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"Museum des Zweiten Weltkriegs" in Danzig
Helden gesucht

Nach neun Jahren der Planung und des Baus öffnete das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig im März seine Pforten. Von Beginn an gab es Kritik seitens der seit 2015 regierenden Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS): Die Ausrichtung sei zu international und nicht patriotisch genug.

Von Judith Leister |
    Ein Besucher schaut sich in der Ausstellung einen Panzer an.
    Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig (dpa-picture-alliance/Czarek Sokolowski)
    Pawel Machcewicz gibt nicht auf. Obwohl er sein Amt Anfang April durch einen rechtlichen Trick verlor, will der ehemalige Direktor das "Museum des Zweiten Weltkriegs" vor politisch motivierten Eingriffen schützen. Bislang ließ der neue Museumsdirektor, Karol Nawrocki, nur eine Dokumentation zur Vorgeschichte des Museums entfernen. Doch weitere Veränderungen sind angekündigt. So solle die Kriegsopfer-Statistik nicht mehr in absoluten Zahlen dargestellt werden, da nach dieser Statistik die Sowjetunion und Deutschland vorne lägen, sagt Pawel Machcewicz:
    "Er möchte die Statistik neu gestalten, indem er die getöteten Zivilisten der jeweiligen Nation in Prozentzahlen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung darstellt. In einer solchen Statistik wäre dann nach seiner Berechnung Polen führend."
    Mythos der verfemten Soldaten
    Seit neun Jahren muss sich Machcewicz von den Vertretern der PiS-Partei massive Kritik gefallen lassen. Sein Konzept sei zu "universalistisch" und zu pazifistisch, nicht "polnisch" und heroisch genug. Dabei argumentieren die Gegner des Museums nicht selten auf der Basis von Hörensagen. So auch der amtierende Kulturminister Piotr Glinski. Bei einem Gespräch habe Glinski großes Unwissen offenbart, merkt Machcewicz an:
    "Der einzig konkrete Vorwurf, den Glinski bei diesem Gespräch vorbrachte, war, dass unsere Ausstellung das Wolhynien-Massaker von Ukrainern an Polen während des Zweiten Weltkriegs nicht zeigen würde. Ich antwortete: "Herr Minister, das Gegenteil ist der Fall. Wir haben einen ganzen Ausstellungsbereich zum Wolhynien-Massaker und wir sind das erste Museum in Polen und wahrscheinlich auf der ganzen Welt, das diesem Massaker einen eigenen Bereich widmet."
    Welche Inhalte und welche Form der Präsentation sich die PiS-Regierung für ein ideales Geschichtsmuseum vorstellt, lässt sich derweil im ostpolnischen Ostroleka verfolgen. Dort soll im kommenden Jahr ein Museum über die sogenannten "verfemten Soldaten" entstehen. Der Mythos der verfemten Soldaten ist ein zentrales Element für die gegenwärtige polnische Geschichtspolitik. Auf der Homepage des geplanten Museums kann man bereits jetzt diverse "Helden"-Geschichten nachlesen.
    Die Idee eines "wehrhaften" Polens
    Bei den "verfemten Soldaten" handelt es sich um antikommunistische Partisanen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den Wäldern weiterkämpften – gegen den Willen der polnischen Regierung. Pawel Machcewicz erläutert, wie dieser Heldenmythos auch gegen Lech Walesa ausgespielt wurde, als vor rund anderthalb Jahren neue Dokumente zu einer Zusammenarbeit des früheren Solidarnosc-Führers mit der Sicherheitspolizei gefunden wurden.
    Graffiti mit verfemten Soldaten.
    Graffiti mit verfemten Soldaten, denen in Ostroleka ein Museum gewidmet werden soll. (Judith Leister)
    "Als die Dokumente auftauchten, hat das Staatsfernsehen den ganzen Tag lang einen Film gezeigt, in dem Lech Walesa und General Jaruzelski beim Händeschütteln zu sehen waren. Dagegen geschnitten waren Fotos der verfemten Soldaten. Das sollte heißen: Auf der einen Seite stehen die Verräter, die verdächtige Absprachen mit den Kommunisten trafen, auf der anderen die echten Patrioten."
    Das geplante Museum in Ostpolen ist nicht das einzige, das sich künftig den verfemten Soldaten widmen soll. Für 2019 ist auch in Warschau die Eröffnung eines solchen Museums anvisiert. Der Münchner Politologe Bartek Pytlas betrachtet die Verbreitung dieses Mythos als Versuch, den friedlichen Sonderweg der polnischen Opposition in den Jahren vor der Wende zu delegitimieren und in den Köpfen der Bürger die Idee eines "wehrhaften" Polens zu installieren.
    PiS-Partei sieht einen einen Alleinvertretungsanspruch
    "Polen sei nach diesem Diskurs eine belagerte Festung, genauso wie damals im 17., 18., 20. Jahrhundert, wird argumentiert: Im Inneren und jenseits der polnischen Grenzen gibt es Bestrebungen, die nationale Identität der Polen zu zerstören."
    Und daraus leite die PiS-Partei einen Alleinvertretungsanspruch ab, der die demokratische Opposition desavouiere, meint Pytlas:
    "Wir sind die Einzigen, die euch vor diesen Gefahren schützen können. Wir sind die Einzigen, die das Recht haben, die Polen zu vertreten. Wir sind als Partei die Einzigen, die den Anspruch haben auf Vertretung der wahren polnischen Identität."
    In einem solchen politischen Umfeld hat es ein transnational und anti-heroisch angelegtes Museumskonzept wie das von Pawel Machcewicz schwer. Dennoch gibt der ehemalige Direktor des Danziger "Museums des Zweiten Weltkriegs" nicht auf. Nun will er mit rechtlichen Mitteln für den Erhalt seiner Ausstellung kämpfen und dafür notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.