr verrohtes, durchaus korruptes Land mitten in Europa."

Angeklagte wollen Straffreiheit gegen Aussagen

Yorgen Fenech sitzt in Untersuchungshaft und ist als einer der mutmaßlichen Auftraggeber des Mordes an der Journalistin angeklagt, außer ihm noch drei weitere Männer, die beschuldigt werden, die Bombe an ihrem Auto angebracht und gezündet zu haben. Zwei der angeklagten Männer hatten vergangene Woche ihre Straffreiheit beantragt. Sie wollen Beweise vorlegen können, die Spitzenpolitiker mit dem Mord an der Bloggerin und mit anderen Verbrechen in Verbindung bringen sollen. Ein dritter Mann hatte sich kürzlich überraschend vor Gericht schuldig bekannt. Er wurde zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.
Schembri, der ehemalige Kabinettschef, wurde erst im September 2020 im Zuge von Ermittlungen zu "Goldenen Pässen" für reiche Ausländer festgenommen. Er ist wegen Korruption angeklagt.
Die Männer hinter dem Mord an Daphne
Lange passierte in Malta nichts nach dem Bombenanschlag auf Journalistin Daphne Caruana Galizia. Dann entpuppte sich die schöne Urlaubsinsel langsam als korrupter Sumpf.

Beweise gegen Yorgen Fenech

Noch Ende Januar 2021 hatte der Sohn Galizias, Matthew Caruana Galizia, vor Gericht ausgesagt, seine Mutter habe vor ihrer Ermordung zu möglichen Korruptionsfällen im Zusammenhang mit dem Bau eines Kraftwerks recherchiert. Teilhaber des Kraftwerksunternehmens soll der Geschäftsmann Fenech gewesen sein. Ein Informant habe ihnen damals Dokumente zukommen lassen, die nahe gelegt hätten, dass Fenech eine wichtige Rolle in den Korruptionsfällen spielte, sagte Matthew Caruana Galizia. Seine Mutter habe die Geschichte gegen Ende des Jahres 2017 veröffentlichen wollen.
Caruana Galizia war eine bekannte maltesische Investigativjournalistin und Bloggerin. Ihr 2008 begonnener Blog "Running Commentary" wurde zeitweise 400.000 Mal am Tag aufgerufen. Darin prangerte sie Regierungskorruption, Bestechung, illegalen Handel und Offshore- Finanzgeschäfte in Malta an. Laut Reporter ohne Grenzen waren zum Zeitpunkt ihres Todes mehr als 40 Verleumdungsklagen gegen die Journalistin anhängig.

Europarat rügt Malta wegen mangelndem Aufklärungswillen

Bei der Untersuchung des Mordanschlags taten sich die maltesischen Behörden bislang offenbar auffallend schwer: Erst nachdem sich der Europarat wiederholt eingeschaltet und eine unabhängige Untersuchung der Umstände gefordert hatte, kamen diese schließlich im September 2019 in Gang - aber offenbar nur schleppend. Noch im Dezember 2020 kritisierte der Europarat die maltesischen Behörden scharf. Malta habe die Europarats-Empfehlungen, um Gerechtigkeit für den Tod der Journalistin zu schaffen, "grundsätzlich unbefriedigend" umgesetzt, heißt es in einem Bericht.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit ist Malta seit der Ermordung von Daphne Caruana Galizia um 34 Plätze gefallen. Es belegt derzeit Platz 81 von 180 Ländern. Im Herbst 2020 hat das Europaparlament einen mit 20.000 Euro dotierten Journalistenpreis im Andenken an die ermordete Reporterin ins Leben gerufen.