"Hello everyone!"
Eine Musik-Doku als bessere Power-Point-Präsentation. Das klingt erst einmal wenig sexy. Und sieht wenig sexy aus.
Da stehen also zwei Typen auf der Bühne, die auf den ersten Blick genauso gut der Serie "Big Bang Theory" entsprungen sein könnten …
"I am Adam" - "And I am Mike."
… zwei echte Nerds.
"Also known as Michael Diamond or Mike D."
… und dann nochmal genau hingeschaut, tatsächlich, das sind sie, die "Beastie Boys from New York City".
Jeans statt Kontaminationsanzug
Früher standen sie als bunte Knalltüten mit Sonnenbrille, Perücke, Kontaminationsanzug oder Trainingsjacke auf der Bühne, schrien in dieser unverwechselbaren "I don’t care"-Attitüde den größten Blödsinn ins Mikrofon und spritzen Bier und alles was ihnen sonst so in die Hände kam ins Publikum.
Heute, 34 Jahre nach ihrem ersten großen Hit "Fight For Your Right (To Party)", hätte man sie so ganz normal in Jeans und Pullover fast nicht erkannt. Dazu sie sind auch nur noch zu zweit:
"Because one of us isn’t here: Adam Yauch, also known as MCA. We lost him in 2012 to cancer. And when Adam died we stopped being a band."
"It just felt too weird to do the band without Yauch. Also because he started the band in the first place."
"It just felt too weird to do the band without Yauch. Also because he started the band in the first place."
In knapp zwei Stunden erzählen die beiden verbliebenen Beastie Boys - Beastie steht für "B(oys) E(ntering) A(narchistic) S(tates) T(owards) I(nner) E(xcellence)" - ihre anarchisch-exzellente Bandgeschichte.
Von den Punkanfängen 1979, der ersten Hip-Hop-Single "Cooky Puss" 1983, die eigentlich nur ein Prank war.
Pubertäre Witze gepaart mit Intellekt
Der erste große Auftritt 1985 als Vorband von Madonna, der Durchbruch kurz später mit dem Debütalbum "Licensed to Ill" unter dem Einfluss des Produzenten Rick Rubin und all die verrückten Ups and Downs, die die Band danach in mehr als 25 Jahren durchlebte.
"Something weird was happening: We were going from making fun of party bros to actually becoming those dudes."
Das gewöhnungsbedürftige Moderations-Format auf der Bühne mit aufploppenden Bildern und Clips - das "Live-Dokumentation" genannt wird, aber anfangs eben mehr an eine Power-Point-Präsentation erinnert - wirkt mit zunehmender Dauer stimmiger und enthüllt seinen Zweck. Natürlich hat sich Kult-Regisseur Spike Jonze, ein guter Freund der Band, dabei etwas gedacht.
So erzählt Mike davon, wie die drei Jungs zwischenzeitlich das wurden, worüber sie sich eigentlich lustig machten: dumme Partybros. Und Adam zitiert reumütig blödsinnige Songtexte:
"Girls to do the dishes."
"Girls to clean up my room."
"Girls to do my laundry."
"Girls and in the bathroom."
"Girls."
"Girls to clean up my room."
"Girls to do my laundry."
"Girls and in the bathroom."
"Girls."
Es wird klar: Hier reflektiert eine Band ihr jugendliches Schaffen und distanziert sich, schämt sich für Chauvinismus, Größenwahn und Ignoranz. Insofern passt es eben sehr gut, dass die beiden Ex-Beastie Boys Mike D und Ad-Rock als gealterte, reifere Männer, als Mike und Adam, selbst zurückblicken und einordnen. Und das auch ganz anders tun als bei ihren exzessiven Auftritten in der Vergangenheit.
Die natürlich aber auch Erwähnung finden:
"A lot of booze and a lot of cursing."
Kein Stillstand, immer am Puls der Zeit
Alkohol, Drogen, Schimpfwörter, ein riesiger Penis als Bühnenbild - dafür kennt man die Beastie Boys bis heute. Sie haben als weiße Jungs in den 80ern den Gangster-Rap entscheidend mitgeprägt. In den 90ern griffen sie dann auch wieder zu ihren Instrumenten und nahmen verstärkt die alten Punk-Rock-Wurzeln auf. Das sind wahrscheinlich ihre besten Song.
Später interessierten sie sich - insbesondere der verstorbene Yauch - für Buddhismus und engagierten sich für Frauenrechte oder die Freiheitsbewegung in Tibet.
Die Beastie Boys, ihre Musik, ihre Performances über mehr als drei Jahrzehnte, sind ein Spiegel des Erwachsenwerdens, ein Mix von High und Low, eine Versöhnung der Außenseiter- mit der Popkultur. Immer im Wandel, Stillstand ausgeschlossen. Das zeigt die Doku eben auch genau dadurch, dass sie im jetzigen Lebensabschnitt der Protagonisten mehr wie ein Vortrag als eine exzessive Party daherkommt.
Die "Beastie Boys Story" - es hätte ein bisschen mehr Musik sein können, alles in allem aber: sehenswert und überraschend altersweise.
"Beastie Boys Story – Live Documentary", Regie: Spike Jonze, ab 24. April auf Apple TV+