Russlands Staatspräsident Dmitri Medwedew war richtig beleidigt:
"Es wäre nicht schlecht gewesen, den Telefonhörer zu nehmen und mal anzurufen. Aber Aleksandr Grigorjevitsch Lukaschenko hat mich eben nicht angerufen!"
Lukaschenko, Amtskollege aus der benachbarten Bruderrepublik Weißrussland, hatte Medwedew ein Treffen verdorben, bei dem ehemalige in einem kollektiven Verteidigungsbündnis versammelte Sowjetrepubliken über eine gemeinsame Eingreiftruppe hatten beraten und beschließen wollen. Doch Lukaschenko blieb dem Treffen fern. Ein veritabler Milchkrieg zwischen beiden Staaten war hochgekocht, jüngstes Schlaglicht in diesem Sommer des Missvergnügens, wie er das aktuelle Verhältnis zwischen Moskau und Minsk kennzeichnet. Begonnen hatte die jüngste Eskalation nach deftigen Bemerkungen des Minsker Potentaten Lukaschenko, der sich belehrende Fragen des russischen Finanzministers Alexej Kudrin nach dem Verwendungszweck neuer russischer Millionenkredite schlichtweg verbeten hatte. Zunächst: schockierte Sprachlosigkeit in Moskau - ein überaus seltenes Phänomen. Dann die bemüht beherrschte Antwort Medwedews:
"Wir arbeiten aktiv und partnerschaftlich mit unseren engsten Nachbarn, helfen ihnen, Krisenerscheinungen zu überwinden, und zwar auch finanziell in nicht geringem Umfang! Da kann es schon mal notwendig sein, die wirtschaftliche Lage vor Ort zu kommentieren. Aber: Niemals haben wir es uns erlaubt - und so wird das bleiben! - Führungspersönlichkeiten anderer Länder öffentlich zu charakterisieren! Obwohl es bestimmt eine Menge zu sagen gäbe über die Effizienz von wirtschaftlichen Maßnahmen, die sie ergreifen, warum sie bei uns um Hilfe nachsuchen. Vom Standpunkt diplomatischer Ethik her ist dieses Verhalten nicht hinnehmbar. Wir gehen davon aus, dass auch unsere engsten Partner solch eine Position einnehmen werden."
Doch nur wenig später keilt Minsk zurück und kündigt seinerseits Einfuhrkontrollen an der gemeinsamen Grenze an, die es seit 1995, seit Beginn der gemeinsamen Zollunion, nicht mehr gegeben hat. Dies ist die Retourkutsche auf ein plötzlich verhängtes russisches Einfuhrverbot für bestimmte weißrussische Milchprodukte. Auf einmal tauchen Kennzeichnungsvorschriften aus Moskauer Schubladen auf, die bislang noch nicht angewandt worden waren. "Unsere Schritte", so Jurij Zhadobyn vom belarussischen nationalen Sicherheitsrat, "sind nur eine symmetrische Antwort auf die Zollmaßnahmen der russischen Seite!"
Für komplette internationale Verwirrung sorgt jedoch die fast zeitgleiche Ankündigung des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin, wonach sich Russland, Weißrussland und Kasachstan jetzt nicht mehr einzeln, sondern künftig gemeinsam als Zollunion um den Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO bemühen wollen. - Handelskrieg oder Harmonie? Was gilt? - Der Moskauer Wirtschaftspublizist Aleksandr Privalov ist sich sicher:
"Der Skandal mit Lukaschenko hat nur ans Licht gebracht, dass wir uns im Kern von der WTO verabschiedet haben. Sehr lange haben wir allen erzählt, wie furchtbar gern wir in die WTO möchten. Und uns hat man lange erzählt, wie gern sie uns in der WTO sähen. All das ist jetzt vorbei. Wir werden der WTO nicht beitreten. Und alle anderen werden deshalb nicht besonders weinen."
Formal ist der Streit um Milchimporte und Binnenzollkontrollen inzwischen beigelegt. Doch schon ist zu hören, Moskaus Gazprom könnte analog zum Verfahren mit der Ukraine nun auch bei Minsk auf pünktlicher Bezahlung von Erdgaslieferungen bestehen. Über weißrussisches Gebiet führen ebenfalls Transitpipelines für russisches Gas und Öl in Richtung Mittel- und Westeuropa. Einmal mehr die Frage: Patt? Zwickmühle? Teile des Moskauer politischen Establishments - wie hier der Dumaabgeordnete Konstantin Zatulin von der Putin-Partei "Geeintes Russland" - vermuten im aktuellen Streit mit Minsk westliche Strippenzieher. Zatulin im Sender Echo Moskvy:
"Russland hat im vergangen August im Kaukasus den Westen herausgefordert. Vielleicht hat der Westen auch entschieden, sich provoziert zu fühlen. Dort sind jetzt solche Stimmen lauter zu hören, denen wegen Russlands Auftritt die Menschenrechte und Demokratieprobleme in Weißrussland oder Usbekistan nicht mehr ganz so wichtig sind. Ihr Ansatz ist: Wir müssen, wo es nur geht, Russland Stöcke zwischen die Speichen stecken und solche Kräfte finden, die mit uns arbeiten wollen. Lukaschenko hat diese Lage erfasst und denkt: Wenn er die Beziehungen mit Russland verschlechtert, kann er sein Verhältnis zum Westen am besten wieder aufbauen."
