Der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad ist für zahlreiche spektakuläre Einsätze bekannt. Doch wie ist die Organisation zu ihrem legendären Ruf gekommen und wie wichtig ist der Mossad für die Verteidigung des Staates Israel?
Wann und warum wurde der Mossad gegründet?
Der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad wurde offiziell am 13. Dezember 1949 vom damaligen Ministerpräsidenten David Ben Gurion gegründet. Rund 18 Monate zuvor, am 14. Mai 1948, war der Staat Israel gegründet worden.
Die drei israelischen Geheimdienste – neben dem Mossad der Inlandsgeheimdienst Schin Bet und der Militärgeheimdienst Aman – seien aus dem Geheimdienst der Hagana hervorgegangen, erklärt der Historiker Wolfgang Krieger. Bereits vor der Staatsgründung gab es nachrichtendienstliche Strukturen.
Die Hagana, so Krieger, war „eine Untergrundarmee vor der Gründung des Staates Israel, eine Untergrundarmee zum Schutz der jüdischen Siedler in Palästina. Schon die Hagana hatte einen eigenen Geheimdienst.“
Für den jungen jüdischen Staat war ein leistungsfähiger Geheimdienst überlebenswichtig, da das Land von Feinden umgeben war. Hinzu kam der existenzielle Wunsch, nach dem Holocaust nie wieder Opfer zu sein.
Zu den Zielen des Mossad gehört es, neben der Informationssammlung und der Durchführung von Operationen, Juden weltweit zu beschützen und beispielsweise bei Evakuierungsoperationen nach Israel zu bringen. Zuständig ist der Mossad für „verdeckte Aktivitäten“ im Ausland.
Eine wichtige Ausnahme beschreibt der Historiker Wolfgang Krieger: „Schin Bet ist zuständig für palästinensischen Terrorismus und Spionageabwehr sowie für die Auseinandersetzung mit den arabischen Nachbarstaaten.“ Krieger hat sich auf die Geschichte der Geheimdienste spezialisiert.
Welche Erfolge werden dem Mossad zugerechnet?
Dem Mossad werden spektakuläre Operationen zugerechnet. Einige Beispiele:
Beschaffung einer Rede von Nikita Chruschtschow 1956
Die Rede, die der spätere sowjetische Regierungschef Nikita Chruschtschow auf dem 20. Parteitag der KPdSU gehalten hat, leitete nach dem Tod Josef Stalins die sogenannte Tauwetterperiode ein. Von dem „Geheimreferat“ durften keine Aufnahmen gemacht werden. Allerdings ließ Chruschtschow die gedruckte Rede innerhalb der Parteistrukturen verteilen, so der Historiker Wolfgang Krieger. Mittels eines polnischen Kommunisten gelang es dem Mossad, an den Text zu gelangen, der im Westen von großem Interesse war.
Entführung des Naziverbrechers Adolf Eichmann 1960
Die aus deutscher Sicht vielleicht spektakulärste Mossad-Operation war die Entführung von Adolf Eichmann. Er war zur Zeit des deutschen Faschismus SS-Obersturmbannführer und einer der wichtigsten Organisatoren der Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden durch Nazi-Deutschland. Eichmann war ein „Schreibtischtäter“ im Reichssicherheitshauptamt.
Nach dem Ende des NS-Regimes setzte sich Eichmann nach Argentinien ab und lebte dort unter falscher Identität. Der hessische Generalstaatsanwalt und Holocaust-Überlebende Fritz Bauer soll dem Mossad den entscheidenden Hinweis zur Ergreifung von Adolf Eichmann gegeben haben. Zuvor hatte die Adenauer-Regierung Bauers Vorschlag abgelehnt, Eichmann per Auslieferungsantrag nach Deutschland zu bringen.
Agenten des Mossad entführten Eichmann nach Israel. Betäubt und mit falschen Papieren brachten sie ihn in ein Flugzeug. Der Prozess in Israel endete mit einem Todesurteil. 1962 wurde Eichmann hingerichtet. Die Entführung sei eine „Machtdemonstration“ gewesen, so der Historiker Krieger: „Du kannst dich nirgendwo verstecken, wir finden dich und viele andere Nazis überall.“
Tötung von Hamas-Chef Ismail Haniyeh
Ende Juli 2024 wurde der Chef der palästinensischen Hamas, Ismail Haniyeh, in Teheran getötet. Er wurde in der iranischen Hauptstadt vermutlich innerhalb eines Hauses von einem Luftgeschoss getroffen. Dass es dem Mossad, dem die Aktion zugeschrieben wird, gelungen war, im Herzen des feindlichen Staates zu agieren, gilt als besondere Demütigung des Iran.
