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Münchens CO2-Fußabdruck
Forschungsteam misst regionalen Ausstoß von Treibhausgasen

Erst kürzlich hat die EU ihr Klimaziel verschärft. Doch wer kontrolliert eigentlich, wie viele Emissionen die Mitgliedsstaaten verursachen? Bislang beruhen die Daten auf Schätzungen und Hochrechnungen. Ein Team aus München testet eine Methode, mit der der tatsächliche Ausstoß gemessen werden kann.

Von Veronika Fritz |
Ein vollbesetztes Bierzelt beim Oktoberfest
Ein Forschungsteam aus München hat das Oktoberfest als Emissionsquelle für das Treibhausgas Methan ausgemacht (picture alliance / Sven Simon)
Auf dem Dach der Technischen Universität München, hoch über der Stadt steht ein weißer Kasten, der mehr Klarheit bringen soll. Jeden Morgen, wenn die Sonne über dem Horizont erscheint, öffnet sich eine Luke und das Messgerät beginnt, die Luftsäule in Richtung Sonne zu beobachten. Mit zwei goldenen Spiegeln wird das Sonnenlicht in das Innere des Kastens gelenkt.
"Die Spiegel verfolgen die Sonne im Laufe des Tages, und deswegen habe ich gesagt, das ist wie eine Sonnenblume. Und das Spektrometer misst das Sonnenfarbspektrum", sagt Jia Chen, Professorin für Umweltsensorik und Modellierung an der TU München. Während das Licht von der Sonne zum Messgerät läuft, muss es die Gase in der Atmosphäre durchqueren – und diese hinterlassen Spuren im Sonnenfarbspektrum. Mithilfe einer Software können die Forschenden dann die Konzentrationen der einzelnen Treibhausgase ablesen.

Kein nachhaltiger Lockdown-Effekt

Während des ersten Corona-Lockdowns im vergangenen Frühjahr ist der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß in der Stadt München zwar zurückgegangen. Einmal ausgestoßen, bleibt das CO2 allerdings lange in der Atmosphäre. Und so ist der Corona-Effekt auf die Konzentrationen in der Luft kaum zu sehen, sagt der Elektroingenieur Florian Dietrich, der an der Auswertung der Daten beteiligt ist.
"Während dem Corona-Jahr hat sich eigentlich in dem linear ansteigenden Trend nichts geändert. Auch wenn wir vielleicht leicht reduzierte Emissionen hatten, hat sich in der Gesamtatmosphäre weiterhin CO2 angereichert, und dieser linear ansteigende Trend konnte nicht unterbrochen werden."
Das Forschungsprojekt an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik möchte nicht nur die Konzentrationen der Gase CO2, Methan und Kohlenstoffmonoxid bestimmen. Vor allem geht es dem Team darum herauszufinden, wie viel die Stadt München zu den Treibhausgasemissionen beiträgt. Dazu haben sie sich eine Messstrategie überlegt: Florian Dietrich hat insgesamt fünf Sensoren aufgebaut, einen im Zentrum der Stadt und je einen weiteren in jeder Himmelsrichtung, außerhalb der Stadt. Vereinfacht gesagt messen die Wissenschaftler, wie viel CO2 sich vor der Stadt in der Luft befindet, und wie viel es – in Windrichtung gesehen - hinter der Stadt ist. Die Differenz muss auf dem Gebiet von München hinzugekommen sein. Um diese regionalen Emissionen präzise zu bestimmen, muss man aber die Windstärke und –richtung sehr genau kennen.

Das Oktoberfest als Quelle von Methan

"Der Wind ist das Zweitwichtigste oder vielleicht sogar der wichtigste Input-Parameter für unsere Modellierungen, weil wenn wir nicht wissen, woher die Partikel kommen und wohin die transportiert werden, können wir nichts zurückrechnen. Deswegen brauchen wir ein hochaufgelöstes und vor allem dreidimensionales Windfeld. Das kann natürlich nur modelliert werden, und dementsprechend müssen wir da schauen, dass wir derzeit besser werden", sagt Florian Dietrich.
Ziel der Forschungsgruppe ist es, eine hochaufgelöste Emissionskarte von München zu erstellen. Sie wollen die Stadt in Ein-Quadratkilometer große Zellen einteilen und für jede einzelne Zelle die durchschnittlichen Treibhausgasemissionen bestimmen. Mit ihrer aktuellen Methode konnte das Team um Jia Chen schon jetzt Auffälligkeiten beobachten.
"Einerseits haben wir das Münchner Oktoberfest als unbekannte Methanquelle entdeckt. Höchstwahrscheinlich sind die Gasgrills und Gaskocher die Verursacher. Andererseits haben wir das Münchner Kraftwerk Süd untersucht. Das Kraftwerk Süd ist das größte Kraftwerk in München und ist methanbetrieben. Üblicherweise werden solche Kraftwerke in den Emissionsinventaren als Methanquelle gekennzeichnet. Allerdings haben wir durch unsere Untersuchungen festgestellt, dass keine Methanemissionen durch unvollständige Verbrennungen oder Leckage dort zu finden sind."

Auf der Suche nach regionalen Treibhausgas-Hotspots

Das Forschungsteam will seine Ergebnisse der Stadt München zur Verfügung stellen. Diese berechnet seit einigen Jahren, wie viel Energie in der Stadt verbraucht wird und schließt damit auf die Treibhausgas-Emissionen.
Den deutschlandweiten CO2-Ausstoß berechnet das Umweltbundesamt - unter anderem auf Basis von Informationen über Industrie, Verkehr und Landwirtschaft. Seit 1994 ist Deutschland verpflichtet, regelmäßig die nationalen Treibhausgasemissionen an die Staatengemeinschaft zu melden. Eine Pflicht, diese Hochrechnungen mit Messungen zu untermauern, gibt es aber nicht. Dabei wären die Instrumente dafür inzwischen vorhanden. Neben Sensoren auf der Erde zählen dazu auch Satelliten mit Infrarotspektrometern.
"Wir arbeiten mit der NASA zusammen, und gemeinsam verbessern wir die Genauigkeit der Satellitenmessungen. Und wenn die Satelliten mit unseren Messungen kalibriert oder verbessert werden, können die Satelliten jede Stadt anschauen und dann die Emissionen bestimmen."
Durch immer genauere Erfassung der regionalen CO2– und Methanemissionen können weltweit Hotspots erkannt werden, also zum Beispiel besonders klimaschädliche Industrieanlagen. Die verantwortlichen Politiker bekommen so Hinweise darauf, wo sie am dringendsten gegensteuern sollten. Und die Weltgemeinschaft kann präziser als je zuvor verfolgen, wie erfolgreich die Strategien der einzelnen Staaten zur Reduktion der Treibhausgasemissionen tatsächlich sind.