"Es wäre nicht schlecht gewesen, den Telefonhörer zu nehmen und mal anzurufen. Aber Aleksandr Grigorjevitsch Lukaschenko hat mich eben nicht angerufen!"
Lukaschenko, Amtskollege aus der benachbarten Bruderrepublik Weißrussland, hatte Medwedew ein Treffen verdorben, bei dem ehemalige in einem kollektiven Verteidigungsbündnis versammelte Sowjetrepubliken über eine gemeinsame Eingreiftruppe hatten beraten und beschließen wollen. Doch Lukaschenko blieb dem Treffen fern. Ein veritabler Milchkrieg zwischen beiden Staaten war hochgekocht, jüngstes Schlaglicht in diesem Sommer des Missvergnügens, wie er das aktuelle Verhältnis zwischen Moskau und Minsk kennzeichnet. Begonnen hatte die jüngste Eskalation nach deftigen Bemerkungen des Minsker Potentaten Lukaschenko, der sich belehrende Fragen des russischen Finanzministers Alexej Kudrin nach dem Verwendungszweck neuer russischer Millionenkredite schlichtweg verbeten hatte. Zunächst: schockierte Sprachlosigkeit in Moskau - ein überaus seltenes Phänomen. Dann die bemüht beherrschte Antwort Medwedews:
"Wir arbeiten aktiv und partnerschaftlich mit unseren engsten Nachbarn, helfen ihnen, Krisenerscheinungen zu überwinden, und zwar auch finanziell in nicht geringem Umfang! Da kann es schon mal notwendig sein, die wirtschaftliche Lage vor Ort zu kommentieren. Aber: Niemals haben wir es uns erlaubt - und so wird das bleiben! - Führungspersönlichkeiten anderer Länder öffentlich zu charakterisieren! Obwohl es bestimmt eine Menge zu sagen gäbe über die Effizienz von wirtschaftlichen Maßnahmen, die sie ergreifen, warum sie bei uns um Hilfe nachsuchen. Vom Standpunkt diplomatischer Ethik her ist dieses Verhalten nicht hinnehmbar. Wir gehen davon aus, dass auch unsere engsten Partner solch eine Position einnehmen werden."
Doch nur wenig später keilt Minsk zurück und kündigt seinerseits Einfuhrkontrollen an der gemeinsamen Grenze an, die es seit 1995, seit Beginn der gemeinsamen Zollunion, nicht mehr gegeben hat. Dies ist die Retourkutsche auf ein plötzlich verhängtes russisches Einfuhrverbot für bestimmte weißrussische Milchprodukte. Auf einmal tauchen Kennzeichnungsvorschriften aus Moskauer Schubladen auf, die bislang noch nicht angewandt worden waren. "Unsere Schritte", so Jurij Zhadobyn vom belarussischen nationalen Sicherheitsrat, "sind nur eine symmetrische Antwort auf die Zollmaßnahmen der russischen Seite!"
Für komplette internationale Verwirrung sorgt jedoch die fast zeitgleiche Ankündigung des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin, wonach sich Russland, Weißrussland und Kasachstan jetzt nicht mehr einzeln, sondern künftig gemeinsam als Zollunion um den Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO bemühen wollen. - Handelskrieg oder Harmonie? Was gilt? - Der Moskauer Wirtschaftspublizist Aleksandr Privalov ist sich sicher:
"Der Skandal mit Lukaschenko hat nur ans Licht gebracht, dass wir uns im Kern von der WTO verabschiedet haben. Sehr lange haben wir allen erzählt, wie furchtbar gern wir in die WTO möchten. Und uns hat man lange erzählt, wie gern sie uns in der WTO sähen. All das ist jetzt vorbei. Wir werden der WTO nicht beitreten. Und alle anderen werden deshalb nicht besonders weinen."
Formal ist der Streit um Milchimporte und Binnenzollkontrollen inzwischen beigelegt. Doch schon ist zu hören, Moskaus Gazprom könnte analog zum Verfahren mit der Ukraine nun auch bei Minsk auf pünktlicher Bezahlung von Erdgaslieferungen bestehen. Über weißrussisches Gebiet führen ebenfalls Transitpipelines für russisches Gas und Öl in Richtung Mittel- und Westeuropa. Einmal mehr die Frage: Patt? Zwickmühle? Teile des Moskauer politischen Establishments - wie hier der Dumaabgeordnete Konstantin Zatulin von der Putin-Partei "Geeintes Russland" - vermuten im aktuellen Streit mit Minsk westliche Strippenzieher. Zatulin im Sender Echo Moskvy:
"Russland hat im vergangen August im Kaukasus den Westen herausgefordert. Vielleicht hat der Westen auch entschieden, sich provoziert zu fühlen. Dort sind jetzt solche Stimmen lauter zu hören, denen wegen Russlands Auftritt die Menschenrechte und Demokratieprobleme in Weißrussland oder Usbekistan nicht mehr ganz so wichtig sind. Ihr Ansatz ist: Wir müssen, wo es nur geht, Russland Stöcke zwischen die Speichen stecken und solche Kräfte finden, die mit uns arbeiten wollen. Lukaschenko hat diese Lage erfasst und denkt: Wenn er die Beziehungen mit Russland verschlechtert, kann er sein Verhältnis zum Westen am besten wieder aufbauen."