Die Kanonenschüsse hallen von den Bergen wider. Ein Geräusch wie von gigantischen Explosionen. Die hinter den Felswänden verbarrikadierten Soldaten warten auf einen Befehl. Der kommt schließlich, als Soldaten der K.u.k.-Monarchie in Sichtweite gelangen und der italienische Hauptmann den Befehl gibt Bajonette auf die Gewehre zu stecken. Der Kampf Mann gegen Mann beginnt.
Krieg in rund 3.000 Metern Höhe. Zu erleben in einem eindrucksvollen Video, das der Museumsbesucher zu sehen bekommt. Kämpfen bei Wind und Sturm, auf lebensgefährlichem Gelände und in meterhohem Schnee. Bei der Punta Serauta kämpften und starben tausende von österreichischen und italienischen Soldaten während des Ersten Weltkriegs. Gleich zu Beginn hatte Italien die Dolomiten zu einer Alpenfestung gegen die Österreicher ausgebaut. Punta Serauto an der Marmolada wurde zu einer der am heftigsten umkämpften Bergfestungen des Ersten Weltkriegs, weiß der auf den Alpenkrieg der Italiener spezialisierte Historiker Mario Fornaro:
"Als der große Krieg 1915 ausbrach lag die Grenze zwischen dem italienischen Königreich und dem Kaiserreich der Habsburger hier bei diesem Gletscher unter uns. Der Gletscher bildete die Grenze und wurde von den Österreichern zur sogenannten Eisstadt ausgebaut. Zwölf Kilometer Gänge, Räume und Säle aus Eis. Bis in eine Tiefe von 40 Metern wurde diese Stadt in den Gletscher der Marmolada geschlagen."
Ins Eis und in den Felsen. Der von der Geografie her wohl gefährlichste Ort, um Krieg zu führen. Heute kann man nur noch einige Reste der Eisstadt besichtigen. Sie sind Teil des neuen Museo Marmolada Grande Guerra, des in 3.000 Metern Höhe gelegenen höchsten Museums in Europa. Nur zu erreichen über eine Seilbahn. Mario Fornaro:
"Das hier, wo sich das Museum befindet, war das Fort Punta Serauta. Der Blick ist umwerfend. Von hier aus konnte man zahllose Berge und Täler kontrollieren. In dieser unwirtlichen Umgebung harrten etwa 300 Italiener aus, um österreichische Truppenbewegungen zu kontrollieren und zu bekämpfen. Nach der italienischen Niederlage 1917 bei Caporetto wurde die Festung aufgegeben und von Österreichern übernommen. Dann wurde es hier wieder still."
Und still wird auch der Besucher wenn er das Bergmuseum besucht. Wegen der atemberaubenden Aussicht vor dem Museum und dem Blick aus den großen Fenstern. Still aber vor allem angesichts der original getreu nach gebauten Stellungen der Italiener und Österreicher, der Originalgegenstände aus der Zeit der Kämpfe - Waffen, Tagebücher, durchschossene Helme, blutdurchtränkte Uniformen. Der multimediale Museumsparcours der Südtiroler Architektin Claudine Holstein, finanziert von dem Marmolada-Seilbahnunternehmen und der Region Venetien, bietet eine Abfolge von Räumen mit Videos, Fotografien, Waffen, Erklärungstafeln und, sehr eindrucksvoll, mit nachgestelltem historischen Ambiente. Darunter ein Raum so wie er damals in der Eisstadt existierte. Nachgebaut wurden auch Wände mit schützenden Sandsäcken und die Einrichtung in den Stellungen, in denen die Männer bei Temperaturen weit unter Null Grad ausharrten. Geräuschkulissen vermitteln den Eindruck historischer Authentizität.
Im Unterschied zu anderen italienischen Museen, die an den Ersten Weltkrieg erinnern, und sich in der Regel recht angestaubt präsentieren, ist das Bergmuseum der Marmolada szenografisch und didaktisch auf dem neusten Stand. Es demonstriert wie nur wenige andere Kriegsmuseum in Europa die Brutalität der Materialschlachten jener Jahre - an einem Ort, an dem aufgrund der geografischen Lage mit scharfen Steilhängen, Schnee und Eis, mit Gletschern und eiskalten Stürmen niemand kriegerische Auseinandersetzungen vermuten würde.