Jasper Barenberg: Der Tagungsort am Rande von Tunis war natürlich kein Zufall, schließlich hatte die arabische Protestbewegung in Tunesien begonnen und auch der Begriff Kontaktgruppe soll auf das erfolgreiche Vorbild Libyen verweisen. Viele Regimegegner in Syrien aber sind unzufrieden mit dem ersten Treffen der Freunde Syriens gestern in Tunis. Anhänger von Präsident Assad ohnehin, wie Ulrich Leitholt berichtet.
Im Studio hier im Deutschlandfunk begrüße ich den außenpolitischen Sprecher der Sozialdemokraten im Bundestag, schönen guten Morgen, Rolf Mützenich!
Rolf Mützenich: Morgen, Herr Barenberg!
Barenberg: Herr Mützenich, die Kontaktgruppe hat eine Erklärung verabschiedet, hat einen Appell gerichtet an den Machthaber in Damaskus. Wie viel weniger wiegt das eigentlich, als eine Resolution im UN-Sicherheitsrat gewogen hätte?
Mützenich: Na, schon sehr deutlich. Insbesondere, glaube ich, wäre eine Resolution im Sicherheitsrat, die ja am Veto Chinas und insbesondere Russlands gescheitert ist, ein deutliches Zeichen gegenüber dem Regime in Damaskus gewesen, dass sie sozusagen alle letzten Verbündeten verloren haben. Und deswegen ist natürlich die Kontaktgruppe sozusagen nur ein kleiner Ausweg aus diesem Dilemma, aber auch der Tragödie in Syrien.
Barenberg: Es gibt keine Forderung nach einem zeitlichen Rahmen, es gibt kein Ultimatum in dieser Abschlusserklärung. Ein Fehler?
Mützenich: Nein, ich glaube nicht. Weil, man muss ja auch einen Konsens in einer solchen Gruppe finden, die ja aus vielen Regierungen, aus vielen Ländern, aus vielen Interessen besteht. Und deswegen sind das natürlich immer auch der Versuch, Kompromisse letztlich zu bilden. Wenn es stimmt, dass Saudi-Arabien die Konferenz verlassen hat, weil es eben für Waffenlieferungen eingetreten ist, dann ist das die eine Sache. Auf der anderen Seite glaube ich schon, dass insbesondere die Arabische Liga eine große Verantwortung hat und wir insbesondere auch versuchen müssen, die Türkei als Partner zu finden, der auf Syrien nach meinem Dafürhalten immer noch die besten Einwirkungen hat, auch aufgrund der Grenzsituation.
Barenberg: In beiden Gremien, sowohl im Sicherheitsrat als auch bei dieser Erklärung, da gibt es ja eine Gemeinsamkeit: Zwangsmaßnahmen werden jedenfalls für den Moment ausgeschlossen, auch Waffenlieferungen. Sie haben das gerade erwähnt. Ist das sozusagen richtig, dass man sozusagen keine Drohkulisse aufbaut?
Mützenich: Also, es wird ja auf jeden Fall versucht eine Kulisse aufzubauen, die eine Verhaltensänderung in Damaskus versuchen soll. Dies ist nicht gelungen aus ganz unterschiedlichen Gründen: Wir haben die Resolution des Sicherheitsrates angesprochen, wir haben andere Interessen angesprochen, wir haben aber auch die Situation, glaube ich. In der Region muss man beachten: Syrien ist natürlich geprägt auf der einen Seite von der Situation unterschiedlicher religiöser, ethnischer Gruppen, den Erfahrungen im Libanon, eines Bürgerkrieges, Irak, die Intervention der USA und anderer Länder in unmittelbarer Nähe und dann natürlich auch der Israel-Konflikt, Kurden-Probleme … Alles das sind Dinge, die es nicht so einfach machen, unmittelbar auf das Regime einzuwirken, weil es natürlich diese Spielbälle gut nutzt für sich. Und deswegen, glaube ich, ist es schon richtig auf jeden Fall, durch die Kontaktgruppe auch mehrere Versuche jetzt zu unternehmen, auf der einen Seite die humanitäre Situation zu verbessern, aber auf der anderen Seite vielleicht einen Gesprächspartner mit dem ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen anzubieten, der auch zu Gesprächen in der Lage ist.
Barenberg: Warum sollte Kofi Annan einen Unterschied machen?
