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Moskau
Zweiter Anlauf zu einer Afghanistan-Konferenz

Ein Auftakt zu Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung soll die Konferenz sein, zu der der russische Außenminister Sergej Lawrow in Moskau eingeladen hat. Ein erster Versuch platzte im August - und auch jetzt wollen die Taliban nur direkt mit den USA verhandeln.

Von Thielko Grieß |
    Sergej Lawrow, Außenminister von Russland
    Der russische Außenminister Sergej Lawrow (picture alliance /dpa /Sven Hoppe)
    Dies ist der zweite Anlauf gewesen. Im August war der erste Versuch geplatzt, nachdem es aus Kabul heftigen Protest gegeben hatte und auch die US-Regierung kategorisch abgesagt hatte, in Moskau in ein Gesprächsformat mit den Taliban einzutreten.
    Der russische Außenminister begrüßte heute nun aber doch Vertreter verschiedener Seiten, die in die russische Hauptstadt gekommen waren: fünf Taliban-Abgesandte aus deren politischem Büro in Katar und vier Abgesandte des afghanischen Friedensrates. Das ist ein Gremium, das im Auftrag der afghanischen Führung Friedensgespräche führen soll. Teilgenommen hat auch ein Diplomat aus der amerikanischen Botschaft in Moskau, eingeladen waren auch Repräsentanten regionaler Mächte wie China, Pakistan und Iran sowie zentralasiatischer Länder wie Usbekistan oder Tadschikistan, die eine Grenze zu Afghanistan besitzen.
    "Als Organisator dieses Treffens sieht Russland seine Rolle darin, gemeinsam mit den hier um den Tisch versammelten regionalen Partnern und Freunden Afghanistans größtmögliche Unterstützung dafür zu leisten, einen konstruktiven innerafghanischen Dialog zu beginnen", so Lawrow.
    Islamisten wichtiger politischer Faktor
    Moskau hat somit längst eine historische Kehrtwende vollzogen: Vorgängergruppen der Taliban waren im afghanisch-sowjetischen Krieg die Gegner. Inzwischen geht die russische Führung aber davon aus, dass die Islamisten in Afghanistan auf lange Sicht ein wichtiger politischer Faktor bleiben, weshalb es sich lohnt, zu ihnen Kontakte zu pflegen. Dies wird Medienberichten zufolge bereits seit Jahren betrieben, oft im Geheimen. Die "Washington Post" berichtete, der afghanische Botschafter in Russland erfahre nach eigener Darstellung von Gesprächen russischer Offizieller mit Taliban selbst oft erst aus Medien.
    Ein zweites wichtiges Augenmerk Moskaus gilt der Sicherheitslage in seinem südlichen Interessensgebiet. Grenzte die Sowjetunion einst direkt an Afghanistan, liegen heute zwischen Russland und dem Hindukusch die zentralasiatischen Republiken, fast sämtlich autoritär geführt. Russland ist dort militärisch engagiert.
    Wie das russische Staatsfernsehen zeigte, unternahmen die russische und tadschikische Armee im vergangenen Jahr gemeinsam eine mehrtägige Übung. Das mehrheitlich muslimische Tadschikistan hat vom großen Nachbarn gebrauchte Waffen im Wert von rund einer Milliarde US-Dollar erhalten. Erklärtes Ziel: Abwehr von Terrorismus, Abwehr des Islamischen Staates, der auch in Afghanistan aktiv ist. Russlands Außenminister Lawrow heute in Moskau:
    "Den Afghanen zu helfen, die Pläne [der Terroristen] zu durchkreuzen und die terroristische Bedrohung auszurotten, ist Aufgabe unserer Länder und der in der Region tätigen multilateralen Strukturen", womit ein von Russland dominiertes Militärbündnis einiger früherer Sowjetrepubliken gemeint ist.
    Ein Abschlussdokument oder eine Pressekonferenz nach den Gesprächen gab es nicht. Die Taliban-Vertreter erklärten, sie seien zurzeit zu direkten Verhandlungen nur mit den USA selbst bereit, nicht mit der Regierung in Kabul. Auch das zeigt, dass der Einfluss Russlands begrenzt ist. Aber die Möglichkeiten, die es hat, will es nutzen.