Ditib-Moschee in Köln
Die Debatte um den Muezzin-Ruf

An der Kölner Zentralmoschee darf jetzt freitags per Lautsprecher zum Gebet gerufen werden - für maximal fünf Minuten und nur in unmittelbarer Nähe der Moschee hörbar. Welche Debatte darüber entbrannt ist und ob Köln die erste Moschee mit Muezzin-Ruf ist: ein Überblick.

    Im Licht in der untergehenden Sonne ist ein Minarett der Zentralmoschee der DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) und der Kölner Dom zu sehen.
    Ein Ausdruck von Religionsfreiheit oder eine Machtdemonstration des politischen Islam? Seit dem 14. Oktober 2022 ruft der Muezzin in Köln jeden Freitag über Lautsprecher zum Gebet. (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
    Im Oktober 2021 hatte die Stadt Köln den Moscheegemeinden den Muezzin-Ruf generell erlaubt. Doch nur die Gemeinde der Ditib, Deutschlands größtem Moscheeverband, hat einen Antrag gestellt, den die Stadt jetzt genehmigt hat - allerdings unter Auflagen. Gerufen werden darf nur am Freitag zwischen 12 und 15 Uhr, nur für maximal fünf Minuten und nicht lauter als 60 Dezibel. Dafür wurde ein Schallgutachten angefertigt.
    Die Einladung der Stadt geht aber nicht so weit, dass der Ruf des Muezzins von den Minaretten der Zentralmoschee ertönen darf. Er soll über zwei kleine Lautsprecher übertragen werden, die bereits draußen über dem Eingang zur Moschee hängen. Seit der Coronapandemie werden diese Lautsprecher für Totengebete genutzt. Der öffentliche Gebetsruf ist ein Pilotprojekt und auf zwei Jahre befristet.

    Religionsfreiheit oder politisches Statement des Islam?

    Die Anwohner
    Auch wenn der Gebetsruf selbst für die direkten Nachbarn der Moschee kaum zu hören sein wird, lässt das Thema viele nicht kalt. Dlf-Reporterin Felicitas Boeslager hat im Bezirk der Moschee, in Köln-Ehrenfeld, Menschen dazu befragt. Viele hätten den Muezzin-Ruf mit dem Läuten von Kirchenglocken verglichen und fänden es einfach nur gerecht, außerdem sei der Ruf mit maximal fünf Minuten vergleichsweise kurz zu hören. Andere sprachen sich generell gegen öffentlich sichtbare Religion aus und würden am liebsten auch das Glockenläuten verbieten lassen. Den größten Unmut hervorgerufen hat aber offenbar die Art und Weise, wie Kölns regierende Oberbürgermeisterin Henriette Reker den Muezzin-Ruf erlaubt hat. Vor allem ältere Menschen fühlten sich übergangen und wären gerne in den Entscheidungsprozess mit eingebunden gewesen.
    Die Ditib
    Die meiste Kritik bezieht sich auf den Träger der Zentralmoschee in Ehrenfeld, der Türkisch-Islamischen Union (Ditib). Vielen gilt die Organisation als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Autor und Islamismus-Experte Ahmad Mansour bezeichnet die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker deswegen als naiv. Die Ditib betreibe nicht nur Religionsausübung, sondern folge der politischen Agenda Erdogans und der Türkei, so Mansour. Die Ditib selbst weist diese Kritik von sich und sagt, es gehe um Religion und nicht um Politik.
    Der Gebetsruf
    Islamismus-Experte Ahmad Mansour kritisiert den Muezzin-Ruf in Deutschland auch an sich und findet, dass es noch eine gesellschaftliche Grundsatzdebatte brauche, bei der auch die Frage beantwortet werden müsse, "wie viel Islam diese Gesellschaft" vertrage und wie sichtbar der Islam in Deutschland sein sollte. Für ihn ist der Gebetsruf eine Machtdemonstration, die nichts mit Religionsfreiheit zu tun hat.
    Muezzin Mustafa Kader, Imam der Moschee, ruft in der Zentralmoschee der DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) Muslime zum Gebet
    Mustafa Kader, Imam der Kölner Ditib-Moschee während des Gebetsrufs am 14.10.2022 (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
    Ähnlich sieht das Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam. Anders als das christliche Glockengeläut sei der Ruf des Muezzins ein religiöses Bekenntnis.

    Da wird eine verbale Botschaft mit transportiert, und von vielen Muslimen wird es eben auch so interpretiert: der Islam ist die einzige Religion. Alle anderen sind dann implizit eben nicht die wahren Religionen.

    Wie Ahmad Mansour befürchtet auch sie einen Missbrauch des Muezzin-Rufes als religionspolitisches Statement, mit dem Macht in der Gesellschaft ausgeübt werden soll.
    Der Ruf des Muezzins dokumentiere einen religiösen Absolutheitsanspruch, sagt auch Michael Heinig, Professor für Staatskirchenrecht an der Universität Göttingen. Rein rechtlich sei das aber unproblematisch.

    Das Exklusivhalten seines eigenen Glaubens, die Verteidigung einer Glaubenswahrheit ist Gegenstand der Religionsfreiheit.

    Muezzin versus Kirchenglocken
    In Deutschland lasse sich juristisch gegen den Ruf des Muezzins eigentlich nur das Emissionsschutzgesetz anführen, die sogenannte "Technische Anleitung Lärm", falls eine gewisse Lautstärke überschritten werde. Doch das gelte im Prinzip auch für das traditionelle Glockengeläut, sagt Staatskirchenrechtler Michael Heinig. Da werde die Überschreitung der Grenzwerte auch schon mal toleriert.

    Glockengeläut ist gleichsam privilegierter Lärm.

    Muezzin-Rufe in Deutschland - ein Novum?

    Die Ditib-Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld ist nicht das erste muslimische Gotteshaus in Deutschland, von dem aus der Muezzin zum Gebet ruft. In rund 30 Moscheegemeinden ist das bereits üblich, beispielsweise in Krefeld, im hessischen Raunheim oder in Oer-Erkenschwick am nördlichen Rand des Ruhrgebiets. Im nordrheinischen Düren ruft der Muezzin sogar schon seit 1984. Vielerorts, etwa in München, Hannover oder Frankfurt am Main, rief er zeitweise während des ersten Corona-Lockdowns als Ersatz für Gottesdienste.


    Was beinhaltet der Muezzin-Ruf und was bedeutet er?

    Der islamische Gebetsruf "Adhan" erfolgt in arabischer Sprache. Die Textverse mit Wiederholungen heißen übersetzt "Gott (Allah) ist groß", "Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Gott", "Ich bezeuge, dass Mohammed der Gesandte Gottes ist", "Kommt zum Gebet", "Kommt zum Heil", "Gott ist groß", "Es gibt keine Gottheit außer Gott".
    Der Ruf habe dabei zwei Bedeutungen, erläutert Murat Chalayan vom Islamkolleg in Osnabrück im Dlf. Es sei zum einen eine klare Eingrenzung dessen, was die Muslime unter der Göttlichkeit verstehen. "Das heißt, er ist nicht vergleichbar mit allem, was er erschaffen hat, und dementsprechend ist er größer als alles, was existiert." Gleichzeitig habe der Gebetsruf auch die Bedeutung, dass Gott der Größte sei.
    Ausgerufen werden kann er nicht nur von einem Imam, sondern auch von einem geschulten Gemeindemitglied. In islamischen Ländern ruft der Muezzin die Gläubigen in der Regel fünfmal am Tag zum rituellen Gebet.
    Quellen: Felicitas Boeselager, Michael Hollenbach, epd, nsh