Mützenich: Ich glaube, er ist zumindest eine Person, die auch in der Vergangenheit es geschafft hat, in einzelnen schwierigen Situationen, die ja auch bürgerkriegsähnliche Situationen gewesen sind, zu vermitteln. Das ist sozusagen keine Blaupause, hier muss man eine besondere Situation in Syrien mit berücksichtigen. Aber ich glaube, es ist zumindest auch noch mal ein Angebot auch gegenüber Russland und gegenüber der Volksrepublik China, dass es sich hier um einen guten Vermittler handelt. Und vielleicht gibt es dadurch auch wieder Bewegung im Sicherheitsrat.
Barenberg: Sie haben es angesprochen, es haben sich große Meinungsverschiedenheiten aufgetan, auch gestern auf der Konferenz in Tunis. Katar ist dafür, die Opposition zu bewaffnen, die USA halten sich da noch zurück. Es gibt aber Stimmen aus Washington, die so etwas befürworten, Saudi-Arabien ist für eine härtere Gangart. Wie sollen wir mit dieser Forderung, die ja auch von der Opposition in Syrien kommt, umgehen, bewaffnet uns?
Mützenich: Also, ich glaube, insbesondere sollte man weiterhin vorsichtig damit umgehen, weil, wir sind ja auch mit einer Opposition konfrontiert, die nach meinem Dafürhalten auch nicht das gesamte Bild repräsentiert. Es gibt offensichtlich einzelne Persönlichkeiten, die sehr stark bereit sind, in ethnischen und religiösen Trennlinien in Syrien operieren. Und das hielte ich letztlich für falsch, weil ich glaube, das Bild von syrischem Aufstand besteht ja nicht alleine darin, dass sich nur sunnitische Kräfte gegen Assad aufgelehnt haben, sondern insbesondere junge Menschen, die auf ihre Religion, auf ihre Ethnie erst mal gar keine Rücksicht nehmen, sondern mehr Freiheit, Arbeitsplätze etc. wollen. Und da ist natürlich die Forderung gegenüber der syrischen Opposition nach meinem Dafürhalten auch gerechtfertigt, pluraler zu werden und im Grunde genommen auch ihre Hausaufgaben letztlich zu machen.
Barenberg: Wie groß ist Ihr Misstrauen auch gegen die desertierten Offiziere, denen beispielsweise in einem Bericht für den UN-Menschenrechtsrat auch Verbrechen vorgeworfen werden?
Mützenich: In der Tat, das ist richtig. Nur, der UN-Menschenrechtsrat hat durchaus unterschiedliche Dinge auch festgestellt und hat natürlich insbesondere das Regime Assad kritisiert, weil es auch eine organisierte Gewalt ist, dass sich Menschen in Syrien auch wehren und auch Scham haben, auf ihre Landsleute zu schießen. Das, finde ich, hat hohen Respekt auch gegenüber einfachen Soldaten, die desertiert sind. Aber dennoch, man muss sich vorsichtig in diesem Feld bewegen und man muss auch die Augen offen halten und man muss auch gegenüber der syrischen Opposition, insbesondere gegenüber den politischen Repräsentanten entsprechende Forderungen auch stellen.
Barenberg: Sie haben die Haltung Chinas angesprochen, auch die von Russland. Lassen Sie uns über Russland einen Augenblick sprechen, hier liegt ein Schlüssel zu diesem Konflikt. Muss die Bundesregierung ihren Kurs gegenüber Russland beispielsweise verschärfen?
Mützenich: Es ist ein Drama, dass Russland nach meinem Dafürhalten in einer Situation, wo sie sich befinden – Raketenabwehr, Frage der NATO, Aufstellung Russlands im internationalen Gefüge – so entschieden hat, wie man es gemacht hat, und vielleicht auch aus innenpolitischen Gründen. Das ist falsch, deswegen, glaube ich, wäre es gut, wenn die Bundesregierung ihre Kontakte weiterhin nutzen würde, um zu einer Verhaltensänderung auch in Moskau mit zu bewirken. Bisher war ja sehr stark die Bundeskanzlerin in der Russlandpolitik unterwegs gewesen und ich hatte nie den Eindruck gehabt, dass es ein Markenkern von unserem Außenminister sein sollte, Russland mit auf seinem Bildschirm zu haben. Ich glaube, das ist ein Fehler letztlich gewesen, deswegen müssen wir jetzt intensive Kontakte auch zu Moskau knüpfen und insbesondere nach den Präsidentschaftswahlen in der übernächsten Woche dann auch massiv diplomatisch alles unternehmen, um vielleicht zu einer Verhaltensänderung Russlands zu kommen.
Barenberg: Guido Westerwelle, der Bundesaußenminister, appelliert vor allem und er setzt auf humanitäre Hilfe. Reicht das, wird das der gestiegenen Verantwortung Deutschlands in der Welt gerecht?
