Drei Bläser und ein Trommler signalisieren zunächst aus dem hinteren Parkett, dass sich jetzt Bedeutendes ereigne. Dann meldet sich der Trupp aus einer der seitwärtigen Logen, übergibt die musikalische Stafette an das Instrumentalensemble im Graben. Ivor Bolton dirigiert vom Cembalo aus mit den Zeichen der Bemühung um größtmögliche Intensität, insgesamt mit ruhigem Grundduktus, immer wieder aber auch mit dem Willen zu beseelter Beschleunigung. Das Freiburger Barockorchester stützt seine Interpretation auf die Bearbeitung des rudimentären Notats von Claudio Monteverdi, wie es im Aufführungsmaterial von King's Music ausgedruckt wurde - reich verziert und mit Einfühlsamkeit für mutmaßlich um 1600 in Oberitalien gängige Formen der Ausführungspraxis.
Die Musik, personifiziert durch Katija Dragojevic, tritt im klassischen weißen Nachthemd vor den Vorhang und konkretisiert in wohlgesetzten Worten und mit besonders wohlklingenden Tönen, was die Trompeten bereits in allgemeiner Form ankündigten.
Die Sopranistin Dragojevic profiliert sich mit beglückender Leichtigkeit und Klarheit neben Mari Eriksmoen, die eine bildhübsche Braut abgibt, und Suzana Ograjenšek als Unterweltsgottesgattin Proserpina - aufs Vorteilhafteste auch als Götterbotin und in der allegorischen Rolle der Speranza, der Hoffnung. Doch hat neben dem Chor Orfeo den Löwenanteil des Gesangs zu bestreiten: der durchgängig nachdenklich, oft melancholisch wirkende und bald schon zu Recht mit Leidensmiene deklamierende John Mark Ainsley, ausstaffiert wie Hans Mustermann.
Orpheus tritt nicht auf, sondern liegt schon da: neben einem umgekippten Couchtischchen, einer fast leeren Flasche Gin und einer Menge Verpackungsresten von Medikamenten oder Drogen. Indem er aufsteht im wohlbürgerlichen Ambiente der 1990er Jahre, wird deutlich, dass die Ehetragödie dieses Mannes und sein Gang in die Hölle vom Ende her erzählt wird. Der Regisseur Guth weist zutreffend darauf hin, dass "verglichen etwa mit Glucks Orpheus-Oper" die Rolle der Euridice bei Monteverdi "eine geradezu grotesk kleine Rolle" sei: "Sie kommt gar nicht richtig zu Wort, sondern wird eher von Orfeo als Bild entworfen".
Christian Schmidt ließ für diesen Entwurf die Eingangshalle eines Bürgerhauses auf die Bühne bauen, in der die wuchtige Treppe zur Balustrade des Obergeschosses ins Auge sticht, die klobige Sitzgruppe und etliche Meter Bücherregalwand. Hier feiert eine ausgelassene Gesellschaft - der vorzügliche Arnold Schönberg-Chor - Hochzeit (die Frauen in Kleidern wie auf Bildern Botticellis, die Männer in modernen Anzügen). In diese feine, sterile Welt trifft die Nachricht vom allzu frühen Tod Euridices. Indem Bilder von einem Friedhof über die Wohnzimmerwand streichen, mutiert die Wohnwelt zur Hölle, in der sich Orfeo am volltrunkenen Wächter Charon vorbeiarbeitet und tatsächlich dorthin vordringt, wohin noch kein Sterblicher gelangt sei. Darin liegt dramaturgischer Widersinn, der seine womöglich "psychologisch" gemeinte Banalität auch nicht dadurch verliert, dass sich der Hauptdarsteller innig ans Geländer klammert.
Bei Hohlstellen der Inszenierung, der zum Stichwort "Tugend" bezeichnenderweise nur die leere Bühne einfällt, bleibt die Fantasie des Zuschauers sich selbst überlassen und kann leicht abschweifen. Da mag der Moment kommen, in dem er sich die Umkehrung der Theaterverhältnisse wünscht: Statt den aus Salzburg, Bayreuth und anderen deutschen Stadttheatern bekannten Treppenhäusern von Schmidt & Guth sowie den Kostümen aus der Herrenabteilung der feineren Kaufhäuser sehnt er sich nach Kulissen wie im Teatro Olimpico zu Vicenza, nach Kostümen im Stil der Entstehungszeit des Werks und nach Musik, die nicht mit Zink, Dulcian, Chitarrone, Regal, Lirone, Krummbögen und dergleichen neu gefertigten Geräten exekutiert wird, sondern von denen des guten alten Symphonieorchesters getragen sein könnte.
