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Musikalisches Liebestrio

Mit Ende 50 ist Giuseppe Verdi seit Jahren verheiratet, als er sich in eine junge Sopranistin verliebt. Die aus drei Perspektiven erzählte Dreiecksgeschichte bildet den Kern von "Verdis letzte Versuchung", dem neuen Roman der auf biografische Themen abonnierten Autorin Lea Singer.

Von Holger Notze |
    Es spricht: Giuseppina Strepponi. Einst eine gefeierte Sängerin, nach kurzer strahlender Karriere und einem unsteten Liebesleben dann Gesangslehrerin in Paris. Giuseppe Verdi, auf dem Weg zum baldigen Weltruhm, wird ihr Geliebter und ihr Mann. Zwölf Jahre leben sie in einer tapfer gegen alles Gerede verteidigten wilden Ehe, erst 1859 wird geheiratet. Es spricht also: Giuseppina, genannt Peppina Verdi:

    "Bisher habe ich jedem versichert, ich sei stolz darauf, von der Primadonna auf der Opernbühne zur Hausfrau aufgestiegen zu sein, die Verdi die Koffer packt und dafür sorgt, dass ihm nirgends ein Knopf fehlt. Ich habe es glaubhaft versichert, ich habe daran geglaubt. Jetzt auf einmal spüre ich, dass ich ihm dadurch ausgeliefert bin. - Bin ich das? - Ich werde schreiben. Wenn ich schreibe, dann bin ich besonnen. Keiner, der meine Briefe liest, ahnt etwas von dem, was in mir vorgeht, wenn die Nacht kommt. Wenn ich wach werde und die Gespenster auftauchen. Morgen schreibe ich, morgen Nacht." (Giuseppina, 13)

    Keiner ahnt, was in ihr vorgeht, sagt Giuseppina, schreibt Lea Singer, die diesen Namen wählt, wenn sie keine Biografien, sondern biografische Romane schreibt. Der neueste heißt "Verdis letzte Versuchung". Die Versuchung, von der wir annehmen wollen, dass es seine letzte war, trat wohl 1869 in das Leben des inzwischen schon ganz weltberühmten Komponisten, als die 35-jährige böhmische Sopranistin Terezie Stolzovà an der Scala in Mailand die Leonora in "La forza del destino" sang. Verdi fand, sie singe wie ein Engel. Sie wurde seine Aida, für sie schrieb er das Sopransolo im "Requiem", mit dem er eigentlich aufhören wollte, noch Noten zu schreiben. Am Ende schenkte er ihr das Autograf, und als es mit ihm zu Ende ging, 1901, in seiner Suite im feinen Grand Hotel Milan, da war Teresa dabei. Teresa Stolz, so ihr Bühnenname, die Stolz war, soviel ist klar, nicht nur die wichtigste Verdi-Stimme ihrer Zeit, sie war auch wichtig im Leben Verdis.

    Von ihrem Verlobten, dem für Verdi ebenfalls wichtigen Dirigenten Angelo Mariani, trennte sie sich, ihre Verbindung zu Verdi aber wurde enger, sie war Dauergast auf seinem Gut Sant'Agata, man schrieb sich Briefe. Und natürlich gab es Gerüchte über eine Liaison. Im großen dicken Verdi-Handbuch steht das so, und dass zwar ein Beleg für eine solche Beziehung fehle, man aber aus Giuseppina Verdis Aufzeichnungen schließen könne, dass es wegen der Stolz zu einer Ehekrise kam.

    Tatsächlich gibt es da erschütternde Dokumente von Traurigkeit, auch von gelegentlicher Garstigkeit, wenn Signora Verdi einen Zettel auf die neueste Post der Stolz legt: "16 Briefe! In kurzer Zeit! Wie fleißig"

    Das ist, ungefähr, was wir wissen aus den vielen Biografien des viel beschriebenen Mannes Verdi. Man könnte es dabei belassen: kein Beleg, wir wissen nicht mehr. Aber: es wird schon was gelaufen sein zwischen dem alternden Komponisten und der 21 Jahre jüngeren, bald ein wenig drallen Sängerin, die es aus dem böhmischen Elbkosteletz auf die Bühnen der großen Welt verschlug. Man könnte es dabei belassen, man kann es aber nicht. Denn das Nichtwissen gebiert Phantombilder, und die sind letztlich stärker als alle historisch-kritische Keuschheit. Stärker, weil sie präzise ausmalen, was die einmal Lebenden unter allen Umständen geheim halten wollten. Das Geheime ist nun aber einmal das Interessante. -

