Christoph Heinemann: Über die Lage in Ägypten sprach meine Kollegin Anne Raith am Abend mit dem SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich und fragte ihn, was ihm durch den Kopf gehe, wenn er sich die Bilder im Fernsehen anschaue und an die Haltung des Westens gegenüber Ägypten in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten denke.
Rolf Mützenich: ... , dass wir mit Sicherheit auch Fehler gemacht haben in den Beziehungen zu Ägypten, dass möglicherweise auch nicht genug darauf gedrängt worden ist, dass Freiheitsrechte eingeräumt werden. Auf der anderen Seite war es auch kein einfaches Unterfangen gewesen. Wir haben natürlich einen schwerwiegenden Konflikt zwischen Israel und Palästina, wo Ägypten eine wichtige Rolle spielt. Ägypten ist auch immer wieder gesucht worden von der palästinensischen Bewegung, zwischen Fatah und Hamas zu verhandeln. Das sind alles Dinge, die wir natürlich auch zur Kenntnis nehmen müssen. Klar: Fehler sind einzuräumen. Auf der anderen Seite, finde ich, müssen wir jetzt aus den Fehlern lernen, und nach meinem Dafürhalten hat die ägyptische Regierung rote Linien überschritten, als sie Gewalt instrumentalisiert und auch genutzt hat.
Anne Raith: Daraufhin haben ja jetzt fünf Länder der EU einen Übergang gefordert, und zwar jetzt. Was heißt dieses "jetzt" Ihrer Ansicht nach?
Mützenich: Na ja, auf jeden Fall, dass die Demonstranten unterstützt werden müssen. Ich finde, da brauchen sie auch ein öffentliches Signal. Aber mir gehen diese Appelle nicht weit genug. Ich finde, diese Appelle müssen letztlich auch mit Konsequenzen verbunden werden, und diese Konsequenzen müssen auch öffentlich aufgezeigt werden, ...
Raith: ... , die da sein könnten?
Mützenich: ... , die nach meinem Dafürhalten zum Beispiel in der Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union ihren Niederschlag finden müssen. Ich finde auch, dass die einzelnen Regierungen durchaus berechtigt wären, die Botschafter zum Beispiel einzubestellen. Ich finde, dass die Union für das Mittelmeer endlich handeln muss und versuchen muss, auch diese Nachbarschaftspolitik mit Leben zu erfüllen, insbesondere aber auch die demokratischen Bewegungen zu unterstützen und Sprechverbote letztlich auch aufzuheben.
Raith: Aber wie konkret könnte das aussehen?
Mützenich: Ich glaube schon, dass konkrete Verabredungen auch beim EU-Gipfel gefunden werden können. Ich finde, dass zum Beispiel eben mit der Demokratiebewegung auch öffentlich gesprochen werden soll, da gibt es überhaupt gar keine Sprechverbote, zum Beispiel mit El Baradei, aber auch mit anderen, und ich glaube, wir müssen insbesondere auch unser Verhältnis zum politischen Islam überdenken. Und genau das, was die Fehler in der Vergangenheit gewesen sind, zum Beispiel relativ freie und faire Wahlen in Palästina, nicht anzuerkennen, weil uns das Ergebnis nicht gepasst hat, das muss revidiert werden, diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen.
Raith: Wie viel Zeit kann sich die EU denn noch lassen, bis sich dieses kleine Fenster schließt?
Mützenich: Eigentlich fast keine. Deswegen habe ich ja auch appelliert, dass wir diese Diskussion über Konsequenzen auch öffentlich diskutieren, weil nur die Öffentlichkeit wahrscheinlich auch die Demonstranten wieder erreicht, diese schmalen Fenster, die überhaupt vorhanden sind. Sie müssen eben den Eindruck haben, die Demonstranten, dass es in den europäischen Ländern Sympathien für ihre Forderungen gibt, und wir dürfen das nicht enttäuschen, weder in dem Augenblick, noch wenn in Zukunft möglicherweise es demokratischere Systeme gibt, auch sie zu unterstützen bei einem wirtschaftlichen und sozialen Wandel.