Mützenich: Also, es ist zuerst mal ein wichtiges Zeichen, dass das Internationale Rote Kreuz zusammen mit dem Roten Halbmond eine gewisse humanitäre Aktion in Homs hat unternehmen können. Das muss ausgeweitet, das muss insbesondere institutionalisiert werden, vielleicht von einer zweistündigen Waffenruhe, wie gefordert, ausgeweitet werden. Wir brauchen einen Waffenstillstand, wir brauchen eben ein Schweigen der Waffen, um humanitär zu helfen. Ich hoffe, dass eben insbesondere der Vermittler Annan, wenn er dann sozusagen auch zugelassen wird vonseiten des Regimes, hier Möglichkeiten findet, zusammen mit humanitären Organisationen eine Verbesserung der Situation zu erreichen.
Barenberg: Ist es das am Ende, was unterm Strich im Moment bleibt angesichts der gescheiterten Projekte im UN-Sicherheitsrat und der Meinungsverschiedenheiten gestern in Tunis, Hoffnung?
Mützenich: Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, wobei auf der anderen Seite auch bei mir oft Hilflosigkeit und auch ein Dilemma existiert, weil ich natürlich auch nur mit Worten appellieren kann, mit dem Versuch auch, Gespräche im Hintergrund mit zu begleiten. Aber das sind alles Dinge, die offensichtlich erst in den nächsten Tagen auch wirken. Und deswegen glaube ich schon, dass wir zurzeit uns sehr stark auf die humanitäre Situation konzentrieren müssen, bei aller Tragik der Situation.
Barenberg: Am Montag wollen die Außenminister der EU bei ihrem Rat voraussichtlich neue, weitere Sanktionen gegen das Regime verabschieden, jedenfalls ins Spiel bringen. Kann das noch etwas bewirken, kann das noch etwas ändern?
Mützenich: Es ist zumindest ein Zeichen auch an diejenigen, die eben vom Ausland eine stärkere Aktivität wünschen, dass wir eben auch versuchen, mit solchen Instrumenten zu signalisieren, wir wollen das Regime weiter isolieren, dafür brauchen wir aber auch eben Partner. Und deswegen ist die Bühne nach meinem Dafürhalten neben der Kontaktgruppe weiterhin die Vereinten Nationen. Und hier müssen wir stärkste Anstrengungen unternehmen, um wenigstens doch zu einer Resolution im Sicherheitsrat zu kommen.
Barenberg: Der außenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag Rolf Mützenich, danke für den Besuch im Studio!
Mützenich: Vielen Dank für die Einladung!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Im Studio hier im Deutschlandfunk begrüße ich den außenpolitischen Sprecher der Sozialdemokraten im Bundestag, schönen guten Morgen, Rolf Mützenich!
Rolf Mützenich: Morgen, Herr Barenberg!
Barenberg: Herr Mützenich, die Kontaktgruppe hat eine Erklärung verabschiedet, hat einen Appell gerichtet an den Machthaber in Damaskus. Wie viel weniger wiegt das eigentlich, als eine Resolution im UN-Sicherheitsrat gewogen hätte?
Mützenich: Na, schon sehr deutlich. Insbesondere, glaube ich, wäre eine Resolution im Sicherheitsrat, die ja am Veto Chinas und insbesondere Russlands gescheitert ist, ein deutliches Zeichen gegenüber dem Regime in Damaskus gewesen, dass sie sozusagen alle letzten Verbündeten verloren haben. Und deswegen ist natürlich die Kontaktgruppe sozusagen nur ein kleiner Ausweg aus diesem Dilemma, aber auch der Tragödie in Syrien.
Barenberg: Es gibt keine Forderung nach einem zeitlichen Rahmen, es gibt kein Ultimatum in dieser Abschlusserklärung. Ein Fehler?
Mützenich: Nein, ich glaube nicht. Weil, man muss ja auch einen Konsens in einer solchen Gruppe finden, die ja aus vielen Regierungen, aus vielen Ländern, aus vielen Interessen besteht. Und deswegen sind das natürlich immer auch der Versuch, Kompromisse letztlich zu bilden. Wenn es stimmt, dass Saudi-Arabien die Konferenz verlassen hat, weil es eben für Waffenlieferungen eingetreten ist, dann ist das die eine Sache. Auf der anderen Seite glaube ich schon, dass insbesondere die Arabische Liga eine große Verantwortung hat und wir insbesondere auch versuchen müssen, die Türkei als Partner zu finden, der auf Syrien nach meinem Dafürhalten immer noch die besten Einwirkungen hat, auch aufgrund der Grenzsituation.
