"Der Mugam ist unsere klassische Musik. Es ist eine Musik des Ostens. Mugam ist geistige Nahrung. So, wie der Mensch Essen braucht, so braucht er auch den Mugam. Ohne diese Grundversorgung kann man nicht Mensch sein. Im Mugam kommen alle menschlichen Gefühle zusammen. Er berührt Menschen ganz unabhängig von ihrer Herkunft. Das kann so weit gehen, dass er sie zum Weinen bringt."
Alim Qasimov ist derzeit wahrscheinlich der bedeutendste Interpret für die traditionelle aserbaidschanische Musik. Gerade hat er am staatlichen Konservatorium in Baku eine Unterrichtsstunde abgehalten. Die Musik des 54-Jährigen klingt für westliche Ohren zunächst sperrig und unmelodisch, in Aserbaidschan aber ist sie große Kunst und Qasimov ein Star, für viele gar ein lebendes Nationalheiligtum. Mit der Musik hat er früh angefangen.
Alim Qasimov:
"Ich habe als Kind viel vor mich hingesummt. Andere haben gesagt "Ah, Du singst gut, du hast eine gute Stimme". Und wo immer ich einen Untergrund zum Trommeln fand, habe ich getrommelt. Auf Steinen, Briefkästen überall. Mein Vater hat das gesehen und mir meine ersten Instrumente gebaut, erst eine Handtrommel, dann eine Laute."
Erst als er erwachsen war, nahm Qasimov Unterricht am Konservatorium, spielte auf Hochzeiten und gab Konzerte. Wer heute im Mugam-Geschäft erfolgreich sein will, muss mit der Profiausbildung schon als Kind beginnen. Pike Akhundova ist Komponistin, Pianistin und Lehrerin an der staatlichen Mittelschule für musikalisch begabte Kinder. Ihre Schüler sind zwischen zehn und 17 Jahren alt. Zum Unterrichtsprogramm gehört auch der Mugam. Pike Akhundova:
"Mugam ist das Gesicht der traditionellen aserbaidschanischen Musik. Seit Jahrhunderten spielen wir ihn. Das setzt sich von Generation zu Generation fort. Der Mugam kennt keine Noten, er wird nur mündlich weitergeben. Er ist eine Improvisationsmusik. Improvisiert wird aber nur innerhalb bestimmter Grenzen. Es ist nicht so, als könne man einfach machen, was man will."
Voller Stolz präsentieren die Lehrer den elfjährigen Azar, einen kleinen, freundlichen Jungen, vielleicht ein großes Mugam-Talent. Sein Lehrer stimmt die Tar, eine langhalsige kleine Laute mit elf Saiten. Ihr Körper wird mit der Haut eines Rinderherzens bespannt. Azar spielt einen Chahagar - einen Mugam mit heroischem, männlichem Charakter. Pike Akhundova:
"Wir haben sieben verschiedene Arten von Mugam. Zum Beispiel den Rast: Er wird als Mutter aller Mugams bezeichnet. Shur hat einen fröhlichen, ausgelassenen Charakter. Bayati-Shiraz wird auch als Braut-Mugam bezeichnet. Er ist ein wenig traurig. Chargah ruft heroische, männliche Gefühle hervor: Stolz, Wachsamkeit, so etwas. Und der Mugam, der Liebesgefühle weckt, ist Segah. Jeder Mugam hat also seinen eigenen Charakter. Und natürlich wird er entsprechend diesem Charakter auch gespielt."
Jede dieser sieben Varianten wiederum besteht aus mehreren festgelegten Teilen mit festgelegten Melodieelementen. Ihre Reihenfolge, erklärt Pike Ahundova, ist genauso wenig verhandelbar wie der Aufbau eines Sonatenhauptsatzes. Wer Mugam lernt, muss sich dieses Repertoire aneignen, merken und kann dann beginnen, es mit eigenen Improvisationen zum Leben zu erwecken.
In Aserbaidschan gilt Mugam als nationales Erbe. Im Fernsehen und Radio gibt es regelmäßige Mugam-Sendungen und neue Alben werden in der Presse kritisch besprochen. 2003 wurde der Mugam in die Unesco-Liste für Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen. Das hat Aserbaidschan auch Alim Qasimov zu verdanken.
Alim Qasimov:
"Am Anfang habe ich Mugam als Broterwerb gespielt. Dann habe ich mich in diese Musik verliebt. Heute ist es mir egal, ob ich damit Geld verdiene oder nicht, aber nichts wird mich mehr von dieser Musik abbringen. Ich kann für mich ganz alleine singen und mich damit zum Weinen bringen. Der Mugam ist mein Halt im Leben."
Qasimov brach mit der Aufführungstradition. Statt Anzug und Krawatte trägt er Pullover und Hose. Er und seine Musiker setzten sich nicht auf Stühle, sondern auf den Fußboden. Quasimov singt mit geschlossenen Augen, er lässt die Zuschauer teilhaben an seinem Innenleben, wirft die Arme in die Höhe, fast scheint es ihn von seinem Sitz zu reißen. Als er damit in den 80-er-Jahren begann, strömte das Publikum zu Tausenden in seine Konzerte. Experten aber warfen ihm vor, die Regeln des Mugam zu brechen sich an der Musik zu vergehen. Alim Qasimov:
"Mugam ist meine Liebe. Und wenn ich mich mit meiner Liebe nicht so umgehen kann, wie ich will, dann ist es keine Liebe mehr. Und wenn keine Liebe da ist, ist auch das Publikum nicht mehr da. Die Leute wollen das sehen. Wenn man nicht bereit ist, so weit zu gehen, dann funktioniert es nicht."
