Kreislaufwirtschaft in Europa – dazu bedarf es zunächst einmal einer Bestandsaufnahme. Denn die einzelnen Länder liegen im Hinblick auf ihre Recycling-Raten weit auseinander. Eines der Schlusslichter ist Malta mit einer Quote von nur sechs Prozent. Auch Frankreich und England hinken – Fachleuten zufolge – noch weit hinterher. Das erklärt auch, warum die EU-Mittel, die bisher für die Finanzierung von Kreislaufwirtschaftsprojekten zur Verfügung standen, nur zu zehn Prozent von den Mitgliedsstaaten abgerufen werden. Das Kreislaufwirtschaftspaket II will die Recyclingquoten in Europa deutlich erhöhen. Peter Kurth vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser-, und Rohstoffwirtschaft- BDE.
"Konkret soll beispielsweise das Deponieren von Müll reduziert werden. Da ist man noch nicht so einig, ob das nun auf fünf Prozent der Müllmenge, oder maximal zehn Prozent der Siedlungsabfälle sein soll. Man will eine einheitliche Ermittlung, wie man eigentlich zu den Quoten kommt, das heißt an welcher Stelle im Kreislauf man eigentlich misst. Am Ende steht, das was die Kommission als Chance erkannt hat, die Möglichkeit eben, in der Umweltwirtschaft bis zu 200.000 neue Jobs zu schaffen, einen großen Schritt in Richtung CO2-Minderung etc. Das ist die Zielsetzung."
Diskussionsbedarf der EU-Mitgliedsstaaten
Strittig ist noch, was als Recycling gilt. In Deutschland spricht man schon von Recycling, wenn der Müll in eine Sortieranlage gebracht wird. Unabhängig davon, ob er hinterher verbrannt wird. Das EU-Parlament will dagegen nur als Recycling gelten lassen, was in eine anerkannte europäische Aufbereitungsanlage gebracht wird. Auf der anderen Seite stellt Deutschland weitergehende Anforderungen als andere Mitgliedsländer, sagt Peter Kurth.
"Aus deutscher Sicht, da nehme ich jetzt mal die Politik wie die Verbände: Wir brauchen unbedingt eine möglichst weitgehende Reduzierung des Deponierens von Müll. Weil Deponieren von Müll heißt: Die Wertstoffe gehen verloren. Stattdessen entstehen CO2-Emissionen in erheblichem Ausmaß. Da würden wir als Verbände auch weitergehen als die Regierung. Wir stellen uns – nicht heute – aber etwa im Jahr 2030 ein komplettes Deponieverbot vor."
Abfallwirtschaft und Energiewende
Den Verlust von Ressourcen könne man sich auch angesichts der Energiewende nicht mehr leisten, erläutert Professor Martin Faulstich vom Lehrstuhl für Umwelt- und Energietechnik der Technischen Universität Clausthal.
"Heute haben wir in Deutschland einige Hundert Großkraftwerke, die die Stromversorgung hier besorgen. Zukünftig werden wir unter Umständen zehn Millionen Anlagen haben – also Windkraftanlagen, Biogasanlagen, Photovoltaikanlagen usw., und wir brauchen die ganzen Netze, die ganzen Speicher. Das sind alles hochtechnologische Anlagen, die sehr viele Ressourcen nutzen."
Deshalb müsse recycelt werden, um Sekundärrohstoffe zu erhalten. Denn ohne sie sei eine Energiewende nicht möglich. Der Grund: Der Verbrauch an Primärrohstoffen steigt parallel zum Wirtschaftswachstum unvermindert an. Trotzdem rechnen Wissenschaftler vor, dass sich die Recyclingraten nicht unendlich steigern lassen. Professor Rainer Bunge von der Technischen Hochschule im schweizerischen Rapperswil.
"Je mehr ich an 100 Prozent Recycling-Quote rankomme, desto mehr muss ich ökologischen Aufwand treiben, um diese Recycling-Quote auch zu erfüllen. Und dann gibt es irgendwann die perverse Situation, dass der ökologische Aufwand, um das letzte Atom noch zu recyceln, dass der größer wird als der ökologische Aufwand, den ich in Kauf nehmen müsste, wenn ich einen Primärrohstoff verwende."
Ökonomische Prioritäten in der Kreislaufwirtschaft
Deshalb werden in der Schweiz vor allem Aluminium, Weißblech und wertvolle Stoffe aus Elektrogeräten recycelt, weil deren Herstellung besonders hohe Umweltkosten verursacht. Weniger Wert wird auf das Sammeln und Recyceln von Alu-Kaffeekapseln gelegt. Auch Martin Faulstich ist dafür, in der Kreislaufwirtschaft ökonomische Prioritäten zu setzen.
"Das tun wir vielfach viel zu selten. Ich sage manchmal, wir müssen so eine Art Hitparade aufstellen und sagen, wo ist denn die eingesetzte finanzielle Ressource am besten ökologisch verzinst. Und da kann man viele Beispiele finden, wo das nicht der Fall ist. Knappes Geld ist auch eine wichtige Ressource."