"There was always water...." - Hören Sie das? Nein, da gießt sich nicht etwa im Hintergrund jemand ein Glas Whisky ein. Was hier vor sich hin gluckert, ist das vierte Element: "There was always water", heißt der Song, mit dem der 68-jährige bildende Künstler und Musiker Lonnie Holley dem Wasser ein Denkmal gesetzt hat. Auf seinem neuen Album "MITH" äußert sich der Mann aus Birmingham in einer eigenwilligen Mischung aus "spoken word Poetry", jazzigen Improvisationen und kindlich anmutenden Soundspielereien zu den alten und großen Themen: Kreativität, Vergänglichkeit. Und Menschlichkeit.
Politisch und naiv zugleich
Lonnie Holley: "Ich bin so lange verdächtig, bis ich als Staubkörnchen durchs Universum fliege". Holleys Poesie ist nicht kompliziert, seine Bilder sind gleichzeitig politisch und naiv. Aber auch auf dem dritten Album des Künstlers, dessen Sand- und Müllskulpturen es bis ins Birmingham Museum of Art, ins Smithsonian American Art Museum und sogar ins Weiße Haus geschafft haben, spürt man trotz des musikalischen Schlingerkurses eine unkonventionelle Spannung. Und jede Menge kreative Freiheit.
Hollie: "Ich denke, ich bin ein besonderer afroamerikanischer Künstler. Ich bin besonders, weil ich so viele verschiedene Materialien benutze, und diesen Materialien erlaube, selbst zu erklären, was sie sind, und wie man sie wirklich einsetzt."
Humanität durch Grossfamilie
Hinter Holleys Interesse für die Natur mit all ihren verschiedenen Substanzen und Materialien liegt eine tiefe Humanität. Die er, so will es die Legende, vor allem durch das Aufwachsen in einer großen familiären Gemeinschaft erfuhr: "Du musst dir vorstellen, meine Mutter war 32 mal schwanger und hat 27 Kinder geboren. In diese große Gruppe hineingeboren zu werden bedeutet, dass man immer von Menschen umgeben war. Ich weiß noch wie ich mit meiner Mutter und meiner Oma in die Kirche ging, und der Pfarrer sagte: Wir müssen im Gleichklang sein. Und auch für das Mutterschiff, die Erde müssen wir im Gleichklang sein. Nur so können wir die Atmosphäre und das Wasser verbessern".
In der Tradition etwa der Last Poets, die als Bürgerrechtsaktivisten, Musiker und Dichter seit den 60ern bis heute spielen und rezitieren, und mit der Anmutung einer Hommage an das Sun Ra Arkestra und dessen besondere Beziehung zum Weltraum - singt Lonnie Holley in seinen komisch-kosmischen Songs genauso vom Mutterschiff Erde wie von seinen Befürchtungen zur aktuellen politischen Situation in den USA. Und ist dabei sehr deutlich: "I woke up in a fucked up America".
Rettung des Mutterschiffs namens Erde
Kaum ein Song auf dem Album ist unter sieben Minuten lang, und für manche braucht man angesichts der fast willkürlichen Freiheit, die Holley sich zugesteht - schon etwas Langmut. Belohnt wird man durch die angenehm anarchistische Ungebundenheit, die die Songs begleitet, und sie in keine Kategorien einordnen lässt. Zusammengearbeitet hat er übrigens schon mit Musikern und Produzenten von den Black Keys, The National oder Arcade Fire. Das soll auch so weitergehen: "Wenn ich tot bin, oder 25 oder 50 oder 1000 Jahre nach meinem Tod werden immer noch Menschen über meine Kunst zusammenkommen und miteinander arbeiten. In einem Gefühl der Zusammengehörigkeit".
Bis dahin wird der interdisziplinäre "Sand Man", den das Vice Magazine einst als Propheten bezeichnet hat, einfach weitermachen. Und die Hoffnung auf Rettung für das Mutterschiff nicht aufgeben.