Alim Qasimov ist derzeit wahrscheinlich der bedeutendste Interpret für die traditionelle aserbaidschanische Musik. Gerade hat er am staatlichen Konservatorium in Baku eine Unterrichtsstunde abgehalten. Die Musik des 54-Jährigen klingt für westliche Ohren zunächst sperrig und unmelodisch, in Aserbaidschan aber ist sie große Kunst und Qasimov ein Star, für viele gar ein lebendes Nationalheiligtum. Mit der Musik hat er früh angefangen.
Alim Qasimov:
"Ich habe als Kind viel vor mich hingesummt. Andere haben gesagt "Ah, Du singst gut, du hast eine gute Stimme". Und wo immer ich einen Untergrund zum Trommeln fand, habe ich getrommelt. Auf Steinen, Briefkästen überall. Mein Vater hat das gesehen und mir meine ersten Instrumente gebaut, erst eine Handtrommel, dann eine Laute."
Erst als er erwachsen war, nahm Qasimov Unterricht am Konservatorium, spielte auf Hochzeiten und gab Konzerte. Wer heute im Mugam-Geschäft erfolgreich sein will, muss mit der Profiausbildung schon als Kind beginnen. Pike Akhundova ist Komponistin, Pianistin und Lehrerin an der staatlichen Mittelschule für musikalisch begabte Kinder. Ihre Schüler sind zwischen zehn und 17 Jahren alt. Zum Unterrichtsprogramm gehört auch der Mugam. Pike Akhundova:
"Mugam ist das Gesicht der traditionellen aserbaidschanischen Musik. Seit Jahrhunderten spielen wir ihn. Das setzt sich von Generation zu Generation fort. Der Mugam kennt keine Noten, er wird nur mündlich weitergeben. Er ist eine Improvisationsmusik. Improvisiert wird aber nur innerhalb bestimmter Grenzen. Es ist nicht so, als könne man einfach machen, was man will."
Voller Stolz präsentieren die Lehrer den elfjährigen Azar, einen kleinen, freundlichen Jungen, vielleicht ein großes Mugam-Talent. Sein Lehrer stimmt die Tar, eine langhalsige kleine Laute mit elf Saiten. Ihr Körper wird mit der Haut eines Rinderherzens bespannt. Azar spielt einen Chahagar - einen Mugam mit heroischem, männlichem Charakter. Pike Akhundova:
"Wir haben sieben verschiedene Arten von Mugam. Zum Beispiel den Rast: Er wird als Mutter aller Mugams bezeichnet. Shur hat einen fröhlichen, ausgelassenen Charakter. Bayati-Shiraz wird auch als Braut-Mugam bezeichnet. Er ist ein wenig traurig. Chargah ruft heroische, männliche Gefühle hervor: Stolz, Wachsamkeit, so etwas. Und der Mugam, der Liebesgefühle weckt, ist Segah. Jeder Mugam hat also seinen eigenen Charakter. Und natürlich wird er entsprechend diesem Charakter auch gespielt."
Jede dieser sieben Varianten wiederum besteht aus mehreren festgelegten Teilen mit festgelegten Melodieelementen. Ihre Reihenfolge, erklärt Pike Ahundova, ist genauso wenig verhandelbar wie der Aufbau eines Sonatenhauptsatzes. Wer Mugam lernt, muss sich dieses Repertoire aneignen, merken und kann dann beginnen, es mit eigenen Improvisationen zum Leben zu erwecken.
In Aserbaidschan gilt Mugam als nationales Erbe. Im Fernsehen und Radio gibt es regelmäßige Mugam-Sendungen und neue Alben werden in der Presse kritisch besprochen. 2003 wurde der Mugam in die Unesco-Liste für Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen. Das hat Aserbaidschan auch Alim Qasimov zu verdanken.
Alim Qasimov:
"Am Anfang habe ich Mugam als Broterwerb gespielt. Dann habe ich mich in diese Musik verliebt. Heute ist es mir egal, ob ich damit Geld verdiene oder nicht, aber nichts wird mich mehr von dieser Musik abbringen. Ich kann für mich ganz alleine singen und mich damit zum Weinen bringen. Der Mugam ist mein Halt im Leben."
Qasimov brach mit der Aufführungstradition. Statt Anzug und Krawatte trägt er Pullover und Hose. Er und seine Musiker setzten sich nicht auf Stühle, sondern auf den Fußboden. Quasimov singt mit geschlossenen Augen, er lässt die Zuschauer teilhaben an seinem Innenleben, wirft die Arme in die Höhe, fast scheint es ihn von seinem Sitz zu reißen. Als er damit in den 80-er-Jahren begann, strömte das Publikum zu Tausenden in seine Konzerte. Experten aber warfen ihm vor, die Regeln des Mugam zu brechen sich an der Musik zu vergehen. Alim Qasimov:
"Mugam ist meine Liebe. Und wenn ich mich mit meiner Liebe nicht so umgehen kann, wie ich will, dann ist es keine Liebe mehr. Und wenn keine Liebe da ist, ist auch das Publikum nicht mehr da. Die Leute wollen das sehen. Wenn man nicht bereit ist, so weit zu gehen, dann funktioniert es nicht."