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Müll im Tank

Umwelt. – Auch in den USA soll künftig ein bestimmter Prozentsatz des Sprits aus regenerativen Quellen fließen. Allerdings produziert diese Anordnung auch dort negative Folgen für Umwelt und Lebensmittelpreise. Ein Ausweg könnten die Kraftstoffe der zweiten Generation sein.

Von Arndt Reuning | 27.03.2008
    Der Mikrobiologe Steve Hutcheson von der Universität von Maryland in College Park beschäftigt sich professionell mit einem der ältesten Biotechnologie-Verfahren der Menschheitsgeschichte: mit der alkoholischen Gärung. In einem Glasgefäß schwenkt er eine trübe Flüssigkeit.

    "Wir haben hier einen Erlenmeyer-Kolben, ein ganz normales Laborglas. Die leichte Trübung kommt daher, dass da noch Reste von Hefe drin sind. Im Grunde genommen brauen wir hier Bier. Keines, das ich trinken würde. Hier oben auf dem Kolben ist noch ein Gärröhrchen. Das hält den Sauerstoff fern, damit wir die Ethanolproduktion maximieren können."

    Ethanol, also einfacher Alkohol, kann dann aus dem Gemisch abgetrennt werden und mit Benzin vermischt an amerikanischen Tankstellen verkauft. So wie das heute schon passiert. Allerdings werden die Hefekulturen, die den Alkohol produzieren, normalerweise mit Stärke gefüttert, zum Beispiel mit Stärke aus Mais. Steve Hutcheson aber greift auf andere Quellen zurück.

    "Das sind Materialien, die normalerweise als Abfall behandelt werden. Zum Beispiel in der Landwirtschaft. Wenn man Weizen oder auch Mais anbaut, dann bleiben immer Pflanzenreste übrig. Stroh. Das ist die eine Art von Material. Zur anderen Art gehört Papier und Pappe - Stoffe, die normalerweise auf der Müllkippe landen. Obwohl sie recycelt werden könnten."

    Diese Materialien haben alle eines gemeinsam: Sie bestehen zum Hauptteil aus Zellulose. Eigentlich unterscheidet sich Zellulose im chemischen Aufbau kaum von Stärke. Beides sind Zuckermoleküle. Aber normalerweise können Hefebakterien nur Stärke vergären. Zellulose ist unverdaulich, ein Ballaststoff. Deshalb hat sich der Biologe aus Maryland Unterstützung geholt bei einem anderen Bakterium, welches die Zellulose zerlegen kann – so dass Zuckerwasser entsteht, welches die Hefe dann zu Alkohol umwandelt. Hutcheson:

    "Der Organismus, mit dem wir arbeiten, war ein Zufallsfund hier in der Chesapeake Bucht in Maryland. Es hat dort das Gras in den Marschen angegriffen und zersetzt. In meinem Labor haben wir untersucht, wie dieses Bakterium sich ernähren kann. Dabei haben wir festgestellt, dass es alle Enzyme besitzt, die nötig sind, um diese Biomasse abzubauen. Und dass es sich recht preiswert züchten ließ."

    Die Enzyme sind sozusagen die Verdauungssäfte des Bakteriums, mit deren Hilfe es die Zellulose in kleine Zuckereinheiten aufspaltet. Den Enzymcocktail versuchen Steven Hutcheson und seine Mitarbeiter in großen Mengen zu isolieren. Im Labor läuft zurzeit schon ein Versuch in einem Zehn-Liter-Gefäß, in dem die Bakterien gezüchtet werden. Geplant ist eine kleine Fabrik für die Enzyme und für Bioethanol. Hutcheson:

    "”Das wird erst einmal eine kleine Anlage sein, wo nur ungefähr 10.000 Liter Ethanol pro Jahr entstehen. Aber sie wird zu den ersten Fabriken im Lande zählen, die Ethanol aus Zellulose herstellen. Das ist für uns schon ziemlich aufregend.""

    Allerdings entsteht zurzeit auch noch eine ganze Reihe von anderen Unternehmen, die ebenfalls aus zellulosehaltigen Abfallstoffen Biotreibstoffe herstellen wollen. Manche auch Ethanol, andere setzen auf ein Verfahren, bei dem die Biomasse erhitzt wird, so dass sie sich in ein energiehaltiges Gasgemisch verwandelt, welches dann wieder zu einem synthetischen Kraftstoff umgewandelt werden kann, der dem heutigen Benzin ähnelt. Welches Verfahren sich durchsetzt, wird wohl der Preis entscheiden. Aber erst dann, wenn die staatliche Förderung für Biotreibstoffe aus Ethanol irgendwann wieder entfällt.