Raith: In den vergangenen Tagen war der Tenor vieler Gespräche ja, wenn Mubarak erst einmal zurückgetreten ist, dann ... Aber jetzt nach dem Eindruck der bürgerkriegsähnlichen Bilder fragt man sich, was soll dann kommen.
Mützenich: Ich glaube, es ist auf jeden Fall erst mal wichtig, Mubarak klar zu machen, dass seine Zeit abgelaufen ist, dass es vielleicht noch einen kurzfristigen Übergang gibt, aber dass es überhaupt nicht zu tolerieren ist, dass er bewusst Gewalt einsetzt, möglicherweise sie sozusagen auch instrumentalisiert. Aber ich glaube auf der anderen Seite, dass Gesellschaften auch in der Lage sind, einen solchen Übergang auch durchaus friedlich dann zum Schluss, wenn andere nicht mehr im Wege stehen, zu gestalten, und es gibt auch Institutionen nach meinem Dafürhalten in Ägypten, die eine solche Situation, zum Beispiel wie die Streitkräfte, auch abfedern könnten.
Raith: Und wie könnte der Westen allgemein gesprochen, oder die EU diesen Prozess glaubwürdig begleiten?
Mützenich: Also ich glaube auf jeden Fall, dass es nicht bei Appellen bleiben darf, sondern wir müssen eben die Konsequenzen aufzeigen, wenn es nicht möglich ist, zu diesem Wandel letztlich auch zu kommen, wenn nicht nur die Frage der Demonstrationsfreiheit nicht gewährleistet ist, dass zum Beispiel Journalisten verfolgt werden, also auch freie Meinungsäußerung. Ich finde, da dürfen nicht einfache Appelle ausreichen, sondern da müssen eben auch konkrete Hinweise bis zu den Möglichkeiten, auch Sanktionen letztlich gegenüber den Verantwortlichen zu fordern.
Heinemann: Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich im Gespräch mit meiner Kollegin Anne Raith.
Lage in Ägypten bleibt angespannt
Rolf Mützenich: ... , dass wir mit Sicherheit auch Fehler gemacht haben in den Beziehungen zu Ägypten, dass möglicherweise auch nicht genug darauf gedrängt worden ist, dass Freiheitsrechte eingeräumt werden. Auf der anderen Seite war es auch kein einfaches Unterfangen gewesen. Wir haben natürlich einen schwerwiegenden Konflikt zwischen Israel und Palästina, wo Ägypten eine wichtige Rolle spielt. Ägypten ist auch immer wieder gesucht worden von der palästinensischen Bewegung, zwischen Fatah und Hamas zu verhandeln. Das sind alles Dinge, die wir natürlich auch zur Kenntnis nehmen müssen. Klar: Fehler sind einzuräumen. Auf der anderen Seite, finde ich, müssen wir jetzt aus den Fehlern lernen, und nach meinem Dafürhalten hat die ägyptische Regierung rote Linien überschritten, als sie Gewalt instrumentalisiert und auch genutzt hat.
Anne Raith: Daraufhin haben ja jetzt fünf Länder der EU einen Übergang gefordert, und zwar jetzt. Was heißt dieses "jetzt" Ihrer Ansicht nach?
Mützenich: Na ja, auf jeden Fall, dass die Demonstranten unterstützt werden müssen. Ich finde, da brauchen sie auch ein öffentliches Signal. Aber mir gehen diese Appelle nicht weit genug. Ich finde, diese Appelle müssen letztlich auch mit Konsequenzen verbunden werden, und diese Konsequenzen müssen auch öffentlich aufgezeigt werden, ...
Raith: ... , die da sein könnten?
