Es ist reiner Zufall, dass nicht gleich in der ersten Auflage der neuen Champions League Manchester City gegen den FC Girona spielt. Denn beide Vereine mögen sportlich Konkurrenten sein, wirtschaftlich verfolgen die Klubs als Teil der aus Abu Dhabi gesteuerten City Group die gleichen Ziele.
Auch die Red Bull Teams aus Salzburg und Leipzig gehen sich aus dem Weg: Der Algorithmus, mit dessen Hilfe die Spielpaarungen ausgelost wurden, hat kein direktes Duell zwischen zwei Klubs mit dem gleichen Besitzer festgelegt. Eine Welle der Empörung wird also erstmal ausbleiben, aber das Problem der Multi-Club-Ownerships ist damit aber keineswegs gelöst.
Und die Zweifel an einem womöglich nicht mehr ganz fairen Wettbewerb stehen dabei nicht einmal im Vordergrund, sagt Simon Rolfes, der Geschäftsführer Sport von Bayer Leverkusen: "Vereinzelt muss man da genau gucken, dass es da nicht Konstellationen gibt und dann eine Wettbewerbsverzerrung möglich ist. Aber bei der Grundsatzthematik für den Transfermarkt, da ist der Einfluss viel, viel größer."
Große Klubs nutzen Kooperationen für "interne" Transfers
Was Rolfes andeutet und von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird: Es entstehen mehr und mehr zentral gesteuerte Kooperationen mit einem Großverein an der Spitze. Und mit einer ganzen Reihe kleinerer Klubs, die dem stärksten Teil des Zusammenschlusses bei der Ausbildung von Spielern helfen sollen.
Durch die Übernahme sorgfältig ausgewählter Klubs beispielsweise in Südamerika wird außerdem ein direkterer Zugang zu den dortigen Spielermärkten möglich. Das klassische Beispiel ist Red Bull mit Leipzig als Topklub und Unterabteilungen in Salzburg, New York und Brasilien. Der City Group gehören neben Manchester und Girona elf weitere Vereine aus elf unterschiedlichen Ländern an.
Multi-Club-Ownerships stören Transfermarkt-Mechanismen
Und es gibt immer mehr solcher Modelle. Mit Folgen für jeden Klub ohne solch ein Netzwerk, erläutert Rolfes, dessen Leverkusener bislang keine Partner haben: "Definitiv ist das ein Nachteil. Weil das System des Fußballs ist relativ simpel aufgebaut, dass es natürlich an der Spitze die reichsten Klubs gibt, die eigentlich eine Stufe tiefer kaufen, und so geht es immer weiter. Stufe eins kauft bei Stufe zwei, zwei bei drei, drei bei vier." Genau dieser Mechanismus werde durch die Multi-Club-Ownerships gestört, sagt der Leverkusener Funktionär: "Wenn jetzt aber die Spitze auf jeder Stufe, zwei, drei, vier eigene Klubs hat, dann konkurriere ich auf Stufe drei nicht mehr mit Klubs aus Stufe drei, die sich den Spieler vielleicht leisten könnten, der in Stufe vier spielt. Sondern ich konkurriere mit den Reichsten, weil die einen Klub haben in Stufe drei.
Das verändert das gesamte System. Konsortien vereinnahmen Talente, die sie zwischen ihren Klubs hin- und herschieben. Ausbildungsvereine wie der SC Freiburg oder Borussia Mönchengladbach, deren Geschäftsmodell auf dem gewinnbringenden Weiterverkauf von Spielern beruht, drohen immer weniger wettbewerbsfähig zu werden.
Fanvertreter: Klubs stehen im Auftrag anderer Klubs
Und nicht zuletzt wird eine Kernvoraussetzung des Sports bedroht, sagt Martin Endemann von den Football Supporters of Europe. Es bestehe die Gefahr, "dass nicht alles für den eigenen Verein getan wird. Gerade wenn dieser Verein in so einem Konstrukt eher am unteren Ende der Nahrungskette steht. Man erwartet ja als Fan, dass die Führung des Vereins alles dafür tut, dass der Verein das Maximale an Erfolg hat. Das ist natürlich nicht zwingend gegeben, wenn das nur ein Klub von sehr vielen und der wie auch immer geartete Zulieferverein ist."
Es gibt finstere Beispiele wie Racing Straßburg, wo der FC Chelsea seine Talente ausbildet. Dort wurden nach der Übernahme wichtige Spieler aussortiert und durch junge Talente ersetzt. Die spielten zwar nicht besser, waren aber interessanter für Chelsea. Wütende Fanproteste blieben wirkungslos, Racing Straßburg agiert nun nicht mehr, um selbst maximal erfolgreich zu sein, sondern auch im Interesse eines Premier-League-Vereins. Regeln, die so etwas verhindern gibt es nicht.
"Das Problem ist, dass die Vereine und die dahinterstehenden Konsortien versuchen, die Regularien, die da sind und die gut intendiert sind, zu biegen. Und die RB-Sache ist aus Fanperspektive ein Running Gag, also dass RB Salzburg und RB Leipzig absolut überhaupt nichts miteinander zu tun haben", sagt der Fanaktivist Endemann.
Klubs ohne Partner müssen neue Wege finden
Offiziell ist die Red Bull GmbH in Salzburg nur noch Sponsor und kann angeblich keinen Einfluss mehr nehmen. Für die UEFA ist der Interessenskonflikt damit gelöst. Wie genau das kontrollierbar sein soll, ist unklar, in jedem Fall jedoch ist das weite Feld der Mulit-Club-Ownerships von FIFA und UEFA allenfalls in Ansätzen reguliert. UEFA-Chef Aleksandar Ceferin hat sogar vor einiger Zeit angedeutet, dass die Einschränkungen weiter gelockert werden könnten. Man dürfe zu Investitionen dieser Art nicht einfach "nein" sagen.
Simon Rolfes aus Leverkusen kann sich nur schwer vorstellen, dass irgendwann wirksame Einschränkungen seitens der Verbände kommen. Er sucht nach anderen Wegen. Zum Beispiel, "dass wir gute Nachwuchsarbeit machen. Dass wir selbst Spieler entwickeln, was die Spanier immer wieder schaffen, muss man einfach sagen. Dass sie viel mehr gute eigene Spieler entwickeln, dass sie weniger abhängig sind vom Transfermarkt".
Druck, Partnerschaften einzugehen, wächst
Aber der Druck, Partnerschaften einzugehen, wächst. Aus Deutschland sind neben RB Leipzig auch der FC Augsburg, Hertha BSC und der 1. FC Kaiserslautern Teil von Multi-Club-Owner-Systemen. Der FC Bayern ist gerade dabei, eine eigene Gruppe aufzubauen, hat über sein "Red and Gold Football"-Programm eine Außenstelle in Uruguay und eine im westafrikanischen Gambia übernommen. Weitere könnten folgen. Und selbst der abgestürzte FC Schalke 04 hat gerade strategische Verbindungen mit dem FC Aarau und der VVV Venlo initiiert, um dort Talente unterzubringen, die noch nicht stark genug für die eigene erste Mannschaft sind. Die Dynamik ist kaum noch aufzuhalten. Und es ist absehbar, dass auch direkte Duelle von Klubs der selben Besitzer schon bald zum Alltag der neuen Europapokale gehören werden.