Vor drei Jahren ließ es sich der russische Präsident Wladimir Putin nicht nehmen, mit einer großen Videoshow in einem Kremlsaal voller geladener Gäste die neuesten Vorhaben russischer Militärtechnik zu präsentieren:
"Ende 2017 fand auf dem Zentralen Versuchsgelände ein erfolgreicher Start der allerneuesten Flügelrakete statt, die über einen Atomantrieb verfügt, sagt Putin und bittet um das Video."
Die Tests neuer Waffen verzögern sich
Die Botschaft, nur zwei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen lautete: Russland ist zum Bau hochleistungsfähiger Rüstungsgüter in der Lage, wovon schon 20.000 Atomsprengköpfe zu Sowjetzeiten zeugten wie auch die jetzt noch 1550, genauso viele wie die USA haben. Bis aber aus den Computersimulationen tatsächlich neue Waffen werden, die angeblich nicht abgefangen werden können, dauert es offenbar. Die Produktion kann noch nicht beginnen, weil sich die Tests verzögert bzw. noch gar nicht begonnen haben. Der russische Publizist und Spezialist für Verteidigungsfragen Alexander Goltz nennt die Neuentwicklungen:
"Es geht um die Waffen, die Putin kurz vor der Präsidentschaftswahl 2018 so stolz vorgestellt hat. Die Sarmat-Rakete, außerdem um die Überschall-Rakete Kinschal, also Dolch, und diese Unterwasserdrohne Poseidon, die angeblich nach einem Atomschlag noch selbst Atom-Ziele in den USA finden und vernichten kann. Und natürlich diese Flügel-Rakete, die dank eines atomaren Antriebs unendlich lange in der Luft bleiben kann."
Modernisierung des Atomwaffenarsenals
Der Test-Start von Poseidon, einer mit einem Atomsprengkopf bestückten Unterwasserdrohne, sollte schon vor Monaten stattfinden, wurde jedoch mehrfach verschoben. Warum die russische Führung derart auf einer Modernisierung des Atomwaffenarsenals besteht, leuchtet dem unabhängigen Militärexperten Alexander Goltz nicht recht ein:
"Die Atom-Theoretiker sprechen von einer Atomwaffen-Sackgasse. Das Arsenal, das die andere Seite abschrecken soll, muss eigentlich nicht modernisiert werden, es ist seit dem 70er und 1980er Jahren in der Sowjetunion und in den USA mehr als ausreichend, um die andere Seite zu vernichten. Sie reichen immer noch. Wenn man heute trotzdem Atomwaffen modernisiert, ist das eher eine propagandistische Notwendigkeit als eine militärische."
Russlands Armee wurde in Putins 20 Amtsjahren sichtbar modernisiert. Zum bewaffneten Auslandseinsatz russischer Streitkräfte kamen es bislang in Syrien und Georgien. Verdeckte Operationen der sogenannten Wagner-Söldnertruppe des Putin-Vertrauten Prigoschin angeblich in Libyen, der Zentralafrikanischen Republik oder Venezuela nicht mitgerechnet. Die Rhetorik, vor allem von Präsident und Außenminister gegenüber dem Westen, hat unüberhörbar an Schärfe zugenommen:
"Neuer Kalter Krieg"
"Es geht nicht nur um den Ton. Meiner Meinung nach sind Russland und der Westen in einen neuen kalten Krieg eingetreten. Der Beginn war die Annexion der Krim und der nicht erklärte Krieg im Donbass. Aber für diesen neuen kalten Krieg hat Russland nicht die Ressourcen wie damals die Sowjetunion. Russlands Bevölkerung ist alt, aus ihr kann man keine millionenköpfige Armee formieren. Russland hat keine Verbündeten. Und Russland hat keine Industrie, die fähig ist große Mengen Rüstungsgüter herzustellen. Was Russland bleibt, sind Atomwaffen."
90 Prozent der Atomwaffen weltweit besitzen Russland und die USA, Russland hat die Hälfte, also 45 Prozent. Nachdem Ex-US-Präsident Trump mehrere Rüstungskontrollabkommen gekündigt hat, ist nur noch der New Start-Vertrag gültig, den der neue Mann im Weißen Haus, Joe Biden, soeben verlängert hat.
In jeder Krise mit dem Westen erinnere Wladimir Putin daran, dass Russland eine Atommacht sei und den Westen vernichten könne. Damit spielten die Atomwaffen in der militärischen Strategie heute eine viel größere Rolle als zu Sowjetzeiten, sagt Alexander Goltz, der Moskauer Publizist, der seit Jahren über die russischen Streitkräfte schreibt:
"Der wichtigste Grund für diese geänderte Strategie ist, dass sich in Russland zu einer autoritären Macht hin entwickelt hat, weil Wladimir Putin und sein engster Kreis ihre Macht unter gar keinen Umständen abgeben wollen. Sie denken, dass der Westen diese autoritäre Macht mit Hilfe von sogenannten bunten Revolutionen schwächen will. Und damit der Westen nicht auf eine solche Idee kommt, braucht es die Abschreckung, die Atomwaffen wie im Kalten Krieg."