Barenberg: In beiden Gremien, sowohl im Sicherheitsrat als auch bei dieser Erklärung, da gibt es ja eine Gemeinsamkeit: Zwangsmaßnahmen werden jedenfalls für den Moment ausgeschlossen, auch Waffenlieferungen. Sie haben das gerade erwähnt. Ist das sozusagen richtig, dass man sozusagen keine Drohkulisse aufbaut?
Mützenich: Also, es wird ja auf jeden Fall versucht eine Kulisse aufzubauen, die eine Verhaltensänderung in Damaskus versuchen soll. Dies ist nicht gelungen aus ganz unterschiedlichen Gründen: Wir haben die Resolution des Sicherheitsrates angesprochen, wir haben andere Interessen angesprochen, wir haben aber auch die Situation, glaube ich. In der Region muss man beachten: Syrien ist natürlich geprägt auf der einen Seite von der Situation unterschiedlicher religiöser, ethnischer Gruppen, den Erfahrungen im Libanon, eines Bürgerkrieges, Irak, die Intervention der USA und anderer Länder in unmittelbarer Nähe und dann natürlich auch der Israel-Konflikt, Kurden-Probleme … Alles das sind Dinge, die es nicht so einfach machen, unmittelbar auf das Regime einzuwirken, weil es natürlich diese Spielbälle gut nutzt für sich. Und deswegen, glaube ich, ist es schon richtig auf jeden Fall, durch die Kontaktgruppe auch mehrere Versuche jetzt zu unternehmen, auf der einen Seite die humanitäre Situation zu verbessern, aber auf der anderen Seite vielleicht einen Gesprächspartner mit dem ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen anzubieten, der auch zu Gesprächen in der Lage ist.
Barenberg: Warum sollte Kofi Annan einen Unterschied machen?
Mützenich: Ich glaube, er ist zumindest eine Person, die auch in der Vergangenheit es geschafft hat, in einzelnen schwierigen Situationen, die ja auch bürgerkriegsähnliche Situationen gewesen sind, zu vermitteln. Das ist sozusagen keine Blaupause, hier muss man eine besondere Situation in Syrien mit berücksichtigen. Aber ich glaube, es ist zumindest auch noch mal ein Angebot auch gegenüber Russland und gegenüber der Volksrepublik China, dass es sich hier um einen guten Vermittler handelt. Und vielleicht gibt es dadurch auch wieder Bewegung im Sicherheitsrat.
Barenberg: Sie haben es angesprochen, es haben sich große Meinungsverschiedenheiten aufgetan, auch gestern auf der Konferenz in Tunis. Katar ist dafür, die Opposition zu bewaffnen, die USA halten sich da noch zurück. Es gibt aber Stimmen aus Washington, die so etwas befürworten, Saudi-Arabien ist für eine härtere Gangart. Wie sollen wir mit dieser Forderung, die ja auch von der Opposition in Syrien kommt, umgehen, bewaffnet uns?
Mützenich: Also, ich glaube, insbesondere sollte man weiterhin vorsichtig damit umgehen, weil, wir sind ja auch mit einer Opposition konfrontiert, die nach meinem Dafürhalten auch nicht das gesamte Bild repräsentiert. Es gibt offensichtlich einzelne Persönlichkeiten, die sehr stark bereit sind, in ethnischen und religiösen Trennlinien in Syrien operieren. Und das hielte ich letztlich für falsch, weil ich glaube, das Bild von syrischem Aufstand besteht ja nicht alleine darin, dass sich nur sunnitische Kräfte gegen Assad aufgelehnt haben, sondern insbesondere junge Menschen, die auf ihre Religion, auf ihre Ethnie erst mal gar keine Rücksicht nehmen, sondern mehr Freiheit, Arbeitsplätze etc. wollen. Und da ist natürlich die Forderung gegenüber der syrischen Opposition nach meinem Dafürhalten auch gerechtfertigt, pluraler zu werden und im Grunde genommen auch ihre Hausaufgaben letztlich zu machen.
Barenberg: Wie groß ist Ihr Misstrauen auch gegen die desertierten Offiziere, denen beispielsweise in einem Bericht für den UN-Menschenrechtsrat auch Verbrechen vorgeworfen werden?
Mützenich: In der Tat, das ist richtig. Nur, der UN-Menschenrechtsrat hat durchaus unterschiedliche Dinge auch festgestellt und hat natürlich insbesondere das Regime Assad kritisiert, weil es auch eine organisierte Gewalt ist, dass sich Menschen in Syrien auch wehren und auch Scham haben, auf ihre Landsleute zu schießen. Das, finde ich, hat hohen Respekt auch gegenüber einfachen Soldaten, die desertiert sind. Aber dennoch, man muss sich vorsichtig in diesem Feld bewegen und man muss auch die Augen offen halten und man muss auch gegenüber der syrischen Opposition, insbesondere gegenüber den politischen Repräsentanten entsprechende Forderungen auch stellen.