    Verdi und Wagner, die berühmtesten Opernkomponisten ihrer Zeit, stilisiert zu Repräsentanten der italienischen und deutschen Musik schlechthin, sie sollen sich zeitlebens nie begegnet sein? Wo doch Wagner so oft in Italien war und beide Paris erobern wollten? Undenkbar! Und weil es undenkbar ist, weil die biografische Fantasie unter allen Umständen ein Doppelporträt der beiden Helden der Oper sehen will, liefert die Literatur, was das Leben nicht liefert. So wurde Franz Werfels "Verdi. Roman der Oper" 1924 zum Erfolg, die adjektivgesättigte Beschreibung einer späten Begegnung von Wagner und Verdi in Venedig, und war es auch nicht wahr, so doch gut erfunden, und alle Historiker, Philologen, Musikwissenschaftler, Pfennigfuchser konnten und können daran nichts ändern. Warum sollte man auch? Werfels "Verdi" hat für das Interesse an dem von der teutonischen Musikwissenschaft gern als Leierkastenmusiker geschmähten Komponisten viel getan.

    Wenn also, 90 Jahre nach Werfel, in Lea Singers Roman die depressive Giuseppina Verdi sagt, dass ja niemand ahne, was in ihr vorgehe, wenn die Nacht kommt und dass sie genau das aber aufschreiben müsse, dann vollzieht sich hier das Urgesetz des Biografieromans und natürlich auch der Biopics im Kino oder Fernsehen: Das, was niemand ahnt und keiner sehen soll, einer neugierigen Nachwelt zur Sprache zu bringen und sichtbar zu machen. Wir wollen doch dabei gewesen sein, und wenigstens an der Wand gehorcht haben:

    "Verdi ist losgefahren. Als er mit ihr zurückkam, als ich durchs Fenster sah, wie sie aus unserer Kutsche stieg und wie er ihr dabei die Hand reichte, habe ich an den Rand meines Kalenders geschrieben, was ich nicht sagen konnte: ‚Das ist der traurigste Augenblick meines Lebens. Signora Stolz kam heute an. Sie strahlt. Aber vor mir ist nichts als Dunkelheit, Dunkelheit, Dunkelheit.' - Und nun? - Höre ich ihn und sie durch die Wand. Er spricht nicht, sie spricht nicht. Sie schreien oder stöhnen auch nicht. Er spielt Klavier, sie singt. Da ich die Partitur zu der neuen Arie kenne, weiß ich, was er spielt: Oboe. Das soll diese Melodie sein, diese Sehnsuchtsmelodie, die aus Aidas Erinnerung aufsteigt. Der Erinnerung an ihre Heimat. Zum Weinen schön - sollte sie sein. Verdi hat immer miserabel Klavier gespielt. Nur deswegen ist er vor bald vierzig Jahren am Konservatorium durch die Aufnahmeprüfung gefallen. Zu Recht, völlig zu Recht." (Giuseppina, 106)

    Man kann hier ganz schön sehen, wie die Überblendung von Fakten und Fiktionen funktioniert: Ja, Verdi wurde 1832 vom Konservatorium in Mailand abgelehnt, und er war wohl kein brillanter Pianist. Und auch dies: Die Bemerkung, die Ankunft von Teresa Stolz sei der traurigste Augenblick ihres Lebens, "Dunkelheit, Dunkelheit, Dunkelheit" hat sie so in ihren Kalender eingetragen. Überhaupt gilt: Lea Singer hat für ihre Rekonstruktion - oder auch: Konstruktion - dieser Dreiecksgeschichte die Quellen wohl studiert. Elegant fließen so Giuseppes oder Giuseppinas Sätze aus Briefen in den Text ein, und doch macht gerade die Eleganz des Verfahrens ein Unbehagen. Mit den Techniken des Dokudramas oder der Dokusoap sind wir Fernsehgucker schon lange so vertraut, dass einen die Verwandlung des Dokumentarischen in etwas Fiktionales kaum aufregen muss. Die Wege der Wahrheitsfindung sind vielfältig und verschlungen. Doch die Frage bleibt, ob es hier überhaupt um Wahrheitsfindung geht, ob wir als alles verstehende oder auch besser wissende Nachwelt nicht eben das in das Gerüst der vorhandenen Quellen hineinsehen, was uns von da dann als Vertrautes zurück ansieht: Eben dies ein Kennzeichen trivialbiografischer Annäherung an die Großen von einst: Sie einerseits in die Ferne historischer Größe zu entrücken, um sich ihnen dann, in der anekdotischen Protokollierung ihren kleinen Schwächen, ganz nah fühlen zu dürfen. Verdi konnte nicht gut Klavier spielen, ich kann es auch nicht, siehste.

