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Music Supervisor
Wie Popsongs in Serien landen

Popmusik spielt in Serien schon seit Jahrzehnten eine immer größere Rolle. Aber erst seit 2017 gibt es bei den Emmy Awards einen Preis für die beste Music Supervision. "Unser Beruf wurde lange übersehen", sagt Thomas Golubić. Und viele Music Supervisor arbeiten immer noch unter prekären Bedingungen.

Thomas Golubić im Gespräch mit Sascha Ziehn |
Die Schauspieler Bob Odenkirk (m), Andrew Friedman, Michel Naughton in einer Folge der Serie "Better call Saul".
Thomas Golubić ist als Music Supervisor für die Serie "Better Call Saul" für einen Emmy nominiert (picture alliance/dpa/Foto: Nicole Wilder)
Preise für das beste Kostümdesign, das beste Casting oder das beste Szenenbild gibt es bei den Emmy Awards schon lange. Einen Preis für die beste Music Supervision vergibt der wichtigste Preis der Fernsehbranche dieses Jahr allerdings erst seit 2017. Dabei spielt der Einsatz von Musik und Popsongs, für den Music Supervisor verantwortlich sind, schon seit Jahrzehnten eine große Rolle in Serien.
Seit Serien wie "The Sopranos", "Six Feet Under", "O.C., California" oder "Grey's Anatomy" kommt kaum noch eine Serie ohne Popmusik aus. Ein passender Song kann eine Szene und das Storytelling auf eine neue Ebene heben, gleichzeitig kann ein prominent platzierter Song in einer Serie einer Band zum Durchbruch oder Charterfolg verhelfen.
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Symbiose von Serien und Playlisten
Der Kult um die Serie "Stranger Things" hatte Folgen auf Spotify. Schauspieler und tausende User legten beim Streamingdienst entsprechende Listen an: mit Filmmusik, scheinbaren Lieblingssongs der Figuren und Podcastreihen.
Dass die Leistungen von Music Supervisorinnen und Supervisorn auch dieses Jahr bei den Emmy Awards gewürdigt werden, ist u.a. das Verdienst von Thomas Golubić. Er ist Music Supervisor aus Los Angeles und verantwortlich für die Musik in Serien wie "Breaking Bad", "Better Call Saul", "Six Feet Under", "The Walking Dead" oder "Halt And Catch Fire". Und Golubić ist Mitbegründer des Berufsverbands "Guild Of Music Supervisors", dessen Präsident er bis vor kurzem war. Im Interview spricht er über die prekären Arbeitsbedingungen in seiner Branche, die Herausforderungen des Berufs und den Wert von Popsongs für gutes Storytelling.

Sascha Ziehn: Popmusik spielt in Fernsehserien schon seit Jahrzehnten eine große Rolle. Warum haben die Emmy Awards erst seit 2017 eine eigene Kategorie für die beste Music Supervision?
Thomas Golubić : Ich glaube, die TV Academy steht unter großem Druck. Es gibt so viele verschiedene Berufe in der TV-Branche, und alle wollen einen Preis und Anerkennung für ihre Leistungen. Und Music Supervisor wurden da einfach lange übersehen, weil es den Beruf noch nicht so lange gibt wie zum Beispiel Maskenbildnerinnen oder Kostümdesigner - diese Berufe gibt es schon seit fast 100 Jahren. Music Supervisor gibt es in ihrer jetzigen Form dagegen erst seit den 90er Jahren.
Das sogenannte "Goldene Zeitalter des Fernsehens" hat da eine ganz neue Ära für den Beruf eingeleitet, mit Serien wie "The Sopranos" oder "Six Feet Under". Dort hat handverlesene Popmusik eine große Rolle gespielt, das war damals einfach ein ganz neues Phänomen. In den letzten Jahren hat die TV Academy dann aber zum Glück realisiert, dass Music Supervisor mit ihrer Arbeit einen großen Beitrag zum Storytelling einer Serie leisten und auch eine eigene Würdigung verdient haben. Darüber sind wir alle sehr froh!
Golubić zum dritten Mal für Emmy nominiert
Ziehn: Hat sich der Blick auf ihren Beruf denn verändert, seit es diesen Preis bei den Emmys gibt?
Golubić: Ich wünschte, das wäre so! Die Wahrheit ist aber, dass sich wahrscheinlich nichts verändert hat. Alle Nominierten sind natürlich stolz und es ist eine Ehre, zu dieser Gruppe der besten Musik-Storyteller in der Fernsehbranche zu gehören, aber auf unser Gehalt hat sich das nicht ausgewirkt. Ich war zum Beispiel schon drei Mal nominiert und an meiner Bezahlung hat sich überhaupt nichts geändert. Tatsächlich bekomme ich mittlerweile sogar weniger, was aber an den immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Film- und Fernsehbranche liegt.
