Vor dem argentinischen Kongressgebäude in Buenos Aires: Einige Hundert Frauen mit grünen Halstüchern haben sich hier am Dienstagmorgen versammelt, um ein Abtreibungsgesetz zu fordern. Das grüne Tuch ist in Argentinien zum Symbol des Kampfes für einen legalen Schwangerschaftsabbruch geworden.
"Heute wird zum siebten Mal ein Gesetzentwurf zur Legalisierung der Abtreibung ins Parlament eingebracht. Die letzten sechs Initiativen endeten alle damit, dass der Kongress das Gesetz nicht debattierte und das Projekt in der Schublade verschwand", erzählt Martina Ferreto von der 'Nationalen Kampagne für ein Recht auf eine legale, sichere und kostenlose Abtreibung', die den Gesetzentwurf erarbeitet hat.
Dass in Argentinien bisher alle Versuche, Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren, im Sand verliefen, lag zweifellos daran, dass der politische Wille fehlte. Selbst Ex-Präsidentin Cristina Kirchner, die sich als progressiv bezeichnete und unter deren Regierung etwa die 'Ehe für alle' eingeführt wurde, gab kein grünes Licht für eine Debatte über ein Abtreibungsgesetz.
"Ein Abtreibungsrecht, um nicht zu sterben"
"Der Einfluss und die Macht, die die katholische Kirche in unserem Staat ausübt, der eigentlich laizistisch sein sollte, ist nach wie vor sehr groß", sagt Lucía Hernaiz, die ebenfalls vor dem Kongress demonstriert.
Doch sie und die anderen Argentinierinnen, die ein Abtreibungsgesetz fordern, sind zuversichtlich, dass sie diesmal Erfolg haben werden. Auf jeden Fall wird das Projekt wohl nicht erneut in der Schublade landen. Denn so viele Abgeordnete wie noch nie, nämlich 71, haben es unterschrieben. Sie gehören sowohl den Oppositions- als auch den Regierungsparteien an. Und auch Präsident Mauricio Macri, selbst ein Konservativer und erklärter Abtreibungsgegner, hat sich für eine Debatte ausgesprochen:
"Wie ich schon mehrfach gesagt habe: Ich bin für das Leben. Aber ich bin auch für reife und verantwortungsvolle Diskussionen, die wir Argentinier führen sollten. Daher sehe ich es positiv, dass das Thema Abtreibung in diesem Jahr auf der parlamentarischen Tagesordnung steht. "
"Verhütungsmittel, um nicht abzutreiben – und ein Abtreibungsrecht, um nicht zu sterben", skandieren Frauen-Organisationen im Parlament. Der Slogan spielt darauf an, dass in Argentinien illegale Schwangerschaftsabbrüche zuweilen tödlich enden. Verlässliche Zahlen gibt es zwar nicht, aber fest steht, dass Argentinierinnen auch ohne Gesetz abtreiben: Wenn sie dafür bezahlen können, finden sie einen Arzt in einer privaten Klinik oder Praxis, und wenn sie arm sind, tun sie es oft unter unsicheren Bedingungen. Die Oppositions-Abgeordnete Victoria Donda:
"Wir Frauen treiben ab, mit oder ohne Gesetz, und der Staat hat die Verpflichtung, zu garantieren, dass Schwangerschaftsabbrüche künftig im öffentlichen Gesundheitssystem möglich sind."
Abtreibung in Ausnahmefällen erlaubt
Seit 2015 sind Abtreibungen in Argentinien in wenigen Ausnahmefällen straffrei: Wenn eine Frau durch eine Vergewaltigung schwanger ist, oder wenn die Schwangerschaft ihr Leben gefährdet. Der jetzt ins Abgeordnetenhaus eingebrachte Gesetzentwurf sieht vor, dass Frauen innerhalb der ersten 14 Wochen eine Schwangerschaft abbrechen dürfen, und dass staatliche und private Kliniken den Eingriff kostenfrei vornehmen müssen.
In den vergangenen Wochen haben argentinische Medien so intensiv wie noch nie über das Thema berichtet und Pro-wie Kontra-Stimmen zu Wort kommen lassen. Die Abtreibungs-Gegner verteidigen nicht nur den Schutz des ungeborenen Lebens, manche attackieren auch Präsident Macri. Der Vorsitzende der Anti-Abtreibungs-NGO 'Pro Vida', Roberto Castellanos:
"In Argentinien lebt ein Drittel der Menschen unter der Armutsgrenze, wir haben Millionen von Schwarzarbeitern, Milliarden neuer Schulden und eine anhaltend hohe Inflation. Wenn die Rechte von ihren Problemen ablenken will, greift sie Themen der Linken auf."
Knappe Mehrheit der Gesellschaft für Legalisierung
In Macris Mitte-Rechts-Regierung gibt es sowohl Befürworter als auch Gegner einer liberalen Abtreibungs-Regelung. Ob der Kongress sie in diesem Jahr beschließen wird, ist heute noch nicht abzusehen. In der Gesellschaft gibt es einer aktuellen Umfrage zufolge eine knappe Mehrheit für die Legalisierung. Brenda Austin, Abgeordnete der Regierungskoalition, plädiert dafür:
"In dieser Debatte geht es um Menschenrechte. Hier geht es nicht um religiöse Auffassungen oder individuelle Moralvorstellungen."