Interview mit russischem Botschafter
Moskau betrachtet möglichen neuen Friedensplan mit Skepsis

Russland steht möglichen Friedensverhandlungen im Krieg mit der Ukraine skeptisch gegenüber. Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, sagte dem Deutschlandfunk, es müsse zuerst einen Friedensplan geben. Wenn ein Text vorliege, könne Russland sehen, inwieweit dieser Plan den eigenen Vorstellungen entspreche.

    Sergej Netschajew, russischer Botschafter in Deutschland, spricht bei einem Interview in der Russischen Botschaft in Berlin.
    Sergej Netschajew, russischer Botschafter in Deutschland (picture alliance / dpa / Christophe Gateau)
    Netschajew bezog sich auf Aussagen von Bundeskanzler Scholz, der sich zuletzt für intensivere diplomatische Bemühungen um eine Beendigung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ausgesprochen hatte. Im ZDF-Sommerinterview hatte Scholz betont, dass es eine weitere Friedenskonferenz geben werde. Der ukrainische Präsident Selenskyj und er seien sich einig, dass auch Russland bei dieser Konferenz dabei sein müsse.
    Die Ukraine versucht, einen eigenen Friedensplan von der Weltgemeinschaft absegnen zu lassen. Botschafter Netschajew erklärte, Russland habe den Wortlaut eines neuen Friedensplans noch nicht gesehen. Wenn es sich nur um den bisherigen Plan der Ukraine in einer anderen Fassung handele, sei das für Russland inakzeptabel. Er gehe davon aus, dass Bundeskanzler Scholz das auch wisse. Der Friedensplan aus Kiew sieht den Abzug russischer Truppen aus allen Gebieten der Ukraine vor, einschließlich der Krim. Daneben soll Russland Reparationszahlungen zustimmen.

    Kritik an NATO

    Netschajew kritisierte im Gespräch mit dem Deutschlandfunk die westlichen Staaten. In den vergangenen Jahren seien militärisch-technische Anlagen der NATO-Verbündeten in der Ukraine stationiert worden. Der Botschafter bezeichnete das als "weitere Herausforderung für die russische Sicherheit". Die Situation sei ernster als in den Zeiten des Kalten Krieges. Da habe es zwei Pole und Regeln gegeben, die von beiden Seiten eingehalten worden seien. Jetzt würden die westlichen Partner diese Regeln nicht einhalten. Netschajew sagte wörtlich: "Die Unterstützung des Kiewer Regimes ist so hoch wie nie zuvor."
    Der russische Botschafter verwies zudem auf die Diskussion, der Ukraine zu erlauben, westliche Raketen mit großer Reichweite auch für Angriffe auf russisches Staatsgebiet zu nutzen. Dafür wirbt die Ukraine bei westlichen Staaten und begründet es mit dem Wunsch nach einer besseren Verteidigung. Damit seien die NATO-Länder total im Konflikt mit Russland, so Netschajew. Er sprach von "klaren Konfliktparteien". Das werde, sagte Netschajew weiter, für Russland eine absolut neue Situation sein, mit allen daraus resultierenden Folgen. Welche Folgen das sein könnten, ließ der Botschafter offen.
    Die Ukraine verteidigt sich seit Anfang 2022 mit Unterstützung westlicher Länder gegen einen von Russland geführten Angriffskrieg.

    Weitere Informationen:

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    Diese Nachricht wurde am 17.09.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.