Neapel, centro storico: Die Gassen des historischen Zentrums sind alles andere als sauber: Zigarettenkippen, Kaugummipapier, Pizzareste liegen auf dem Straßenpflaster. Deutlich reduziert haben sich jedoch die Stapel aufgerissener Müllsäcke, die bis vor Kurzem noch jede Piazza dekorierten. Weniger geworden sind auch die überquellenden Müllcontainer, deren fauliger Geruch den Touristen den Atem verschlug.
Luigi De Magistris hat in den vergangenen zwei Jahren mehr als 100 dieser Container durch in den Boden eingelassene Abfallbehälter und Sperrmüll-Sammelstellen ersetzt. Der Hausmüll wird in Neapel heute vor die Tür gestellt und abgeholt. Montags Papier, dienstags Glas, mittwochs organische Abfälle, donnerstags Restmüll. "Raccolta differenziata", Mülltrennung ist nach den Müllkrisen 2007 und 2008 zum politischen Schlagwort geworden. Die Recyclingquote konnte dadurch mehr als verdoppelt werden, erklärt Luigi De Magistris. Er will diese weiter steigern, sodass die berüchtigten Container bald komplett überflüssig werden:
"Wir bitten alle, sich an die neuen Regeln zu halten. Die Bürger, aber auch die Touristen. Neapels historisches Zentrum ohne Müllcontainer – das bedeutet nicht nur eine bessere Stadthygiene, sondern auch ein schöneres Aussehen."
Neapel setzt inzwischen auf Mülltrennung
Der Müll ist in Neapel Chefsache! Als ehemaliger Anti-Korruptions-Staatsanwalt hat De Magistris – seit 2011 Bürgermeister seiner Heimatstadt - gewusst, worauf es im Kampf gegen den Müll ankommt: Die korrupten Verstrickungen zwischen Kommunalpolitikern und mafiösen Unternehmern mussten aufgelöst werden. Das Müllgeschäft war lange in der Hand der Camorra, zahlreiche Prozesse haben das ans Licht gebracht. De Magistris hat die entscheidenden Posten bei der städtischen Müllabfuhr ASIA neu besetzt. Raffaele Del Giudice, inzwischen stellvertretender Bürgermeister, hat als Chef der ASIA gründlich aufgeräumt:
"Zunächst mussten wir den Müll von den Straßen schaffen, dann die Finanzen ordnen. Heute schreibt ASIA keine roten Zahlen mehr und verfügt über dreizehn große Mülltransporter, als wir übernahmen gab es gerade einmal drei."
Fortschritte bei der Müllentsorgung lassen sich auch im Hinterland von Neapel beobachten. Das Restaurant Era ora in Palma Campania zwischen Neapel und dem Vesuv. Der Besitzer ist auch der Koch: Pietro Parisi hat eine viel versprechende Karriere in den Sterneküchen der Welt abgebrochen, um etwas für seine Heimat zu tun. Gesundes Essen, wenig Abfall ist seine Devise. Er kauft direkt bei den Bauern, vermeidet Verpackungen und achtet darauf, dass seine Mitarbeitenden auch gewissenhaft den Müll trennen:
"Wir haben die Hoffnung, dass immer mehr Leute unserem Beispiel folgen und wollen diejenigen, die nach uns kommen, ermutigen, damit weiterzumachen."
Ein Teil des Mülls wird in Österreich und Deutschland verbrannt
Kleine Schritte, lobenswerte Schritte, die das über Jahrzehnte entstandene Müllproblem der Region verringern, aber nicht aus der Welt schaffen. Denn Neapel hat zu wenige Müllkippen und die Bevölkerung wehrt sich standhaft gegen den Bau von neuen. Von Müllverbrennungsanlagen ganz zu schweigen. Zu groß ist die Angst um die Gesundheit in einer Region, in der Giftmüll jahrelang illegal im Boden verscharrt wurde. Laut einer Studie der Universität Neapel bräuchte man mehr als sechs Anlagen mit einem Verbrennungsvolumen von jeweils 800.000 Tonnen, um Neapels jährlichen Müll zu vernichten. Da es sie nicht gibt, wird der Abfall auf Güterzüge verladen und in Österreich und Deutschland verbrannt. Das kostet. Doch die Zukunft gehöre dem Recycling und nicht der Verbrennung von Müll, davon sind die Verantwortlichen auch in Neapel überzeugt und so unterstützen sie die Recyclingbranche. Die Firma Ecotec hat sich auf das Sammeln und Auswerten von Elektronikmüll spezialisiert, wie ihr Geschäftsführer erklärt:
"In ausrangierten Elektrogeräten befinden sich wertvolle Metalle. Wir bauen alles auseinander, Computer, Handys, um beispielsweise an das Kupfer zu kommen."
Neapel als Recycling-Hochburg? Nein. Noch ist der Müll mehr eine Belastung als eine Ressource. Aber im Vergleich zur Situation vor zehn Jahren hat sich tatsächlich etwas getan in der Hauptstadt Kampaniens.