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Münchner Museum Brandhorst
"Painting 2.0" - Malerei im Informationszeitalter

Die Malerei ist nicht totzukriegen, sie reagiert auf alles, saugt alles auf, überlebt alles - Konzeptkunst, Video, Massenmedien, auch den Computer. Um dies zu belegen, bespielt Achim Hochdörfer, der neue Direktor, das Museum Brandhorst erstmals auf allen drei Etagen mit einer Großausstellung.

Von Christian Gampert |
    Die Installation "Heavy Burschi", ein Müllcontainer mit zerstörten Gemälden, (1989/1990) des Künstlers Martin Kippenberger ist am 12.11.2015 in der Ausstellung "Painting 2.0 - Malerei im Informationszeitalter" im Museum Brandhorst Kunstareal in München (Bayern) zu sehen.
    Die Installation "Heavy Burschi", ein Müllcontainer mit zerstörten Gemälden, (1989/1990) des Künstlers Martin Kippenberger am 12.11.2015 in der Ausstellung "Painting 2.0" in München (picture-alliance / dpa / Matthias Balk)
    Die Malerei ist nicht totzukriegen, sie reagiert auf alles, saugt alles auf, überlebt alles, Konzeptkunst, Video, Massenmedien, auch den Computer. Dies zu belegen, bespielt Achim Hochdörfer, der neue Direktor, das Museum Brandhorst erstmals auf allen drei Etagen mit einer Großausstellung.
    Soll man all diese schönen Dinge wirklich wegschmeißen? Am Eingang der Ausstellung steht ein Müllcontainer. Darin lagern ziemlich ramponierte, teilweise zerstörte Bildcollagen, die der Assistent von Martin Kippenberger 1990 gemalt hat - als Kopie von Kippenberger-Werken natürlich. Kippenberger fotografierte diese Bilderserie, reproduzierte sie in Originalgröße und zerhackte dann die Vorlagen - die Reste finden sich in der musealen Müllkippe, Titel: Heavy Burschi, schwerer Junge.
    Spannung zwischen Original und Fälschung
    Es scheint etwas weit hergeholt, mit dieser - scheinbar - selbstzerstörerischen wilden Geste eine Schau zur "Malerei im Informationszeitalter" zu beginnen. Allerdings zeigt die Kippenberger-Installation sehr schön die Spannung zwischen Original und Fälschung, das Verhältnis von Kopie zu erneuter Kopie, von Zitat und Selbstzitat und Löschtaste - alles Dinge, die in der intertextuellen digitalen Ära dann selbstverständlich wurden.
    Aber: Die Malerei ist nicht totzukriegen, sie reagiert auf alles, saugt alles auf, überlebt alles, Konzeptkunst, Video, Massenmedien, auch den Computer. Dies zu belegen, bespielt Achim Hochdörfer, der neue Direktor, das Museum Brandhorst erstmals auf allen drei Etagen mit einer Großausstellung. Und auch wenn im Detail manches angreifbar ist: So überzeugend, mit einer so ungewöhnlichen Auswahl an oft auch unterschätzten Künstlern ist in den letzten Jahren nie FÜR die Malerei argumentiert worden, für ihr Beharrungsvermögen und die ungeheure Konzentration, die von ihr ausgehen kann.
    Malen als schmutziger Akt
    Malen, das ist immer noch ein sinnlicher und bisweilen auch schmutziger Akt. Yves Klein mantschte blaue Farbe auf die Körper seiner Models - und ließ die sich dann auf Papierbahnen wälzen. So entstand - aus der Performance - Malerei. Das war Ende der 1950iger Jahre, das passiv machende Fernsehen begann seinen Siegeszug durch alle Haushalte, und die Kunst reagierte einerseits mit Abstraktion (die fällt in München weitgehend unter den Tisch), andererseits, wie hier bei Klein, mit vermehrter Expressivität. Und die wird in München gefeiert.
    Das "Informationszeitalter" beginnt für Hochdörfer also kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, das World Wide Web, in dem sich heute Künstler vermarkten, ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, der die Malerei sich stellen muss. Die Reaktion kann, wie bei Jana Euler, im sarkastischen großformatigen Abmalen einer Steckdose bestehen (Titel: "wo der Strom herkommt"); das kann aber auch zu Werken führen, die wie am Computer entworfene, verrätselte wissenschaftliche Schaubilder wirken - wie bei Albert Oehlen, der schon 1996 seltsame Spuren, Grafiken, Zeichen über die Leinwand legt.
    Manipulierte Bilderwelt
    Die Malerei muss also immer wieder der (von dem Situationisten Guy Debord sogenannten) Kultur des "Spektakels" zu entkommen versuchen; gleichzeitig ist sie natürlich Teil des gesellschaftlichen Entertainments und profitiert von ihm. Schon in den 1950iger Jahren riss die französische Gruppe der Affichisten Plakate von den Zäunen und machte daraus Bilder. Niki de Saint Phalle schoss mit Farbe auf Gipskörper - das Gewehr als Pinsel. Maria Lassnig malte "harte" und "weiche" Körper, hardware und software.
    Die Wiedergewinnung des Körperlichen, das Behaupten der eigenen Individualität inmitten einer von Werbung, Medien, technischen Apparaten manipulierten Bilderwelt: das ist das geheime Thema der Ausstellung - bis hin zum kämpferischen New Yorker Künstlerkollektiv "AIR" (Artists in Residence) in den 1970iger Jahren, das sich in seinen Bildern als feministisches Netzwerk inszeniert.
    Auf der Suche nach einer neuen Unmittelbarkeit integrierten Künstler Kleiderstoffe, Geldscheine, Fotos in die Bilder. Andere benutzten Matratzen oder Geschirr als Bildträger. Die Amerikanerin Ree Morton sandte weiträumige "Signs of Love" ans Publikum. Andere malen Blogs ab und verleihen dem banalen Medium eine unangemessene Aura. Am Schluss zerfranst die Schau in viele verschiedene Stile. Aber gerade im Entdecken unbekannter Meister ist die Ausstellung stark: Malerei als Lebenszeichen - in einer durchrationalisierten Welt.