"Once apart" heißt dieses melancholische Stück, es ist einer von neun Songs, die die gebürtige Kölnerin und Wahl-Hamburgerin Josin für ihr erstes Album schrieb. Josin liefert eine One-Woman-Show: Sie spielt ihre Song selbst ein, sie singt, produziert, dreht das Video dazu , schneidet und bearbeitet die Clips nach.. Dabei wollte und sollte die Tochter eines Opernsängerpaars – er Bariton, sie Mezzosopran – eigentlich Medizin studieren. Denn was Josin an Songs fabrizierte, gefiel den elterlichen Gesangsspezialisten zunächst medioker.
Josin: "Mein Vater kam oft dann ins Zimmer rein, wenn ich am Klavier saß, wenn ich was gesungen hab‘, und hat dann liebevoll aber scherzhaft gesagt: ‚Kindchen, das ist doch kein Gesang, was du hier machst, das ist dir schon klar, ne?‘ Aber du kriegst total viel mit, über Stütze, und wo man den Gesang bildet, es sind auch ständig Geräusche im Haus, diese Summen, definitiv, das kriegst du einfach mit."
Die Melancholie kultiviert
Trotzdem beugte sich Josin vorerst dem elterlichen Wunsch - um nach wenigen Semestern zu begreifen, dass ihre Leidenschaft für Musik, im Speziellen für sehnsüchtige Musik, nicht aus ihr herauszukriegen war. Josin brach das Studium ab und bewegt sich seitdem in ihren Texten und den Arrangements auf einem schmalen Grat zwischen Melancholie und Optimismus. Aber vielleicht hängt ja genau diese musikalische Gratwanderung doch wieder mit ihrer Erziehung zusammen.
"Die Melancholie gehört zu meinem Leben, und lustigerweise hat mich irgendjemand, ich glaube ein Freund von mir, mal darauf aufmerksam gemacht, dass das ja das Thema der Oper ist. Und vielleicht habe ich wirklich von meinen Eltern insofern was mitgekriegt, als dass in der Oper ja sehr oft dieses Motiv der unerwiderten Liebe, der Sehnsucht und Melancholie irgendwie... also vielleicht habe ich das wirklich irgendwie einfach sehr kultiviert, dieses Gefühl."
Die Musikerin, die jahrelang Klavier gelernt hat, und die Samples zu ihren Drumsounds teilweise sogar selbst mit Schlagzeugbesen auf der Schreibtischplatte einspielt, um organischer zu klingen, schreibt bewusst keine klassischen Popsongs mit Refrain zum Mitgrölen. Sie malt den Zuhörern stattdessen das auditive Bild einer inneren Landschaft – wie im Song "Once apart", in dem es um die Schwierigkeit geht, in einer Beziehung die richtige Distanz zu finden. Josin beschreibt diesen Zustand eher abstrakt – um ihre Gefühle global verständlich zu machen.
"Es ist ja oft einfach irgendwie so eine emotionale Welt, die angerissen wird und die Interpretation überlasse ich dann dem Zuhörer so’n bisschen. Also ich finde nicht, dass ich so viele Lösungen zu den Rätseln gebe. Das sind Emotionen, die auch in anderen Menschen sind und von denen ich hoffe, dass sich andere Menschen da wiederfinden."
Spirituell ohne jegliche Esoterik
Die Songs auf "In The Blank Space", in denen die Musikerin sich nach Eigenaussage "wirklich ausgetobt hat", schimmern in schönen, kalten Soundnuancen - wie ein nordischer Herbstmorgen. Und haben dabei durchaus etwas Spirituelles – jedoch ohne jegliche Esoterik.
Im Herbst wird Josin mit ihrem Debütalbum auf Tour gehen: ganz allein mit Keyboards, Samples und Presets wird sie in verschiedenen deutschen Städten auf der Bühne stehen. Wenn man will und sich auf sie einlässt, kann man aus ihrer angenehm chartsuntauglichen, zwischen Björk, Radiohead und Massive Attack eine eigene Kategorie bildenden Musik sogar ein bisschen Hoffnung heraushören – auf die Liebe, auf die Zukunft, auf das Glück. Denn erst Melancholie, so heißt es in einem Sprichwort, lässt einen den Zustand des Glücks wirklich schätzen.