Iwan Sojc, Leiter des Deutschen Fahrradmuseums: "Also das Ganze ist völlig ungefährlich für Sie!"
Von wegen! Der erste Ritt: schrecklich! Ich sitze genau so hoch wie ein LKW-Fahrer, nur ist da keinerlei Puffer. Hochrad-Fahren kann man jetzt sonntags auf dem Parkplatz vor dem Museum der Arbeit in Hamburg. Mit einem Nachbau des historischen "Kampfradler"-Gefährts aus tschechischer Handarbeit heute.
Sojc: "Nicht durch den Gulli!"
Mario Bäumer: "Ein Hochrad konnte in den 1880er Jahren bis zu 40 Stundenkilometer schnell fahren. Und es war tatsächlich auch sehr gefährlich."
Danke, Erfinder des Kettenantriebs! - das Hochrad: damals wie heute eine Skurrilität, Kurator Mario Bäumer spricht von einer der Sackgassen der Radgeschichte. Er stellt rund hundert Fahrradtypen aller Zeiten auf 600 Quadratmetern aus. Wir sehen: alles, wirklich alles, rund um das Rad. Und das sehr sinnlich inszeniert:
"Die Idee kam vom Bahnradfahren, so einem Verfolgungsfahren: wenn die Radfahrer sich so beäugen. Und dann plötzlich stehen sie übereinander. Dann fährt einer los und plötzlich fahren alle hinterher."
Architekt Jochen Messer stellt mit leicht schrägen Wänden die Steilkurven einer Radrennbahn nach. Räder hängen in drei Reihen übereinander, aber: durch die Schräge ist da eine leichte Spannung im Blickfeld, wie kurz vor einem Sprint: das ist gut gemacht.
Unsittliches Radfahren
Auch die Strukturierung des Allerweltthemas überzeugt: drei Bahnen, die Radwege andeuten, beleuchten jeweils Kultur, Technik oder Mobilität des Rads. Mit Mario Bäumer in der Kulturgasse:
"Ein Buch von 1897, ‚Das Radfahren der Frauen', wo beschrieben wird, dass es hygienische Nachteile für Frauen gibt, dass die Gebärfähigkeit leidet und dass es überhaupt unsittlich ist, das Radfahren."
Das änderte sich dann in Weimarer Zeit. Radfahren stand dann fast schon symbolisch für den Aufbruch der Frauen. Die Technikgasse allerdings zeichnet ein anderes Bild: noch bis ins 21. Jahrhundert wurden, bei Rad-Pärchen-Sets, beim Damenrad oft Rad die etwas schlechteren Teile verbaut. Entlarvend! Und das ändert sich eigentlich erst jetzt, da das Fahrrad - wieder einmal - in das Zentrum der gesellschaftlichen Diskussionen gerückt ist. Seine Popularität erlebte ein Auf und Ab. Fahrradfahren im Alltag um 1960? Damit konnte man höchstens zeigen, dass man den Anschluss ans Wirtschaftswunder verpasst hatte.
Als junge Frau ein Rennrad im Stil der Eddy Merckx-Ära zu fahren, das ist heute dagegen für viele Trend. Die Reifen vielleicht in lila, ein optisches Spiel mit der Gender-Thematik, aber dass Frau Mann hinterherführe, ist passé.
"Wie finden Sie das, dass hier über 3000 Radfahrer sind?" - Das haben die Ausstellungsmacher Autofahrer in Hamburg, bei einer Critical Mass gefragt: Critical Mass, dieses Happening, bei dem unterschiedlichste Velos, vom klapprigen Damenrad bis zur Rennmaschine, zusammenkommen, um den Autos mal ein paar Stunden Platz wegzunehmen. Eine Hörstation in der Schau:
"Das fängt an mit: Find ich super, dass man sieht, wie viele Radfahrer es in einer Stadt gibt!" bis hin zu: Wie ich das finde? Beschissen finde ich das, ich stehe hier schon seit einer halben Stunde!"
Zwölf Teilnehmer hatten im Jahr 2000 den Trend aus San Francisco nach Hamburg geholt: da spiegelt es sich. Das alltägliche, oft lautstarke und unflätige Gerangel um den wenigen Platz auf deutschen Verkehrswegen; wir haben es im Ohr. Die Ausstellung schließt mit einer möglichen Zukunftsaussicht: "Straße an der Alster 2050". Mehrere Radspuren für verschiedene Geschwindigkeiten. Das eine Fahrrad wird es dann immer noch nicht geben, sondern rund ein Dutzend Typen. Müssen wir uns irgendeiner Rad-Fraktion anschließen, oder einen Krieg "Rad gegen Auto" ausfechten? Nein. Das erzählt die Hamburger Schau: Verkehrsteilnehmer, entspannt euch, habt Spaß am Radfahren!