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Mozartwoche Salzburg
Am Anfang Orpheus

Zum Auftakt der Mozartwoche Salzburg interpretierten Marc Minkowski und Ivan Alexandre "Orfeo ed Euridice" von Christoph Willibald Gluck. Der Opernabend mit Hang zum Kitsch imponiert durch die musikalische Leistung der Musiciens du Louvre Grenoble.

Von Jörn Florian Fuchs |
    Seltsame Töne zur Eröffnung der Mozartwoche! Mit dem Namensgeber haben sie rein gar nichts zu tun. Allerdings hätte Mozart beinahe Christoph Willibald Glucks "Orfeo ed Euridice" bei der Uraufführung in Wien Anno 1762 erlebt. Doch das damals sechsjährige Wunderkind und sein Vater kamen einen Tag zu spät an.
    Auf ihre ganz eigene Weise waren ja sowohl Mozart wie Gluck Erneuerer des Musiktheaters, wobei Mozarts quicklebendige, organische Tonsprache in Glucks durchgestalteter Künstlichkeit einen interessanten Kontrast findet. Zum 300. Geburtstag von Ritter Gluck jetzt also der Klassiker überhaupt, auf Italienisch, in der Wiener Fassung.
    Es gibt das Stück auch auf Französisch, da klingt es opulenter und ist deutlich länger. In Salzburg bleibt die Aufführung knapp unter Fernsehfilmformat. Und das ist auch gut so, denn der Ideenkosmos von Regisseur Ivan Alexandre erschöpft sich gegen Ende doch etwas.
    Zunächst wähnt man sich in einer Inszenierung von Claus Guth. Da versammelt sich eine eher konservativ gekleidete Hochzeitsgesellschaft, das Brautpaar trägt Gold, als Geschenk gibt es ein blutrotes Schüttbild à la Hermann Nitsch. Unglücklicherweise verletzt sich die Braut jedoch (wie beziehungsweise woran genau, war vom Sitzplatz des Rezensenten aus nicht zu erkennen) und entschwindet in die Unterwelt. Ihrem singenden, klingenden Gatten gelingt es nach etlichen Mühen, die Herzensdame zurückzuholen.
    Ivan Alexandre zeigt all dies mit pathetischer, aber doch recht klarer Personenführung. Der Unterweltsbestien-Chor singt aus eigenen Höllenlogen, Gevatter Tod taucht als grimmig tänzelnder Jüngling (Uli Kirsch) auf. Nachdem er am Ende verloren hat und der Lederkluft tragende Amor (formschön jubilierend: Ana Quintans) sich siegreich freut, versucht Freund Hein mittels Apfel das hehre Paar in Versuchung zu bringen.
    Das bleibt standhaft und so beißt der dunkle Geselle kraftvoll selbst in die Vitaminbombe. Die Reste will er den Choristen schenken, doch auch die lehnen dankend ab. Vor diesem Finale sieht man eine Reihe schöner, fast zu schöner Bilder. So sorgen etwa güldene Planeten in einem Fantasieuniversum für Behaglichkeit (Ausstattung: Pierre-André Weitz), es gibt ein paar nette Spiegeleffekte und intensive Affekte. Außerdem liebt die Regie offenbar Schattenspielchen. Wenn allerdings der Tod im Riesenzoom erscheint und das Haar der Verblichenen würdevoll mit einem Kamm bearbeitet, ist die Grenze zum Kitsch doch überschritten.
    Angesichts der musikalischen Leistungen fällt dies jedoch kaum ins Gewicht. Denn Marc Minkowski lässt mit seinen formidablen Musiciens du Louvre Grenoble (bestens unterstützt von Mitgliedern des Salzburger Mozarteum Orchesters sowie dem Salzburger Bachchor unter Alois Glassner) Gluck kraftvoll strahlen und atmen. Zwar sitzt nicht jedes technische Detail, doch der Gesamtklang überzeugt.
    Bei den Zwischenspielen herrscht wildes Höllenwüten oder ruhige Meditation, herrlich perlen und schäumen Melos und Melodien. Camilla Tillings Euridice gelingen sämtliche Liebes- und Klagetöne vorzüglich, Bejun Mehtas Orfeo besticht durch wunderbar verinnerlichten Schmerzensschmelz. Doch etwas will dem mittlerweile zum Weltstar empor gestiegenen Countertenor nicht wirklich gelingen: all jene Phrasen und Passagen, wo das Tempo anzieht, wo es ein zu feinmaschiges Notennetz gibt, mit präzisem Ausdruck zu interpretieren. Da wird die Stimme plötzlich rau, manche Töne verschleift Mehta recht unschön. Dem Publikum entgingen solche Feinheiten offenbar, es freute sich tosend über einen intensiven Opernabend ohne Provokationen auf der Bühne oder im Graben.