Barenberg: Sie haben die Haltung Chinas angesprochen, auch die von Russland. Lassen Sie uns über Russland einen Augenblick sprechen, hier liegt ein Schlüssel zu diesem Konflikt. Muss die Bundesregierung ihren Kurs gegenüber Russland beispielsweise verschärfen?
Mützenich: Es ist ein Drama, dass Russland nach meinem Dafürhalten in einer Situation, wo sie sich befinden – Raketenabwehr, Frage der NATO, Aufstellung Russlands im internationalen Gefüge – so entschieden hat, wie man es gemacht hat, und vielleicht auch aus innenpolitischen Gründen. Das ist falsch, deswegen, glaube ich, wäre es gut, wenn die Bundesregierung ihre Kontakte weiterhin nutzen würde, um zu einer Verhaltensänderung auch in Moskau mit zu bewirken. Bisher war ja sehr stark die Bundeskanzlerin in der Russlandpolitik unterwegs gewesen und ich hatte nie den Eindruck gehabt, dass es ein Markenkern von unserem Außenminister sein sollte, Russland mit auf seinem Bildschirm zu haben. Ich glaube, das ist ein Fehler letztlich gewesen, deswegen müssen wir jetzt intensive Kontakte auch zu Moskau knüpfen und insbesondere nach den Präsidentschaftswahlen in der übernächsten Woche dann auch massiv diplomatisch alles unternehmen, um vielleicht zu einer Verhaltensänderung Russlands zu kommen.
Barenberg: Guido Westerwelle, der Bundesaußenminister, appelliert vor allem und er setzt auf humanitäre Hilfe. Reicht das, wird das der gestiegenen Verantwortung Deutschlands in der Welt gerecht?
Mützenich: Also, es ist zuerst mal ein wichtiges Zeichen, dass das Internationale Rote Kreuz zusammen mit dem Roten Halbmond eine gewisse humanitäre Aktion in Homs hat unternehmen können. Das muss ausgeweitet, das muss insbesondere institutionalisiert werden, vielleicht von einer zweistündigen Waffenruhe, wie gefordert, ausgeweitet werden. Wir brauchen einen Waffenstillstand, wir brauchen eben ein Schweigen der Waffen, um humanitär zu helfen. Ich hoffe, dass eben insbesondere der Vermittler Annan, wenn er dann sozusagen auch zugelassen wird vonseiten des Regimes, hier Möglichkeiten findet, zusammen mit humanitären Organisationen eine Verbesserung der Situation zu erreichen.
Barenberg: Ist es das am Ende, was unterm Strich im Moment bleibt angesichts der gescheiterten Projekte im UN-Sicherheitsrat und der Meinungsverschiedenheiten gestern in Tunis, Hoffnung?
Mützenich: Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, wobei auf der anderen Seite auch bei mir oft Hilflosigkeit und auch ein Dilemma existiert, weil ich natürlich auch nur mit Worten appellieren kann, mit dem Versuch auch, Gespräche im Hintergrund mit zu begleiten. Aber das sind alles Dinge, die offensichtlich erst in den nächsten Tagen auch wirken. Und deswegen glaube ich schon, dass wir zurzeit uns sehr stark auf die humanitäre Situation konzentrieren müssen, bei aller Tragik der Situation.
Barenberg: Am Montag wollen die Außenminister der EU bei ihrem Rat voraussichtlich neue, weitere Sanktionen gegen das Regime verabschieden, jedenfalls ins Spiel bringen. Kann das noch etwas bewirken, kann das noch etwas ändern?
Mützenich: Es ist zumindest ein Zeichen auch an diejenigen, die eben vom Ausland eine stärkere Aktivität wünschen, dass wir eben auch versuchen, mit solchen Instrumenten zu signalisieren, wir wollen das Regime weiter isolieren, dafür brauchen wir aber auch eben Partner. Und deswegen ist die Bühne nach meinem Dafürhalten neben der Kontaktgruppe weiterhin die Vereinten Nationen. Und hier müssen wir stärkste Anstrengungen unternehmen, um wenigstens doch zu einer Resolution im Sicherheitsrat zu kommen.
Barenberg: Der außenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag Rolf Mützenich, danke für den Besuch im Studio!
Mützenich: Vielen Dank für die Einladung!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.