    "Sie strahlt. Aber vor mir ist nichts als Dunkelheit, Dunkelheit, Dunkelheit", so steht es tatsächlich in Giuseppinas Kalender, so steht es in Lea Singers Roman, und wenn auch mal ein Name falsch geschrieben erscheint oder ein Sachverhalt ungenau, man kann der Autorin nicht vorwerfen, sie hätte das Leben Verdis nicht studiert oder das Faktengerüst verändert. Doch man höre dem Zitat noch ein wenig hinterher: Das authentisch biografische Dokument ist ja selbst eine Stilisierung, eine theatralische Äußerung, wie so Vieles aus dem vielen Material an Briefen, Tagebüchern, Autobiografien und sonstigen Selbsterklärungstexten, die das 19. Jahrhundert hervorgebracht hat und an denen sich die biografische Enthüllungsliteratur der Nachwelt gern bedient, mit bisweilen fast pornografischem Interesse an dem, was man durch die Wand hören kann, durchs Schlüsselloch erspähen kann.

    Das Drama dieser Ehe, diese Geschichte über die Bitterkeit des Alters, ist eine dreistimmige Invention. Wir hören Teresas helle Aufregung, ihre Verwirrung über des alten Verdis Verwirrung und über die vergifteten Freundlichkeiten, mit der ihr die Gattin begegnet. Und wir hören, drittens, den alten, berühmten, müden, meist schlecht gelaunten Mann Verdi:

    "Sie kommt mir mit lächerlichen Eifersuchtsdramen, als hätte ich nicht genug Lächerlichkeiten am Hals. Schreibt mir doch der Direktor des Theaters in Triest und lädt mich zur Premiere der Aida ein! Als Gast! Gelte ich denn als Scharlatan, als Bajazzo, der die Trommel schlägt und schreit: Hereinmarschiert, hereinmarschiert! Bin ich ein Zirkuszwerg oder ein Zirkusriese? Bin ich eine weiße Elefantenkuh oder ein Orang-Utan, die man zur Schau stellt? Sie wollen mich am Nasenring vorführen in der Ehrenloge! Während ein anderer unten herumfuchtelt, als wäre er autorisiert. Die bilden sich ein, der könne mein Machwerk besser dirigieren als ich, der es geschrieben hat. Idioten sind das, verfluchte Idioten." (Verdi, 171)

    Ist es Verdi? Ist es Singer? Es ist jedenfalls kein starker Text. Verdi hat meist besser geschimpft. Es gibt keine Erzählerstimme, die uns die nötigen Zusammenhänge und Kontexte liefert, man liest Monologe dreier Figuren, ohne dass klar würde, zu wem sie reden: Sind das fiktive Tagebucheinträge, sind es innere Monologe? - Was immer man sich dazu denken mag: Die Ambition, keinen schnöden Sachtext, sondern etwas Literarisches zu formulieren, kollidiert gelegentlich mit den Sachzwängen der Informationspolitik, denn wir Leserinnen müssen ja wissen, wer wer ist, was warum war. Die Folge ist, dass Giuseppina, Verdi und Teresa bei ihren Reden irgendwie immer auf uns schielen, ob wir es auch verstanden haben. Insgesamt gibt es da einen Hang, das Wichtige nicht nur immer wieder zu sagen, sondern auch mit Symbolen zu beladen. Wäre es Musik, würde man sagen: etwas überinstrumentiert. Dauernd muss es einem wie Schuppen von den Augen fallen und Leitmotive werden strapaziert, als wären wir bei Wagner: Patiencelegen (Geduld! Zufall!) - Uhr (verpasste Gelegenheit!) - ein Holzwurm (wo was wurmt) - Lamm (Opfer!) - und der Dreiklang, aber auch Tritonus, jenes Intervall von drei Ganztönen, das den Alten als "diabolus in musica" galt, für die teuflische Dreierkonstellation, aus der da drei nicht herausfinden. Und immerzu müssen sich Singers Figuren erklären - nein, nicht sich müssen sie sich erklären, sondern uns. Warum tat Verdi seiner Frau, die ihn abgöttisch liebte, das an?