Mützenich: ... , die nach meinem Dafürhalten zum Beispiel in der Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union ihren Niederschlag finden müssen. Ich finde auch, dass die einzelnen Regierungen durchaus berechtigt wären, die Botschafter zum Beispiel einzubestellen. Ich finde, dass die Union für das Mittelmeer endlich handeln muss und versuchen muss, auch diese Nachbarschaftspolitik mit Leben zu erfüllen, insbesondere aber auch die demokratischen Bewegungen zu unterstützen und Sprechverbote letztlich auch aufzuheben.
Raith: Aber wie konkret könnte das aussehen?
Mützenich: Ich glaube schon, dass konkrete Verabredungen auch beim EU-Gipfel gefunden werden können. Ich finde, dass zum Beispiel eben mit der Demokratiebewegung auch öffentlich gesprochen werden soll, da gibt es überhaupt gar keine Sprechverbote, zum Beispiel mit El Baradei, aber auch mit anderen, und ich glaube, wir müssen insbesondere auch unser Verhältnis zum politischen Islam überdenken. Und genau das, was die Fehler in der Vergangenheit gewesen sind, zum Beispiel relativ freie und faire Wahlen in Palästina, nicht anzuerkennen, weil uns das Ergebnis nicht gepasst hat, das muss revidiert werden, diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen.
Raith: Wie viel Zeit kann sich die EU denn noch lassen, bis sich dieses kleine Fenster schließt?
Mützenich: Eigentlich fast keine. Deswegen habe ich ja auch appelliert, dass wir diese Diskussion über Konsequenzen auch öffentlich diskutieren, weil nur die Öffentlichkeit wahrscheinlich auch die Demonstranten wieder erreicht, diese schmalen Fenster, die überhaupt vorhanden sind. Sie müssen eben den Eindruck haben, die Demonstranten, dass es in den europäischen Ländern Sympathien für ihre Forderungen gibt, und wir dürfen das nicht enttäuschen, weder in dem Augenblick, noch wenn in Zukunft möglicherweise es demokratischere Systeme gibt, auch sie zu unterstützen bei einem wirtschaftlichen und sozialen Wandel.
Raith: In den vergangenen Tagen war der Tenor vieler Gespräche ja, wenn Mubarak erst einmal zurückgetreten ist, dann ... Aber jetzt nach dem Eindruck der bürgerkriegsähnlichen Bilder fragt man sich, was soll dann kommen.
Mützenich: Ich glaube, es ist auf jeden Fall erst mal wichtig, Mubarak klar zu machen, dass seine Zeit abgelaufen ist, dass es vielleicht noch einen kurzfristigen Übergang gibt, aber dass es überhaupt nicht zu tolerieren ist, dass er bewusst Gewalt einsetzt, möglicherweise sie sozusagen auch instrumentalisiert. Aber ich glaube auf der anderen Seite, dass Gesellschaften auch in der Lage sind, einen solchen Übergang auch durchaus friedlich dann zum Schluss, wenn andere nicht mehr im Wege stehen, zu gestalten, und es gibt auch Institutionen nach meinem Dafürhalten in Ägypten, die eine solche Situation, zum Beispiel wie die Streitkräfte, auch abfedern könnten.
Raith: Und wie könnte der Westen allgemein gesprochen, oder die EU diesen Prozess glaubwürdig begleiten?
Mützenich: Also ich glaube auf jeden Fall, dass es nicht bei Appellen bleiben darf, sondern wir müssen eben die Konsequenzen aufzeigen, wenn es nicht möglich ist, zu diesem Wandel letztlich auch zu kommen, wenn nicht nur die Frage der Demonstrationsfreiheit nicht gewährleistet ist, dass zum Beispiel Journalisten verfolgt werden, also auch freie Meinungsäußerung. Ich finde, da dürfen nicht einfache Appelle ausreichen, sondern da müssen eben auch konkrete Hinweise bis zu den Möglichkeiten, auch Sanktionen letztlich gegenüber den Verantwortlichen zu fordern.
Heinemann: Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich im Gespräch mit meiner Kollegin Anne Raith.
Lage in Ägypten bleibt angespannt