Das Gute an einem eigenen Preis bei den Emmys ist, dass man mit der Nominierung angeben und sich das in den Lebenslauf schreiben kann. Aber der Preis hat auch dazu geführt, dass die Vielfalt unserer Branche sichtbarer wird - es werden da sehr unterschiedliche Projekte nominiert.
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Ende 2013 endete die weltweit gefeierte Serie "Breaking Bad" über einen krebskranken High School Lehrer, der zum Drogenkönig aufsteigt. Der Ableger der Serie "Better Call Saul" setzt neue Maßstäbe.
Ich bin zum Beispiel dieses Jahr für meine Arbeit an der Serie "Better Call Saul" nominiert, in der wir Musik sehr sparsam eingesetzt haben, sehr pointiert, sehr gezielt. Aber auch eine Serie wie "Euphoria" ist nominiert, die ganz anders mit Musik arbeitet - dort werden Songs auch sehr clever eingesetzt, aber es läuft anders als bei "Better Call Saul" fast in jeder Szene Musik. Und dass zwei so unterschiedliche Projekte dieses Jahr nominiert sind, ist ein gutes Zeichen. Es zeigt, wie unterschiedlich die Anforderungen an den Job sein können, und dass sowohl Qualität als auch Quantität geschätzt wird. Und manchmal braucht eine Serie auch beides.
Ständig auf der Suche nach musikalischer Inspiration
Ziehn: Wie genau arbeiten Sie als Music Supervisor? Wie wählen sie Musik für Ihre Projekte aus? Hören Sie einfach ständig Musik - auf dem Fahrrad, in der Badewanne?
Golubić: Es läuft immer Musik bei mir, das ist ein großer Teil des Jobs. Wenn ich dusche, wenn ich mit dem Hund spazieren gehe, im Auto - überall. Auch auf Reisen im Ausland achte ich immer darauf, was gerade zum Beispiel in dem Laden läuft, in dem ich bin. Dank Shazam kann ich mittlerweile auch einfacher herausfinden, wie diese Songs heißen und muss nicht mehr ständig Ladenbesitzer mit meinen Fragen belästigen. Man könnte also sagen, wir holen uns von überall Inspiration und sammeln interessante Musik. Aber es ist auch wichtig, die Hintergründe der Songs zu kennen. Die Klangfarbe, den Rhythmus, die Emotionalität, die Energie und die Geschichte des Songs - auch in welcher Phase der Karriere dieses Musikers oder der Musikerin der Song geschrieben wurde. All das sind Nuancen, die wichtig sind für den Einsatz in einer Serie.
Ich würde also sagen, wir arbeiten irgendwie immer. Wir sind ständig auf der Suche nach Inspiration, packen Songs in kleine Playlisten, machen uns Notizen und versuchen dann zur richtigen Zeit diese Ideen wieder hervorzukramen und sie für effektives Storytelling zu nutzen.
Ziehn: Wie hat sich ihr Job verändert durch Streaming-Dienste wie Spotify, wo Ihnen jetzt mit einem Klick die komplette Musikgeschichte zur Verfügung steht und Sie Zugang zu Abermillionen Songs haben?
Golubić: Das ist schon ein unglaublicher Wandel. Ich bin 51, und wenn ich als Kind an neue Musik kommen wollte, dann musste ich 20 Minuten zur nächsten Bushaltestelle laufen, eine halbe Stunde mit dem Bus zum nächsten Bahnhof fahren, mit dem Zug in die Stadt fahren und hoffen, dort eine möglicherweise interessante Platten zu finden. Und dann den ganzen Weg wieder zurück, um zu Hause zu hören, ob sich diese Neuanschaffung auch wirklich gelohnt hat! Man war automatisch extrem involviert in diese Platten und hat sie sich auf ganz andere Art und Weise angehört.
"Man braucht ein effektives Zeitmanagement"
Durch den einfachen Zugang, den wir jetzt über Streamingdienste haben, hören wir Musik anders: Wir haben Tiefe durch Vielfalt ersetzt, und dadurch überhört man viele Dinge. Deshalb bin ich froh, dass ich mit diesem sehr konzentrierten Hören aufgewachsen bin und emotional so involviert war in die Musik. Jetzt rasen viele Menschen nur noch durch all diese Songs. Aber es gibt Vor- und Nachteile. Wenn man zum Beispiel nur an einem Projekt arbeitet, kann es sehr angenehm sein, weil man so viel Musik zur Verfügung hat, sich ganz darauf konzentrieren und auch mal verrennen kann.