    "Ja, es belebt mich, dass es diese Frau gibt, die mich versteht. Ohne dass sie dauernd schmerzlich dreinschaut und seufzt: Ach ja, ich verstehe! Wer außer mir versteht mich schon! Wer kann schon verstehen, was du eigentlich meinst! Ohne dass sie dafür aus Schiller, Cicero oder Dante zitieren muss. Teresina ist eigentlich eine Bauersfrau. Eine Bauersfrau mit einer großartigen Stimme. Sie geht mit dieser Stimme um wie eine Bäuerin mit ihrer einzigen Milchkuh. Sagt sich: gut füttern, gut pflegen, nicht zu viel melken, damit sie lange lebt." (Verdi, 202)

    Teresa, die Sängerin mit dem unkomplizierten Humor und der Natur einer Melkerin, abergläubisch wie ein Mädchen vom Land, sie hat wohl etwas Sonnenlicht und frische Luft in das funzelige Salongefängnis gebracht, in das Verdi als großer Mann geraten war, und aus dem er sich, etwa mit dem penetranten Hinweis, er sei ja selber bloß ein Bauer ohne Bildung, gern heraus stahl. Zwischen der Sommerresidenz in Genua, den Geschäftsfahrten nach Mailand und Paris findet sein Leben in dem etwas künstlichen Paradies des Guts Sant'Agata statt, wo übrigens fast nie Musik zu hören ist.

    Um Musik aber sollte es doch vor allem gehen, wenn man sich mit dem Komponisten Verdi beschäftigt. Er war ein nationales Idol, ein knallharter Geschäftsmann, als Stifter eines Krankenhauses und des Sänger-Altersheims in Mailand ein öffentlicher Wohltäter, interessant aber ist seine Musik. Vielleicht hört man das "Et lux perpetua" des Requiems, Aidas "Nilarie" wirklich mit anderen Ohren, wenn man weiß, dass er diese Wunder für eine Stimme komponierte, die ihn in seiner Einsamkeit erreichte. Für einen Roman, der "Verdis letzte Versuchung" behandelt, ist es auch ergiebig, die Lebenskonstellation im Werk abgebildet zu finden. Denn natürlich ist "Aida" eine Dreiecksgeschichte: Der gleiche Radamès wird von der äthiopischen Sklavin beziehungsweise Königstochter Aida geliebt, aber auch von der ägyptischen Prinzessin Amneris, die, als sie sich abgewiesen sieht, den Geliebten verrät. Kein Wunder, dass Giuseppina über Amneris nachdenkt. Es ist interessant und unterhaltsam, den möglichen biografischen Hinter-und Untergründen nachzuspüren, die den großen schlecht gelaunten Menschenkenner Verdi bewegt haben mögen. Nur: Mit Blick auf das, was der Musikdramatiker Verdi da nicht nur in schönen Tönen, sondern mit dem Anspruch auf Gültigkeit, ja Wahrheit künstlerisch formulierte, erweist sich die Affäre Stolz, so wichtig sie für seinen Gefühlshaushalt sein mochte, als Banalität.

    Und dennoch, und wenn sich eine gewiefte Biografin nun schon unter Pseudonym die Freiheiten einer Romanautorin nimmt, dann wollen wir nun auch wissen, wovon das seriöse Verdi-Handbuch nichts wissen darf: Haben sie nun, Giuseppe und Teresina, oder haben sie nicht? Sagen wir so, und um den Spaß nicht zu verderben: Lea Singer führt uns gewagt nah an die möglichen Tatorte heran. Doch eine Sexszene auf einem Sofa in Mailand bleibt uns erspart. Falls die Filmrechte an "Verdis letzte Versuchung" schon verhandelt sind, sollte man sich dennoch auf alles gefasst machen.