Explosion von Pagern und Walkie-Talkies der Hisbollah
Im September 2024 machte die Hisbollah Israel für die Explosionen Hunderter Pager und Walkie-Talkies im Libanon verantwortlich, bei denen zahlreiche Hisbollah-Anhänger, aber auch Zivilisten getötet wurden. Der Historiker Krieger geht davon aus, „dass der Mossad beteiligt war“ – ebenso wie der militärische Nachrichtendienst und der Schin Bet. Ein solcher Angriff sei in jedem Fall „darauf angelegt, Angst und Schrecken zu verbreiten“, sagt die Politologin Sophia Hoffmann. Das sei „eine Kriegstaktik“.
Welche Misserfolge musste der Mossad verbuchen?
Nicht alle Aktionen des israelischen Auslandsgeheimdienstes waren oder sind erfolgreich. Zu den wichtigsten missglückten Operationen gehören:
Das Olympiaattentat in München 1972
1972 konnte der Mossad nicht verhindern, dass beim Olympia-Attentat in München elf israelische Athleten getötet wurden. Der Angriff wurde von der palästinensischen Gruppe "Schwarzer September" ausgeführt. Der Mossad verfolgte daraufhin die Verantwortlichen jahrelang und tötete mehrere Personen in verschiedenen europäischen Ländern sowie im Nahen Osten, darunter auch Unschuldige.
Anschlag auf den Hamas-Chef Khaled Mashal 1997
1997 scheiterte ein Anschlag auf den damaligen Hamas-Chef Khaled Mashal. Mossad-Agenten hatten sich in Amman als Touristen ausgegeben und versuchten, Mashal zu vergiften. Dieser überlebte jedoch und fiel ins Koma. Um die Agenten freizubekommen, musste Israel das Gegengift liefern und Hamas-Kämpfer freilassen.
Warum hat der Mossad einen so legendären Ruf?
Seit seiner Gründung, so die Politikwissenschaftlerin Sophia Hoffmann, habe der Mossad „immer wieder spektakuläre, neuartige Geheimdienstaktionen durchgeführt“. Der Mossad habe den Ruf, besonders „innovationsfähig“ zu sein.
Dazu gehöre allerdings auch eine jahrzehntelange gewaltvolle Seite: langfristig geplante Mordoperationen gegen zahlreiche Menschen in aller Welt. Nach seinem Ruf gestrebt habe der Mossad aber wohl nicht, erklärt die Forscherin. Publik seien die Aktionen meist durch Fehler geworden. Hoffmann ist Professorin für Internationale Politik und Konfliktforschung an der Universität Erfurt.
Wie viele Agenten hat der Mossad und wie agiert er weltweit?
„Israel befindet sich seit seiner Staatsgründung 1948 praktisch ununterbrochen im Kriegszustand“, sagt der Historiker und Geheimdienstexperte Wolfgang Krieger. Deshalb hätten die Geheimdienste große Kompetenzen und eine umfangreiche Personalausstattung.
Offizielle Zahlen gebe es nicht. Überschlägig komme er auf ungefähr 25.000 Geheimdienstmitarbeiter in Israel, zählt Krieger. Zum Vergleich: In Deutschland gebe es etwa 15.000 Geheimdienstmitarbeiter. Doch Deutschland hat mehr als 80 Millionen Einwohner, während Israel weniger als zehn Millionen hat.
Der Mossad habe zudem „eine Art stehendes Netzwerk von Menschen in der ganzen Welt, die aktiviert werden können, wenn es um bestimmte Operationen geht“, sagt die Politikwissenschaftlerin Hoffmann. Die Aktionen des Dienstes gehörten zur „taktischen und strategischen Sicherheitspolitik Israels“, so ihre Einschätzung. Der Mossad sei „ein Baustein der israelischen Sicherheitsarchitektur“.
Wie wird der Mossad kontrolliert?
Der Premierminister ist in der israelischen Regierung für den Mossad zuständig, sagt der Historiker Wolfgang Krieger. Der Regierungschef trägt die politische Verantwortung und erteilt auch Aufträge.
Krieger spricht von einer „ganz strikten Kontrolle“. Im israelischen Parlament, der Knesset, werden Mossad-Einsätze im Geheimdienstausschuss erörtert und kritisiert.
Außerdem habe sich "das Oberste Gericht mehrmals eingemischt, vor allem in die Operationen der gezielten Tötung“, so Krieger. Das Gericht habe Kriterien aufgestellt, wann Operationen nach israelischem Rechtsverständnis zulässig sind.
abr, tei