Frischer Fisch ist es nicht gerade, der bei Torkel Gissel Nielsen auf dem Labortisch landet: Doch die alten Sprotten und Heringe, die zwischen 1987 und 2015 in der Ostsee gefangen und eingefroren wurden, sind für den dänischen Meeresbiologen wertvoller als jede Frischware. Denn sie erlauben einen Blick in die Vergangenheit. Gemeinsam mit Kollegen aus Dänemark und Kiel schnitt Gissel Nielsen bei über 800 Fischen die Mägen und Gedärme heraus und schaute nach, ob sich darin Mikroplastik befindet – eine mühselige Arbeit, die pro Fisch mehrere Stunden dauert.
"Die erste Herausforderung ist, die Teilchen aus dem Magen herauszubekommen, weil sie nur 0,1 bis 5 Millimeter groß sind. Dabei gehen wir folgendermaßen vor: Wir schneiden den Magen und den Darm aus dem Fisch heraus, dann lösen wir das Ganze in einer starken Lauge auf und filtern schließlich, was übrig bleibt. Und da findet man dann auch die Plastikpartikel mit vielen anderen Teilchen, die man dann unter dem Mikroskop untersuchen und zählen muss. Weil es auch viele andere Fasern gibt, machen wir in Zweifelsfällen einen Test mit einer sehr heißen Nadel. Wenn das Teilchen dabei schmilzt, ist es Plastik."
Keine Zunahme des Mikroplastiks in Fischen
Zusammen mit den Fischen, die zu Forschungszwecken jedes Jahr zur gleichen Zeit vor der dänischen Insel Bornholm gefangen wurden, sind auch Wasserproben genommen worden. Auch diese filterten und analysierten die Forscher auf ihre Konzentration an Mikroplastik. Ihre Erwartungen waren dabei von vornherein relativ klar:
"Unsere Vermutung war, dass der verstärkte Gebrauch von Plastik sich auch im Wasser spiegelt. Denn wenn wir auf die Plastikproduktion schauen, dann ist die dreimal so hoch wie vor 30 Jahren."
Tatsächlich aber fanden die Wissenschaftler weder in den Wasserproben noch in den Verdauungsorganen der Fische eine Zunahme des Mikroplastiks seit 1987. Die Belastung blieb relativ konstant und auf einem Niveau, das mit vorherigen Studien vergleichbar ist. In etwa jedem fünften Fisch fanden Gissel Nielsen und seine Kollegen kleine Plastikteilchen. Die Frage ist: Wo bleibt all das Plastik, das Jahr für Jahr ins Meer gelangt?
"Es gab ja gerade erst diesen Bericht, dass Plastik in einem elf Kilometer tiefen Meeresgraben gefunden wurde. Vielleicht sinkt ein großer Teil des Plastiks also zum Meeresboden ab. Eine andere Möglichkeit wäre: Der Wasseraustausch ist in der Ostsee sehr hoch, so dass das Mikroplastik auch weggespült worden sein könnte. Dann müsste es aber im Kattegat oder in der Nordsee sein. Und letztendlich ist es auch möglich, dass das Plastik von Organismen abgebaut wurde. Meine Kinder lernen in der Schule, dass Plastik jahrhundertelang besteht, aber eigentlich wissen wir das gar nicht. Wir wissen nur sehr wenig über den Abbau von Plastik. Vielleicht geht das schneller, als wir dachten."
Verstehen, wo das Plastik landet
Eine zweite Überraschung für die Forscher war die Art des gefundenen Plastiks: Es handelte sich zu 93 Prozent um Kunststoff-Fasern, die vermutlich aus Fleecejacken und ähnlichen Kleidungsstücken stammen.
"Es sieht sehr stark nach Textilfasern aus. Vermutlich gelangen sie aus der Waschmaschine oder über die Luft ins Meer. Immerhin leben ja 100 Millionen Menschen um die Ostsee herum, und ein großer Teil unserer Kleidung ist nun mal aus Plastik gemacht."
Um besser zu verstehen, wo dieses Plastik im Meer abbleibt, will Torkel Gissel Nielsen weitere Untersuchungen durchführen: Wie schnell baut sich Plastik ab und inwieweit reichert es sich im Meeresboden an? Obwohl hier immer wieder Schätzungen kursieren, stehe die Forschung bei diesen Fragen noch ganz am Anfang, meint der Meeresbiologe.