Der Planet Melancholia ist immer präsent. Zumindest im ersten Teil beherrscht eine Art sphärisches Grundgrummeln den nackten, schwarzen Bühnenraum, in den hinein 12 Scheinwerfer wie einsame Planeten hineinhängen, während sich unter ihnen sechs Spieler ebenso einsam auf einer leicht erhöhten Spielebene wie Schachfiguren im Raum verteilen. Dass sie sich auf einer Spiegelfläche bewegen und damit in diesen Boden hinein verdoppeln, dass dies ihre Einsamkeit und das: auf sich selbst zurückgeworfen sein vielleicht noch einmal größer und greifbarer macht, dass jedoch kann man wohl nur aus dem Rang der Kammerspiele wirklich sehen.
Dem vorderen Parkett jedenfalls, das mit Blickkante zu dieser Spielfläche sitzt, erschließt sich dies gar nicht erst. Wie allerdings so vieles andere auch nicht in dieser Inszenierung von Felix Rothenhäusler, die von Beginn an aus ihrem Willen zur Kunstanstrengung keinen Hehl macht. Immerhin hat man sich mehr oder minder an die Storyline des Films von Lars von Trier gehalten und damit an die Geschichte von zwei Schwestern und ihrem sehr unterschiedlichen Umgang mit der in Gestalt des Planeten Melancholia heranrasenden Apokalypse. Während die eine, Claire, in ihrer vermeintlichen Normalität in ängstlicher Verdrängung verharrt, weitet sich die Depression von Justine zum tiefsichtigen Weltblick.
Hingabe an das unabänderliche Ende als ruhiges Ritual
Da ist das Hochzeitsfest von Justine im kostbar entrückten Ambiente einer Eremitage. Da sind ihre missratene Hochzeitsnacht und der Sex auf dem Golfplatz mit einem, der gerade da ist. Da sind die Männer, die nach und nach das Szenario verlassen: im eigenen Auto, per Mitfahrgelegenheit oder lieber gleich per Selbstmord. Und da ist schließlich die Hingabe an das unabänderliche Ende als ruhiges Ritual und Gemeinschaftserlebnis. Doch von all dem erfährt man in Felix Rothenhäuslers Münchner Melancholia-Version hauptsächlich aus Erzählungen. Kaum einmal, dass es direkte Dialoge gibt. Schon erzählt wieder eine der Personen die weitere Handlung aus der jeweiligen Ich-Perspektive. Zudem lässt der Regisseur in einem demonstrativen Frontaltheater zumeist direkt an der Rampe agieren, was wohl unmittelbaren Publikumskontakt suggerieren soll, die Spieler oft aber einfach nur ihres Potentials beraubt. Einzig Julia Riedler weiß wirklich aus dieser forcierten Unmittelbarkeit Funken zu schlagen, indem sie ihre Justine zwischen einem dunklen Grundrauschen und dem frechen Schalk einer krausen Nase changieren lässt.
Nicht wirklich bedauerliche Weltvernichtung
Wer Lars von Triers Melancholia einmal im Kino gesehen hat, weiß, wie Sätze wie diese einen noch lang begleitet haben, und weiß, wie die opulente Schönheit dieser im Grunde nicht wirklich bedauerlichen Weltvernichtung sich tief ins Gedächtnis eingegraben hat. Dass dies wohl eher nicht sein Anliegen ist, macht Felix Rothenhäusler mit seiner spröden und vielfach einfach nur langatmig dahingehenden Theateradaption mehr als deutlich. Ob sich all das, was der im Programmheft philosophisch schweratmige Erklärungstext mühsam in sein Theater hineininterpretieren will, wirklich im Theater von Rothenhäusler finden lässt, sei getrost dem mäandernden Theaterwissenschaftler überlassen. Zu sehen ist es jedenfalls nicht. Bleibt der Schluss, wo im Angesicht der Apokalypse die vormals Vereinzelten nun im Cluster zusammenhocken. Am Ende ist Gemeinschaft. Immerhin.