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Moschee-Bau in Lissabon
Stadt verprellt Anwohner

Es ist ein Streit, der einem bekannt vorkommt: Eine Stadt will eine Moschee bauen, bei den Anwohnern regt sich Widerstand. Doch in Lissabon hört man nichts von Angst vor islamistischem Terrorismus oder einem angeblichen Kulturkampf zwischen Christentum und Islam. Das Problem ist die Stadtverwaltung.

Von Tilo Wagner |
    Blick über das Lissaboner Viertel Mouraria auf den Tejo
    Blick über das Lissaboner Viertel Mouraria: Kirchen gab es hier genug - doch die vielen bengalischen Einwohner brauchten eine größere Moschee. Die sie auch bekamen. Die Anwohner fühlten sich allerdings nicht ausreichend informiert. (imago stock&people)
    Kleine Supermärkte, Halal-Metzger und Handyläden - die belebte Straße in Lissabons Altstadtviertel Mouraria ist fest in der Hand bengalischer Einwanderer.
    In einem der vielen Restaurants wendet Md Nizam Hähnchenteile in einer großen Frittierpfanne. Seit über 20 Jahren lebt der Bengale in Portugal. Er lobt das Zusammenleben mit den Portugiesen: Es gebe kaum Rassismus oder Diskriminierung. Doch etwas störe den gläubigen Muslim trotzdem:
    "Unsere Moschee hier im Viertel ist einfach zu klein. Wir können nicht alle zusammen gemeinsam beten. In den letzten Jahren haben wir deshalb drei- oder viermal den Ort wechseln müssen. Wir brauchen eine neue große Moschee."
    Der Wunsch nach einem neuen islamischen Gotteshaus stieß bei der Lissabonner Stadtverwaltung auf offene Ohren. Seit über fünf Jahren investiert die Stadt zusammen mit Initiativen aus der Zivilgesellschaft Kraft und Geld in die Erneuerung eines Viertels, das jahrelang als Drogenumschlagsort und No-go-Area für Touristen galt.
    Mit den Muslimen das Gespräch gesucht
    João Meneses hat das Renovierungsprojekt für die Stadt koordiniert. Er steht in der belebten Straße und zeigt auf ein paar Gebäude. Hier, erzählt Meneses, soll ein großer Platz mit der Moschee und einem Kulturzentrum entstehen. Die Stadt finanziere den Bau mit 2,9 Millionen Euro.
    "In der Schweiz hätte es wohl erst mal eine Volksbefragung zu dem Thema gegeben - wir haben das anders gelöst. Wir haben die bengalische Gemeinde zu einem großen Mittagessen eingeladen und mit ihr über die Moschee gesprochen. Wir haben vorgeschlagen, dass das Minarett nicht sehr hoch sein soll, damit die umliegenden flachen Altbauten nicht überragt werden und das Stadtbild nicht entstellt wird. Und die Bengalen waren damit einverstanden."
    Mit den Muslimen hat die Stadt das Gespräch gesucht. Doch einen Anwohner, dessen Haus im Zuge der Sanierung abgerissen werden soll, hat sie scheinbar vergessen.
    "Ich und die Mieter sind nie unterrichtet worden"
    António Barroso schließt die Tür zu einem dreistöckigen Altbau auf, den er vor über zehn Jahren gekauft und nach den strengen Vorlagen der Lissabonner Behörden aufwendig renoviert hatte. Barroso bewohnt eine Etage, vermietet die restlichen Wohnungen an Touristen und verpachtet im Erdgeschoss ein Restaurant an einen bengalischen Geschäftsmann. Von der Stadtverwaltung, sagt er, habe er erst gehört, als sie ihn vor ein paar Monaten enteignet haben. Die Stadt kann diesen Eingriff in das Privateigentum vollziehen, solange sie ihr Handeln rechtfertigen kann und den Eigentümer angemessen entschädigt. Das aber, sagt António Barroso, sei nicht geschehen; die versprochene Entschädigung sei viel zu niedrig:
    "Die Stadt sitzt seit ein paar Jahren an diesem Projekt, aber ich und die Mieter sind nie davon unterrichtet worden. Wir wurden komplett ignoriert. Und sie haben uns erst ernst genommen, als ich öffentlich Alarm geschlagen habe."
    Debatte ohne Angst vor Islamismus
    Für sein Haus fordert António Barroso einen Geldbetrag, der fast viermal so hoch ist wie das Angebot der Stadtverwaltung. Der Konflikt wird nun vor Gericht ausgetragen, und Barroso ist für diejenigen, die prinzipiell gegen den Bau einer Moschee im Herzen Lissabons sind, zum Helden geworden. Damit will António Barroso aber gar nichts zu tun haben. Ihm gehe es nicht um Politik, sondern nur um sein Geld und seine persönliche Zukunft:
    "Ich habe gar nichts gegen die Moschee. Aber es gibt viele Leute, die dagegen sind. Im Internet findet man eine ganze Menge darüber. Aber das hat mit mir nichts zu tun. Bei meinem Konflikt geht es um etwas anderes."
    Die Debatte über den Neubau der Moschee ist in Lissabon geführt worden, ohne dass dabei die Angst vor dem islamistischen Terrorismus oder umstrittene Thesen von einem angeblichen Kulturkampf zwischen Christentum und Islam im Mittelpunkt gestanden hätten. Doch einige Kritiker stört es, dass die Stadt in Zeiten chronisch leerer Kassen fast drei Millionen Euro in die Hand nimmt, um ein Gotteshaus zu bauen. Und wenn die lokalen Behörden den Streit über Entschädigungszahlungen für enteignete Mieter doch noch zügig und außergerichtlich beilegen wollen, könnten die Kosten für die Stadt noch weiter ansteigen.