Erstklässler der Franz Leuninger-Schule im hessischen Mengerskirchen sitzen im Halbkreis auf der Schulbühne. Gespannt lauschen sie Mozarts Contredance, um ja nicht ihren Einsatz zu verpassen.
"Wenn man sich die Kinder angeschaut hat, mit welcher großen Inbrunst die mitgespielt haben und wie sie sich auch konzentrieren müssen. Diese große Konzentration wirkt sich enorm auf alle Fächer aus und können auch viele Dinge, die Kinder auch stören, andere Geräusche, können sie ausblenden und können sich wirklich auf eine Sache gut einlassen", beobachtet Elmar Nink, Musiklehrer an der Franz-Leuninger-Schule, die sich vor zwei Jahren als Musikalische Grundschule zertifiziert hat. Musik durchzieht hier konsequent den Schulalltag. Schulleiterin Nicole Schäfer: "Wir haben gemerkt, je mehr Musik wir hier an der Schule machen, desto fröhlicher ist das Lernen hier, desto lieber kommen die Kinder und es tut allen gut, soviel Musik."
Mehr Musik wird vermittelt von mehr Lehrkräften in mehr Fächern zu mehr Gelegenheiten. Diese 4 M`s sind der gemeinsame Wegweiser für die Musikalischen Grundschulen. Sie wurden von der Universität Kassel evaluiert und zuletzt von Professor Andreas Lehmann-Wermser an der Universität Bremen. Er hat mit seiner Forschergruppe Musikkoordinatoren, Experten aus den Fortbildungen und Beteiligte aus den Schulaufsichtsämtern befragt, die für die Zertifizierung der Musikalischen Grundschulen zuständig sind. Das Fazit seiner Nachhaltigkeitsstudie lautet: "Dass diese 4 M`s weiter in den Schulen verfolgt werden: Also die Kollegen und Kolleginnen, die wir befragt haben, haben gesagt, ja, das bleibt dabei, wir haben mehr Musik zu mehr Gelegenheiten. Die schwächeren Bereiche sind auch erhalten geblieben: Also, es ist offensichtlich an den Schulen schwierig, mehr Fächer einzubeziehen. 90 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer sagen, wenn wir dieses Programm nicht hätten, dann würden weniger Schüler und Schülerinnen mit Musik in Kontakt kommen."
Musik nutzen, um andere Prozesse zu unterstützen
Das hessische Kultusministerium hatte das Konzept der Musikalischen Grundschule 2005 gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung entwickelt. An rund 100 hessischen Schulen werden seitdem Musiklehrer zu Musikkoordinatoren ausgebildet. Sie geben ihren Kollegen ein Instrumentarium an die Hand, wie sie mit musikalischen Elementen zum Beispiel den Deutsch- Mathe- oder Sachunterricht bereichern können. Auch Schulkonferenzen gehen seitdem nicht mehr sang- und klanglos über die Bühne. Die Musikalischen Grundschulen in mittlerweile sechs Bundesländern sind zudem gefordert, auf aktuelle bildungspolitische Herausforderungen zu reagieren, betont Dr. Ute Welscher von der Bertelsmann-Stiftung. "Das ist auch das, was für uns natürlich als Stiftung besonders erfreulich ist, dass wir sehen, dass einerseits die Schulen vor riesigen Herausforderungen stehen, die Inklusion oder auch den Ausbau des Ganztags. Und dass aber die Schulen selber merken, dass so ein Konzept wie die Musikalische Grundschule sie dabei unterstützt. Dass es also nicht eine weitere Herausforderung ist oder ein weiterer Anspruch: Jetzt sollen wir auch noch mehr Musik machen, sondern sie die Musik nutzen, um andere Prozesse, um die Inklusion, den Umgang mit Vielfalt, individuelle Förderung an ihren Schulen zu unterstützen."
Das bestätigen auch die Untersuchungen von Prof. Andreas Lehmann-Wermser: "Wir sehen schon in verschiedenen Evaluationen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, dass dieser musikalische Bereich ein großes Potential hat für Integration und da wo KollegInnen das nutzen können, da gibt es in der Tat Effekte von mehr Zusammenhalt, dass SchülerInnen mit Migrationshintergrund sich auch mehr einbringen können."
Ein Medium, um ein Gemeinschaftsgefühl zu stärken
Auch Inklusionsschüler profitieren von der Musikalischen Grundschule. Nicole Schäfer, Leiterin der Franz Leuninger-Schule in Mengerskirchen: "Wir haben auch ganz viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf: Wir haben Kinder hier aus 20 Nationen, da ist Singen, da ist Musik ein Medium, um ein Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Kinder, die manchmal nicht fünf Minuten still sitzen können, schaffen es, eine Stunde im Chor konzentriert zu arbeiten. Kinder, die aus Psychiatrien kommen und dort als nicht beschulbar gelten, singen hier bei uns im Chor mit."
"Jeder Mensch hat seine Stärke und jeder kann was gut. Und jeder hat auch seine Schwächen, da machen wir ihm Mut. Jeder Mensch ist ganz besonders, ja das ist doch wunderbar, so sind wir 'ne starke Mannschaft, sind füreinander da. Ja, ob kleine Kinder große Kinder, alle stimmen ein, mit dem Herz in der Hand und Franz Leuninger im Geist stehen wir füreinander ein."