Miriam Wenzel, die Direktorin des Jüdischen Museums in Frankfurt am Main, war zur Zeit des Anschlags in Halle in Israel. Trotz des Feiertags Jom Kippur hatte sich dort die Nachricht schnell verbreitet. Das Entsetzen in Israel war nicht mit solcher Überraschung verbunden wie in Deutschland, sagte Wenzel, denn man beobachte in Israel seit längerem den ansteigenden Antisemitismus, besonders in Deutschland, mit großer Sorge.
Die zum Teil unterschiedliche Einschätzung des Anschlags von Halle habe in Israel auch mit politischen Meinungen zu tun. Die linksliberale Tagesszeitung Haaretz glaube zwar, der Anschlag habe einer jüdischen Gemeinde gegolten, dass aber danach ein Mensch willkürlich an einem Döner-Imbiss ermordet worden sei, bedeutete, dass er sich eben auch gegen Migranten richte. In den Netanjahu-nahen Medien werde stärker betont, dass Deutschland ein massives Antisemitismusproblem habe. Darauf müsse und könne reagiert werden, in dem man etwa nach Israel auswandere.
Wissen um judenfeindliche Angriffe in Deutschland fördern
Die Progrome gegen Juden im Mittelalter, zum Beispiel in Zusammenhang mit der Pest oder während der Kreuzzüge im 14. Jahrhundert, seien von der christlichen Kirche ausgegangen. Denn man lastete den Juden den Gottesmord, den Mord an Jesus Christus, an. Aber es habe auch massiven Antisemitismus zur Zeit der Aufklärung gegeben, viele Aufklärer seien Antisemiten gewesen, die den Juden angesichts von Nationalsstaatsbildung vorwarfen, sich säkularen Gesetzen entgegenzustellen.
Diese historischen Formen von Antisemitismus unterschieden sich jedoch von den heutigen: "Die heutige Gesellschaft heftet sich an die Vorstellung, der Staat Israel sei für das Übel der Welt verantwortlich oder Juden wollten eine globale Weltverschwörung initiieren. Das sind andere Vorstellungen." Doch in der Idee, dass Jüdinnen und Juden übermächtig seien und etwas im Geheimen steuerten, liege eine bestimmte historische Kontinuität.
Der Ausbau des Wissens um die Kontinuität und Massivität des Antisemitismus sei nötig, aber genauso wichtig sei die Empathie mit denjenigen, die diese Angriffe getroffen hätten.