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Multitalent und selbst ernannte Hexe

Yoko Ono, die Witwe John Lennons, gilt auch als eine Pionierin der Performance-Kunst und hat sich vielfältig künstlerisch betätigt. Fans der Beatles bezeichneten sie als Hexe und gaben ihr die Schuld für die Trennung der Band. Sie reagierte darauf cool. In Frankfurt wird eine Retrospektive anlässlich ihres 80. Geburtstages gezeigt.

Von Klaus Walter | 18.02.2013
    "Walking on thin ice”, auf dünnem Eis laufen, könnte ein Leitmotiv sein für das Leben der Yoko Ono. Sie ist eine Frau mit vielen Talenten. Und genau das ist manchmal ihr Problem.

    "When I make music people say, oh, she´s just an artist, and when I make art, people say, oh, she´s just a musician."

    Wenn sie Musik macht sagen die Leute, ach, die ist bloß Künstlerin, wenn sie Kunst macht, sagen die Leute, ach, die ist bloß Musikerin. Yoko Ono ist das egal.

    "It didn´t really matter what the media was. When I get inspired, I get inspired with that media. When I get inspired by sounds, then of course let´s go to music."


    "Yoko Ono hat frühzeitig ihre Stimme als Instrument eingesetzt. Sie hat eine große Spannweite in der Stimme. John Lennon hat gesagt, sie hat eine 16-Track-Voice."

    Eine 16-Spur-Stimme hat John Lennon seiner Frau Yoko bescheinigt. Das erzählt Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der großen Yoko-Ono-Werkschau "Half A Wind Show" in der Frankfurter Schirn. Annähernd 200 Arbeiten der japanischen Künstlerin sind zu sehen, zu hören, zu begehen und zu ertasten. Faszinierend vor allem die interdisziplinären Werke aus den 60er- und 70er-Jahren, später neigt Ono schon mal zum Selbstplagiat. Ein spezieller Music Room dokumentiert ihr musikalisches Schaffen. Daran scheiden sich die Geister, nicht alle sind so begeistert von ihrer Stimme wie John Lennon. Viele halten Yoko einfach für eine überschätzte Nervensäge.

    "Du nervst noch mehr als Yoko Ono" singen die Ärzte. Ja, es gibt sie, die Onophobie und der Generalvorwurf der Onophoben lautet: Diese Hexe hat die Beatles auf dem Gewissen. Yokos Antwort.

    "Yes, I´m a witch."

    "Für viele Beatles-Fans ist Yoko Ono ja immer noch die Frau, die die Beatles auseinandergebracht hat. Die damals John Lennon verhext hat. Anders konnte sich der weiße, männliche Beatles-Fan nicht vorstellen, was John Lennon mit dieser asiatisch aussehenden Künstlerin wollte. Sie hat aber auf diese Anfeindungen wie Asia-Hexe und weitaus unfreundlichere Titulierungen cool reagiert, zum Beispiel mit dem Song 'Yes, I´m a witch'."

    "Ja, ich bin eine Hexe", an diese elegante Selbstauskunft erinnert die Autorin Christina Mohr. In der aktuellen Ausgabe des feministischen Popmagazins "Missy" hat sie Ono zum 80. gratuliert. Der Schriftsteller Franz Dobler dreht in der Debatte um Yoko und die Beatles den Spieß um.

    "Viele werfen ihr vor, die Beatles getrennt zu haben. Warum wirft niemand diversen Stones-Frauen vor, dass sie nicht die Eier hatten, die Stones zu trennen?"

    Eier hat Yoko allemal, um im Rockmacker-Jargon der Rolling Stones zu sprechen. Inspiriert von Yoko Ono geht John Lennon neue Wege. Musikalisch und politisch.

    "Woman is the Nigger of the World", den bahnbrechenden Song nehmen John und Yoko 1972 gemeinsam auf. In der öffentlichen Wahrnehmung wird das Lied John Lennon zugeschrieben, er singt, es ist sein Sound. Aber: Der titelgebende universalistische Slogan "Die Frau ist der Nigger der Welt", der
    verweist auf Yoko Onos Autorinnenschaft. Sie selbst spricht vom "ersten Song der Frauenbewegung". ...

    "Yoko Ono ist definitiv eine feministische Künstlerin, eine Vorreiterin von Performance Künstlerinnen wie Marina Abramovic."

    So die Kritikerin Christina Mohr. Schon in den frühen 60er-Jahren beschäftigt sich Ono mit den Geschlechterverhältnissen. Im Zentrum ihrer Arbeit steht der Körper, der wird immer wieder enthüllt und verhüllt. In ihren Filmen, auf Fotografien, Zeichnungen und auf der Bühne.

    "Die berühmteste Performance von Yoko Ono ist das sogenannte Cut Piece, da lässt sie sich von meist männlichen Besuchern die Kleider vom Leib schneiden. Diese Performance ist heute noch immer so eindrucksvoll wie in den 60er-Jahren, als sie das zum ersten Mal aufgeführt hat."

    Das "Cut Piece" sorgt 1964 in Japan für einen Skandal und hat auch im 21. Jahrhundert noch Sprengkraft. Zuletzt hat es Yoko Ono 2003 in Paris aufgeführt, mit 70 Jahren. Und heute, mit 80 in Frankfurt, macht sie noch immer einen unglaublich vitalen und agilen Eindruck. Auch wenn sie schon mal nervt mit haikuartigen rhetorischen Readymades aus der Esoterikschublade.

    ""Everything that happens is a blessing in disguise.”"