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Mount Maroon

In "Mount Maroon" geht es um Zeitreisen und die Everettsche Viele-Welten-Theorie - ein wunderbarer Stoff für einen komplexen Thriller. Ethan Bayce beschränkt diese unendlichen vielen Welten aus dramaturgischen Gründen auf zwei, aber das Buch ist spannend, durch und durch, auf keiner Seite langweilig - und voller überraschender Wendungen.

Rezension: Dagmar Röhrlich |
    Stellen Sie sich vor: Sie wachen in einem Krankenhaus in Cincinnati auf - aber niemand erkennt Sie wieder, sie sind nirgends registriert: kein Führerschein, keine Krankenakte, keine Versicherungsnummer, ihre Frau hat sie nie zuvor gesehen und ist seit Jahren mit einem anderen Mann verheiratet, ihre Tochter existiert nicht - und der einzige Mensch, der Ihren Namen trägt und auf den Geburtsort und -datum zutreffen, ist im Alter von sechs Jahren bei dem Unfall, der Ihre Eltern tötete, verbrannt - aber Sie haben doch überlebt… Ihre persönlichen Erinnerungen scheinen nichts mit der Realität zu tun zu haben. In diese schreckliche Lage gerät Peter Saunders, der Protagonist in Ethan Bayce' Buch "Mount Maroon".

    Was Peter Saunders zunächst nicht weiß: Er wurde durch einen missglücktes Zeitreise-Experiment in einer Parallel-Welt gerissen. Der Unfall ereignete sich in einem streng geheimen US-Labor, in dem - je nach Welt - seit Jahrzehnten mit Zeit und Raum experimentiert wird oder eben auch nicht. Um das Maß an persönlicher Prüfung voll zu machen, gerät Saunders Leben in Gefahr, weil die Mitarbeiter ihn für einen militanten Umweltaktivisten oder Terroristen halten: Schließlich haben die Wissenschaftler keine Ahnung, was bei ihrem Versuch schief gelaufen ist und welche Folgen das hatte.

    In "Mount Maroon" geht es um Zeitreisen und die Everettsche Viele-Welten-Theorie - ein wunderbarer Stoff für einen komplexen Thriller. Die Theorien, die Ethan Bayce seiner Geschichte zugrunde legt, gibt es wirklich. So ist der Tunnel der Zeitmaschine mit sogenannten photonischen Kristallen ausgekleidet, die das Licht so weit verlangsamen, dass eine Zeitreisekapsel im Tunnel schneller fliegen kann als das Licht. Das ist zwar reine Fiktion, aber in den realen Laboratorien bremsen Physiker mit diversen technischen Tricks das Licht tatsächlich ab: So gelang es beispielsweise 1998 der Harvard-Physikerin Lene Hau, einen Laserpuls auf 17 Meter pro Sekunde zu "entschleunigen" - damit war er fast 20 Millionen mal langsamer als üblich. In der Realität kommt man so jedoch auch so nicht in die Vergangenheit - und ein Laserpuls ist keine bemannte Zeitreisekapsel.

    Auch den Hintergrund für die verstörenden Ereignisse, die Peter Saunders und dann auch einige andere Personen treffen, gibt es: die Viele-Welten-Theorie von Hugh Everett III. Danach sind alle denkbaren Ereignisse letztendlich "gleichwertig real" und es existieren endlose Kopien jedes Menschen und Gegenstandes in allen nur denkbaren Strukturen, die sich über endlose Universen erstrecken. Seit einigen Jahren wird die Existenz eines Universums von Universen ernsthaft als Erklärung der physikalischen Realität diskutiert.

    Ethan Bayce beschränkt diese unendlichen vielen Welten aus dramaturgischen Gründen auf zwei - schließlich lässt sich die Geschichte sonst nicht schreiben. Es ist auch sehr interessant zu lesen, wie Bayce mit dem Großvater-Paradoxon umgeht: Was passiert wenn man in die Vergangenheit reisen kann und dabei seinen Großvater tötet. Und zwar bevor dieser den eigenen Vater gezeugt hat? Hier folgt Bayce Albert Einstein - aber mehr sei hier nicht verraten. Mount Maroon ist spannend, durch und durch, auf keiner Seite langweilig - und voller überraschender Wendungen…

    Ethan Bayce: Mount Maroon
    ISBN-13: 978-3-992-00057-9
    Braumüller Literaturverlag, 480 Seiten, 21,90 Euro