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Musiker auf Deutschlandtour

Man würde ihn heute einen Promoter oder Netzwerker des Musikbetriebs nennen: Ferdinand Hiller – Pianist, Komponist, Organisator, Feuilletonist. Er wirkte an vielen Orten in Deutschland, zuletzt leitete er die Gürzenich-Konzerte in Köln und gründete die Rheinische Musikschule.

Von Georg-Friedrich Kühn | 24.10.2011
    Seiner Musik begegnet man in Konzerten heute nur noch selten. Auch im CD-Katalog findet sich unter seinem Namen fast nichts. Dabei war er zu seiner Zeit - als Pianist, Dirigent, Komponist - einer der bedeutendsten Musiker. Am erfolgreichsten mit seinem zweiten Klavierkonzert.
    Das Musikleben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war geprägt vom Widerstreit der Konservativen und der sogenannten "Zukunftsmusiker". Richard Wagner und Franz Liszt zählte man zu diesen "Neudeutschen", Felix Mendelssohn, Robert Schumann und Johannes Brahms zu den Konservativen, auch Ferdinand Hiller.

    Dabei war Beethoven der Heros aller. Wagner konnte ihm nur eine dichterische Pilgerreise widmen. Hiller lernte ihn noch persönlich kennen. In einem Gedicht auf Beethoven schrieb Hiller 1850, den Kult um den Titanen mitorchestrierend:

    "Erhaben über der irdischen Macht,
    Der Mächtigsten, thronet der Genius,
    Mächtiger denn sie alle!
    Er allein entzündet die Herzen,
    Er allein beherrschet die Seelen,
    Er ist der König der Geister!"


    Geboren wurde Ferdinand Hiller am 24.Oktober 1811 in eine jüdische Kaufmanns-Familie in Frankfurt am Main. Früh lernte er Klavier, Geige, Musik-Theorie. Bereits als Zehnjähriger debütierte er als Pianist.

    1825 kam er zum damaligen Meister-Pianisten Johann Nepomuk Hummel nach Weimar, begegnete dort Goethe und Eckermann. Auf der Reise mit Hummel nach Wien traf er neben Beethoven auch Franz Schubert, Franz Grillparzer und Ferdinand Raimund.

    Hummel empfahl Hiller 1828 nach Paris, wo er in den Salons mit den dortigen Berühmtheiten bekannt wurde: Cherubini, Rossini, Meyerbeer, Berlioz, Liszt, Heine, Börne, Balzac, Victor Hugo. Besonders eng wurde Hillers Beziehung zu Chopin.

    Ihm widmete er nach dessen Tod 1849 ein von Lobeshymnen durchwebtes Gedenkkonzert, das mit den Worten endete:

    "Er war vollendet, hat vollendet,
    So ist er doppelt selig zu preisen,
    Denn ewig leben wird er hier wie dort."


    Erste berufliche Schritte hatten Hiller zu Frankfurts Cäcilienverein geführt. Er versuchte sich als Opernkomponist in Italien, übernahm Gewandhaus-Konzerte von Mendelssohn in Leipzig, siedelte 1844 über nach Dresden, wo er Schumann und Wagner kennen lernte.

    1847 wurde er Kapellmeister in Düsseldorf, engagierte sich '48 im Frankfurter Paulskirchen-Parlament und ging 1850 nach Köln. Bis zu seinem Tode 1885 lebte er hier, leitete die Gürzenich-Konzerte, gründete die Rheinische Musikschule und organisierte die Niederrheinischen Musikfeste.

    1868 wurde er Ehrendoktor der Universität Bonn, 1875 geadelt. Max Bruch und Engelbert Humperdinck gelten als seine bedeutendsten Schüler. Auf 200 Opus-Zahlen summiert sich sein Œuvre - Opern, Oratorien, Kammermusik -, fast alles vergessen bald nach seinem Tod.
    Bedeutend bis heute sind seine Feuilletons, in denen er das Musikleben seiner Zeit beschrieb, den Antisemitismus geißelte, sich fragte, was aus dem Musikland Italien werde ohne einen Verdi, oder den Frankfurter Arzt und Kinderbuch-Autor Heinrich Hoffmann feierte.

    "Von Königsberg bis München müßten die nettesten Knaben und Mädchen ausgesucht und auf Reichskosten nach der Goethe-Stadt befördert werden, wenn man dem Verfasser des 'Struwwelpeter‘ gerecht sein will."