Ukraine-Krieg
Moskau: Vormarsch der Ukraine in Region Kursk gestoppt - Experten: Kiew gelingt Überraschung

Russland hält an seiner Darstellung fest, einen ukrainischen Vormarsch in der Region Kursk verhindert zu haben. Doch Aussagen von Militärbloggern und weitere Indizien lassen auf einen größeren Erfolg für Kiew schließen.

    Eine unscharfe Luftaufnahme eines Panzers auf einem Feld.
    Dieses vom russischen Verteidigungsministerium veröffentlichten Bild soll einen Panzer der ukrainischen Armee in der russischen Region Kursk zeigen. (IMAGO / SNA / IMAGO)
    Nach den anhaltenden Kämpfen, die bereits in der Nacht auf Dienstag begannen, rief der zuständige Gouverneur in der russischen Region Kursk den Notstand aus. Tausende Menschen sind auf der Flucht. Zugleich versuchte die Führung in Moskau den Eindruck zu zerstreuen, den ukrainischen Truppen sei ein entscheidender Durchmarsch gelungen: Das Verteidigungsministerium erklärte erneut, die ukrainische Offensive sei abgewehrt worden, das eigene Militär habe ein Vorrücken der feindlichen Truppen verhindert.
    Russische Militärblogger schrieben dagegen, Sudscha - eine Kleinstadt mit rund 5.000 Einwohnern, die zehn Kilometer von der Grenze entfernt ist - werde zum Teil von ukrainischen Truppen kontrolliert. Osteuropa-Expertin Gesine Dornblüth sagte im Deutschlandfunk, die Soldaten hätten mindesten zwei russische Verteidigungslinien durchbrochen, was zeige, dass Moskaus Militär dort nicht gut aufgestellt sei.

    Osteuropa-Expertin Dornblüth: PR-Erfolg für Ukraine

    Dornblüth sieht darin auch einen PR-Erfolg der Ukraine: Dem von Russland angegriffenen Land sei es gelungen, aus den Negativschlagzeilen durch das langsame, aber stetige Vorrücken des Aggressors im Donbass herauszukommen. Mehrere westliche Militäranalysten äußerten sich in Sozialen Medien ähnlich.
    Der Osteuropa-Korrespondent des DLF, Peter Sawicki, sieht indes einen anderen Aspekt: "Aus westlicher Sicht scheint dieser Vorstoß der ukrainischen Armee überraschend zu kommen, auch aus deutscher Perspektive. Offensichtlich teilt die Ukraine Informationen zu militärtaktischen Zielen nur noch sehr sparsam. Das könnte auch mit eingebüßtem Vertrauen zu tun haben."

    Lage kaum unabhängig prüfbar

    Informationen über das Kampfgeschehen, die ohnehin selten überprüfbar sind, fließen in diesem Fall noch spärlicher als sonst. Die Ukraine äußerte sich bisher nicht offiziell. Präsidentenberater Mychajlo Podoljak erklärte lediglich, der russische Überfall sei die Ursache für jegliche Eskalation. Dies schließe auch die Vorgänge in den Regionen Kursk und Belgorod ein.
    Nach Aussage des russischen Generalstabschefs Gerassimow setzte die Ukraine seit Beginn der Offensive um Kursk rund 1.000 Soldaten, zahlreiche Drohnen sowie mehr als zwei Dutzend bewaffnete Fahrzeuge und Panzer ein. Russlands Präsident Putin hatte Kiew eine "groß angelegte Provokation" vorgeworfen.

    Gazprom: Gastransit durch Region Kursk läuft weiter

    Das Gebiet um Sudscha gilt als logistisch bedeutsam für die russische Armee. Dort liegt aber auch die letzte Transitstation, über die weiter Gas aus Russland über die Ukraine nach Europa fließt. 2023 wurden auf diesem Wege trotz des laufenden Krieges 14,6 Milliarden Kubikmeter Erdgas in die Europäische Union transportiert. Der russische Energiekonzern Gazprom versicherte nun, die Leitung bleibe offen.
    Die ukrainischen Behörden haben angesichts der schweren Kämpfe die Evakuierung weiterer Orte in der Region Sumy auf der anderen Seite der Grenze angeordnet. Betroffen sind 23 Siedlungen, wie der Militärgouverneur von Sumy im ukrainischen Fernsehen mitteilte. Etwa 6.000 Menschen, darunter mehr als 400 Kinder und Jugendliche, sollen aus der grenznahen Region in Sicherheit gebracht werden.
    Diese Nachricht wurde am 08.08.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.