    Das Buch zum Film enthält sich, das ist schön, der Schlüpfrigkeiten, und entschädigt mit Psychologie. Singer schlägt nämlich Funken aus dem merkwürdigen realbiografischen Datum, dass sich Verdis späte Frauen, Peppina und Teresina, am Ende wohl ganz gut verstanden haben. Für Giuseppina ist das Auftauchen einer jüngeren Rivalin ein Schock, und sie weiß nur eines: Wenn sie ihren Verdi nicht verlieren will, darf sie keinen Fehler machen, keinen Druck, keine Szene. Der Blick durchs romanbiografische Schlüsselloch gewährt beklemmende Einsicht in das Leidensheldinnentum und die Geheimdiplomatie einer Gattin der guten Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Diese Giuseppina kann einem leidtun, sie kann einem aber auch sehr auf die Nerven gehen, und dass sie ihrem Verdi auf die Nerven ging, kann man auch verstehen. Sie leidet schweigend, sie fragt nicht. Teresa kann das nicht verstehen:

    "Nie hat sie mich gefragt, wann und wo wir uns gesehen haben in Mailand oder Cremona oder Tabiano. Kein einziges Mal. Ihn hat sie wohl auch nie gefragt. Nie hat sie mich gefragt, ob wir zueinander Du sagen, wenn wir allein sind. Und ich auch nicht. Nie ist sie ihm nachgereist, wenn er zu Blitzbesuchen nach Mailand kam. Sie reist ihm immer noch nicht nach. Bei den Proben zum Requiem vor fünf Jahren war sie niemals anwesend und bei den Proben jetzt auch nicht. Sie lässt ihm sein Dunkel. Obwohl ich oft merke, dass es sie quält, lässt sie es ihm." (Teresa, 266)

    Am Ende dann noch eine echte Theaterszene, fast eine Versöhnung: Giuseppe, Giuseppina, Teresa in einem Zimmer, am Tisch. Giuseppinas Umarmungsstrategie, die sie so tapfer wie nervtötend durchgehalten hat, sie verwandelt sich in eine Umarmung, oder doch die Andeutung davon. Giuseppe spricht:

    "Ich brauche zwei, die sich miteinander freuen. Heute hört es sich so an. Heute, zum ersten Mal. Ich riskiere es jetzt. Bedingungsloses Vertrauen. Ich lasse die Lider geschlossen. Die anderen werden denken: Der Alte wird müde. Sollen sie das denken. Ich riskiere es. Jetzt. In diesem Augenblick. Blind vertrauend. Ich reiche Peppina meine rechte Hand und Teresina meine linke. Unter dem Tisch, versteht sich." (Giuseppe, 262)

    Die Liebe, lernen wir von Giuseppina, ist keine Torte, von der sich jede und jeder was abschneiden kann. Wenn wir die Liebe wie eine Torte behandeln, sagt sie, schreibt Singer, dann ist sie bald zu Ende.

    Wäre "Verdis letzte Versuchung" eine Oper von Verdi, dann würden hier Geigen in hoher Lage tremolieren und Harfen den Blick in den Himmel öffnen. So guckt man auf die Torte und denkt es sich dazu.

    Übrigens ist Verdis Mustergut, mit Teichen und seltenen Bäumen und einer Scheune voller Luxuskarossen, heute ein Verdi-Museum. Man kann aber nur einen Teil besichtigen, weil immer noch Nachfahren der Familie dort wohnen. Auch in der nahen Stadt Busseto gibt es eine Gedenkstätte, das Haus von Verdis Gönner und erstem Schwiegervater Antonio Barezzi. Und nur in diesem anderen Museum erfährt man, was in Sant'Agata ausgeblendet wird: Der Name Teresa Stolz darf da nicht einmal ausgesprochen werden. Im Museumsshop von Sant'Agata wird man Lea Singers Buch also vergeblich suchen, oder höchstens "unter dem Tisch". Aber ein ganz großer Schaden ist das nicht.

    Lea Singer: Verdis letzte Versuchung.
    C. Bertelsmann. München 2012. 270 Seiten