Russland knüpft derzeit neue Beziehungen im Nahen Osten: Erst kürzlich hat es mit dem Iran und der Türkei über die Zukunft Syriens verhandelt. Gestern war Benjamin Netanjahu in Moskau zu Gesprächen und lobte Russlands Kampf gegen Terrorismus. Heute wird der türkische Machthaber
In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres avancierte ein Wort zum Dreh- und Angelpunkt des russisch-türkischen Verhältnisses: "Normalisierung".
Nach dem tiefen Zerwürfnis zwischen beiden Staaten, dem ein Abschuss eines russischen Militärjets vorausging, schwang das Pendel im vergangenen Sommer wieder zurück in Richtung Freundschaft. Wladimir Putin im Dezember:
Gemeinsame wirtschaftliche Interessen
"Weil wir die Wichtigkeit und Bedeutung der russisch-türkischen Beziehungen verstehen, werden wir alle Anstrengungen unternehmen, um sie weiter zu entwickeln. Dabei haben wir natürlich türkische Interessen im Kopf und nicht zuletzt auch russische. Es ist uns im vergangenen Jahr nach der Normalisierung unserer Beziehungen gelungen, Kompromisse zu finden."
Kompromisse, das sind zum einen ökonomische Verflechtungen: Russland will ein Atomkraftwerk in der Türkei errichten und über die Pipeline "Turkish Stream" Erdgas liefern. Gazprom finanziert die Röhren. Außerdem hat die Türkei erklärt, sie wolle ein Raketenabwehrsystem von Russland kaufen. Russland wiederum kauft türkische landwirtschaftliche Produkte und russische Urlauber fliegen gern zu türkischen Urlaubsorten. Zum anderen gibt es gemeinsame strategische Interessen im Nahen Osten. Eine Einschätzung von Aleksej Malaschenko, Forschungsleiter eines russisch finanzierten Instituts in Berlin:
Das neue Dreieck im Nahen Osten: "Teheran, Ankara, Moskau"
"In der jetzigen Situation in Syrien und überhaupt im Nahen Osten braucht Russland einen verlässlichen Verbündeten. Russland hat ein Dreieck ins Leben gerufen: Teheran, Ankara, Moskau."
Der Iran, die Türkei und Russland haben in Astana, Kasachstan, über die Zukunft Syriens verhandelt. Das Dreieck will Assad einstweilen an der Macht halten und hat sich auf die Fahnen geschrieben, gemeinsam Terrorismus zu bekämpfen. Terrorismusdefinition und Einsatz aber unterscheiden sich:
Russland bekämpft Aufständische und den Islamischen Staat vorrangig aus der Luft, der Iran lässt eher am Boden kämpfen und die Türkei hat zusätzlich Kurden im Visier und will eine Selbstständigkeit von Kurden im Norden Syriens unbedingt verhindern. Russland selbst hat sich militärisch in Syrien auf Dauer fest verankert, was auch ein vierter Spieler erkannt hat: Israel. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, ebenso an einem möglichst ruhigen Syrien interessiert, war gestern in Moskau und lobte Gastgeber Putin, hier zu hören mit russischer Übersetzung:
Lob für Russland auch von Israel
"Was uns eint, ist der gemeinsame Kampf gegen den islamischen Terrorismus, gegen den Islamischen Staat und Al Kaida. Seit einem Jahr sind wir in dieser Richtung gut vorangekommen. Und Russland hat dazu in der Tat einen großen Beitrag geleistet."
Im Gespräch mit Putin hat Netanjahu einen weiteren Gegner Israels benannt: die schiitische Hisbollah, die in Irans Auftrag in Syrien kämpft. Netanjahu will verhindern, dass sich die Hisbollah in Syrien etabliert; damit das nicht passiert, soll Moskau auf Iran Einfluss nehmen. Das Tableau zeigt, wie viele Fäden inzwischen in Moskau zusammenlaufen.
Die verhältnismäßig größten Schnittmengen gibt es im Duo Türkei-Russland. Deren Kooperation findet ihre Grenzen womöglich erst im Charakter der beiden Staatschefs:
"Sowohl Putin als auch Erdogan sind sehr ambitioniert. Beide wollen Sieger sein. In allem. Beide wollen zeigen, dass sie mächtige Staaten vertreten: Putin – Russland, Erdogan – die Türkei."
Ein Bündnis, das Interessen folgt. Es hat Bestand, solange diese beiden nicht konkurrieren.