Naja, schließlich lässt der Regisseur Claus Guth die Entrückung des Orpheus in den Himmel durch Drogentod eintreten und die filmisch konzipierte Einstellung springt auf Anfang zurück. Schön und gut: Kurz ist das Leben, noch kürzer die Liebe und kalt der Tod. Aha.
Die Musik, personifiziert durch Katija Dragojevic, tritt im klassischen weißen Nachthemd vor den Vorhang und konkretisiert in wohlgesetzten Worten und mit besonders wohlklingenden Tönen, was die Trompeten bereits in allgemeiner Form ankündigten.
Die Sopranistin Dragojevic profiliert sich mit beglückender Leichtigkeit und Klarheit neben Mari Eriksmoen, die eine bildhübsche Braut abgibt, und Suzana Ograjenšek als Unterweltsgottesgattin Proserpina - aufs Vorteilhafteste auch als Götterbotin und in der allegorischen Rolle der Speranza, der Hoffnung. Doch hat neben dem Chor Orfeo den Löwenanteil des Gesangs zu bestreiten: der durchgängig nachdenklich, oft melancholisch wirkende und bald schon zu Recht mit Leidensmiene deklamierende John Mark Ainsley, ausstaffiert wie Hans Mustermann.
Orpheus tritt nicht auf, sondern liegt schon da: neben einem umgekippten Couchtischchen, einer fast leeren Flasche Gin und einer Menge Verpackungsresten von Medikamenten oder Drogen. Indem er aufsteht im wohlbürgerlichen Ambiente der 1990er Jahre, wird deutlich, dass die Ehetragödie dieses Mannes und sein Gang in die Hölle vom Ende her erzählt wird. Der Regisseur Guth weist zutreffend darauf hin, dass "verglichen etwa mit Glucks Orpheus-Oper" die Rolle der Euridice bei Monteverdi "eine geradezu grotesk kleine Rolle" sei: "Sie kommt gar nicht richtig zu Wort, sondern wird eher von Orfeo als Bild entworfen".
Christian Schmidt ließ für diesen Entwurf die Eingangshalle eines Bürgerhauses auf die Bühne bauen, in der die wuchtige Treppe zur Balustrade des Obergeschosses ins Auge sticht, die klobige Sitzgruppe und etliche Meter Bücherregalwand. Hier feiert eine ausgelassene Gesellschaft - der vorzügliche Arnold Schönberg-Chor - Hochzeit (die Frauen in Kleidern wie auf Bildern Botticellis, die Männer in modernen Anzügen). In diese feine, sterile Welt trifft die Nachricht vom allzu frühen Tod Euridices. Indem Bilder von einem Friedhof über die Wohnzimmerwand streichen, mutiert die Wohnwelt zur Hölle, in der sich Orfeo am volltrunkenen Wächter Charon vorbeiarbeitet und tatsächlich dorthin vordringt, wohin noch kein Sterblicher gelangt sei. Darin liegt dramaturgischer Widersinn, der seine womöglich "psychologisch" gemeinte Banalität auch nicht dadurch verliert, dass sich der Hauptdarsteller innig ans Geländer klammert.
Bei Hohlstellen der Inszenierung, der zum Stichwort "Tugend" bezeichnenderweise nur die leere Bühne einfällt, bleibt die Fantasie des Zuschauers sich selbst überlassen und kann leicht abschweifen. Da mag der Moment kommen, in dem er sich die Umkehrung der Theaterverhältnisse wünscht: Statt den aus Salzburg, Bayreuth und anderen deutschen Stadttheatern bekannten Treppenhäusern von Schmidt & Guth sowie den Kostümen aus der Herrenabteilung der feineren Kaufhäuser sehnt er sich nach Kulissen wie im Teatro Olimpico zu Vicenza, nach Kostümen im Stil der Entstehungszeit des Werks und nach Musik, die nicht mit Zink, Dulcian, Chitarrone, Regal, Lirone, Krummbögen und dergleichen neu gefertigten Geräten exekutiert wird, sondern von denen des guten alten Symphonieorchesters getragen sein könnte.
Naja, schließlich lässt der Regisseur Claus Guth die Entrückung des Orpheus in den Himmel durch Drogentod eintreten und die filmisch konzipierte Einstellung springt auf Anfang zurück. Schön und gut: Kurz ist das Leben, noch kürzer die Liebe und kalt der Tod. Aha.