Raphaël Pichon hat sich für die CD "Libertà!" besonders mit den Jahren 1782 bis 1786 beschäftigt. Die Rahmendaten legen die Opern "Die Entführung aus dem Serail" und "Figaros Hochzeit" fest, dazwischen sucht Mozart nach dem richtigen Libretto. Und aus den Opernwerken, die er in dieser Zeit schreibt, schimmert erstaunlich oft schon das musikalische Material der späteren Da Ponte Opern hervor.
"Diese Literatur wimmelt vor Ideen", sagt Dirigent Raphaël Pichon, "Sie sprudelt, weil wir hier einen Mozart erleben, der auf der Suche nach Freiheit ist. Nach völliger Freiheit, auch persönlich, weil Mozart sich zu dieser Zeit dafür entscheidet, sich dem Einfluss seines Vaters Leopold zu entziehen, indem er Salzburg verlässt und nach Wien geht." Mozart arbeitet in Wien als freischaffender Komponist, erlebt also auch berufliche Freiheit, aber auch das berufliche Risiko. Er schreibt Einlage-Arien für die Opern seiner Zeitgenossen und fängt zwei Opern an, "L’oca del Cairo" und "Lo sposo deluso"; beide bricht Mozart allerdings ab. Für Pichon wird hieraus deutlich, dass Mozart offensichtlich ein Perfektionist war. "Er hat klare Vorstellungen und er braucht den richtigen, den idealen Partner für seine Projekte." Und dabei geht es Mozart insbesondere um den Inhalt der Libretti und um die Inhaltsdichte. Der Komponist wollte mit den Opern "Stellung beziehen in seinem Jahrhundert", meint der 35-Jährige, Mozart habe politische und soziale Probleme seiner Zeit aufgreifen wollen.
Szene 1 - "Der tolle Tag"
Pichon hat für die CD drei Szenen neu konstruiert, aus Werken von Mozart und aus Werken seine Zeitgenossen Paisiello, Salieri und Martin y Soler. Die drei Szenen orientieren sich an den drei Da Ponte Opern (Figaros Hochzeit, Cosí fan tutte und Don Giovanni), auf Basis der Alternativtitel, aber musikalisch gefüllt werden sie mit Opernkompositionen, die in den Jahren davor entstanden sind.
"Als ich diese Stücke kennen gelernt habe, war ich davon beeindruckt, die Nähe zu sehen und in manchen Stücken die Vorahnung wie ein Parfüm zu spüren: eins erinnert an die Serenade von Don Giovanni, ein anderes ähnelt der Szene mit dem gemeinsamen Toast aus Cosí fan tutte. Diese musikalischen Vorahnungen waren für mich ein Wegweiser für diese Idee, drei große Szene bzw. drei kleine Akte aus den Stücken zu konstruieren."
Verantwortung angesichts der reichhaltigen Mozart-Diskografie
Mit dieser Neuordnung der unbekannten und unbeachteten Opernkompositionen von Mozart wollte Pichon einerseits seine Erkenntnisse zu Mozarts Entwicklung hin zu den Da Ponte-Opern teilen; er wollte andererseits damit seiner Verantwortung als junger Musiker nachkommen, eine CD neuartig zu gestalten. "Ich denke, dass wir heute ein wenig erfinderisch sein müssen, kreativ sein müssen", sagt Pichon, "und dass dies im Einklang stehen sollte mit dem, was zu dieser Zeit gemacht wurde." Der Franzose orientierte sich an der Kultur der Pasticcios, die "Ende des 17. Jahrhunderts, noch bis tief ins 18. Jahrhundert" eine gängige Technik waren, um aus Einzelstücken ein neues Werk zusammenzusetzen. "Diese Kultur gilt es, sich wieder anzueignen, um diese absolut großartigen Stücke wieder zum Leben zu erwecken, um ihnen einen Sinn zu geben. Es bedeutet auch, zu versuchen, eine Geschichte zu erzählen, eine Geschichte, die es der Öffentlichkeit gleichzeitig ermöglicht zu verstehen, die Entwicklung des Komponisten Mozarts zu verfolgen, aber vor allem diese Musik zu hören und andere Facetten Mozarts zu entdecken, die dann möglicherweise die späteren Meisterwerke erhellen."
Libertá! Mozart und die Oper
Ensemble und Chor Pygmalion
Sabine Devieilhe, Serena Malfi, John Chest, Nahuel di Pierro, u.a.
Ltg.: Raphaël Pichon
harmonia mundi
Ensemble und Chor Pygmalion
Sabine Devieilhe, Serena Malfi, John Chest, Nahuel di Pierro, u.a.
Ltg.: Raphaël Pichon
harmonia mundi