Wenn man an mehreren Projekten gleichzeitig arbeitet, muss man mit seiner Zeit sparsamer umgehen. Und das ist in diesem Job sehr wichtig, weil er so schlecht bezahlt ist. Man muss sich immer fragen: Wie kriege ich sehr viel in sehr kurzer Zeit geschafft? Man braucht also ein effektives Zeitmanagement. Und wenn man jeden Song der Welt zur Verfügung hat, dann kann das manchmal schwierig werden.
Ziehn: Was ist ihrer Meinung nach das Wichtigste am Job? Was braucht man unbedingt, wenn man Karriere in der Branche machen will?
Golubić: Lesen ist extrem wichtig. Das klingt erstmal merkwürdig, aber wenn man ein Skript aufmerksam liest und sich wirklich in die Geschichte und das Storytelling einfühlt, dann ermöglich das ein ganz anderes Arbeiten mit den anderen Beteiligten am Projekt. Wenn man daran keinen Spaß hat oder nicht neugierig ist auf die Charaktere der Geschichte, dann wird man nicht in der Lage sein, den Verantwortlichen intelligente, durchdachte und kreative Song-Ideen zu liefern.
Music Supervision unterstützt Storytelling
Klar, wie in jeder Branche kann man sich bis zu einem gewissen Grad durchmogeln, aber ohne die Fähigkeit, das Skript und die Geschichte zu durchdringen, die dort erzählt wird, wird man nie großartige Arbeit abliefern können. Außerdem braucht man natürlich Disziplin, was das Hören von Musik angeht. Man muss gut kommunizieren können. Man muss gut organisiert sein und sich seine Zeit gut einteilen können. Es ist wirklich ein ziemlich anstrengender Job für etwas, das auf den ersten Blick so glamourös wirkt.
Ziehn: Und wie wird die Zukunft des Berufs aussehen? Werden Music Supervisor immer wichtiger werden, jetzt wo immer mehr Streamingdienste immer mehr Content produzieren?
Golubić: Genau weiß das wohl niemand. Die Corona-Pandemie hat viele selbständige Music Supervisor hart getroffen. Das hat nochmal deutlich gemacht, wie prekär die finanzielle Situation in unserer Branche ist. Und viele Music Supervisor verlassen die Branche auch, wenn sie in mein Alter kommen, so um die 50. Ihnen wird klar, dass sie mit unserem Gehalt nicht in Rente gehen können. Man kann mit diesem Einkommen kein Haus kaufen, keine Kinder großziehen. Irgendwann kommt man in ein Alter, da kann nur mit diesem Beruf kein normales Leben führen.
Prekäre Arbeitsbedingungen für Music Supervisor
Wenn die Fernsehstudios also nicht irgendwann anfangen, Music Supervisor angemessen zu bezahlen und unser Berufsbild zu unterstützen, werden immer mehr Menschen ab einem gewissen Alter die Branche verlassen und zu Plattenfirmen oder Verlagshäusern wechseln. Das ist tragisch. Ich wünschte, Leute könnten diesen Beruf bis zur Rente machen und sich dann ohne finanzielle Probleme zur Ruhe setzen. Egal ob Drehbuchschreiberin, Casting-Direktor, Produzierende, Kameraleute – all diese Berufe verdienen, anders als Music Supervisor, ein vernünftiges Mittelschichts-Einkommen. Und das Problem könnte sich verschärfen, jetzt wo durch Corona mehr Geld für die Gesundheit und die Sicherheit der Crews ausgegeben wird. Die Studios werden sich Gedanken machen müssen, wo sie Geld einsparen können, und wahrscheinlich wird es meine Branche treffen. Denn der Bereich Music Supervision ist sehr umkämpft, es gibt viel Konkurrenz und da haben die Studios es einfach, die Gehälter noch weiter zu drücken. Es könnte also bald zu einem Beruf werden, den sich nur privilegierte Menschen leisten können, die auf das Einkommen gar nicht angewiesen sind.
Aber ich bin mir aber dennoch sicher, dass der Job generell immer wichtiger werden wird. Auch dank der Emmy Awards und der größeren Aufmerksamkeit für den Beruf haben die Leute nämlich gemerkt, wie sehr eine gute Musikauswahl und der Einsatz von Songs zum Erfolg einer Serie beitragen können. Und ich hoffe, dass sie sich dann an Music Supervisor wenden, die sie bei der Musikauswahl unterstützen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.