Archiv

Musikerin Mer Ayang
(K)ein Leben im zerrissenen Südsudan

Nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs erlangte der Südsudan 2011 die Unabhängigkeit. Millionen Südsudanesen kamen mit Aufbruchstimmung zurück. Doch vor sechs Monaten versank das Land erneut im Krieg. Die Sängerin Mer Ayang ist ein talentierte Musikerin, die auch zurückgekommen ist. Ob sie bleiben wird, weiß sie noch nicht.

Von Benno Müchler | 24.06.2014
    Südsudaneische Flüchtlinge (Volksgruppe der Dinkas) sind mit ihren Habseligkeiten unterwegs.
    Südsudaneische Flüchtlinge (Volksgruppe der Dinkas) suchen eine Unterkunft im Flüchtlingslager (dpa/picture alliance/Jm Lopez)
    Nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs erlangte der Südsudan 2011 die Unabhängigkeit. Millionen Südsudanesen kamen mit Aufbruchstimmung zurück. Doch vor sechs Monaten versank das Land erneut im Krieg. Die Sängerin Mer Ayang ist ein talentierte Musikerin, die auch zurückgekommen ist. Ob sie bleiben wird, weiß sie noch nicht.
    "My name is Mer Matthew Obur, my first name is Mer, my surname Ayang. A-y-a-n-g."
    Mer Ayang sitzt in einem Café in Juba. Die junge Frau mit kurzrasierten Haaren trägt ein oranges Sommerkleid und lange, goldene Ohrringe. Sie kam 2010 nach Südsudan, um für die Unabhängigkeit zu stimmen und erinnert sich gerne an die Zeit:
    "Es war unglaublich. Für viele Südsudanesen war das Referendum ein Höhepunkt ihres Lebens. Von überall kamen die Menschen, um am Referendum teilzunehmen, um für ihr Land zu stimmen, für die Unabhängigkeit."
    Begabung wird nicht gewollt
    Wie viele ihrer Landsleute war die 28-Jährige hoch motiviert und wollte mithelfen, das Land aufzubauen. Vor ihrer Rückkehr war sie selbst niemals in Südsudan gewesen. Mer Ayang wuchs in Khartum auf, der Hauptstadt Nordsudans, und hatte in Südafrika studiert. Im südsudanesischen Juba ging sie zum Kulturministerium, das ein Staatsarchiv aufbauen wollte. Doch man wollte ihre Hilfe nicht.
    "Ich war frustriert, da ich meinem Land nicht mit dem helfen konnte, was ich gelernt hatte. Viele begabte junge Männer und Frauen machten die gleiche Erfahrung. Es sind entweder Korruption oder Verbindungen, die Dich nach oben bringen. Niemand interessiert sich für Dich oder für das, was Du kannst. Es geht allein darum, wen Du kennst und wie viel Geld Du hast. Ich war naiv und verstand das am Anfang nicht."
    Castingshow bringt Musikhit
    Mer Ayang ließ ihren Frust in der Musik raus. Sie hatte lange in der Kirche gesungen. 2012 bewarb sie sich bei der ostafrikanischen Version von Deutschland sucht den Superstar. Sie überstand einige Runden, schied aus. Freunde motivierten sie, weiter zu machen. Sie nahm ein paar Singles auf. Der Song Southern Sudanese über das Problem des Tribalismus in Südsudan wurde ein Hit.
    "Entwicklung braucht seine Zeit. Aber manche Dinge in Südsudan werden durch Korruption und Stammesdenken verhindert. Das ist die Krankheit, an der wir Südsudanesen momentan leiden. Es sind diese zwei Probleme, wegen der wir uns buchstäblich umbringen."
    Ende vergangenen Jahres erhob der ehemalige Vize-Präsident vom Stamm der Nuer gegen Präsident Salva Kiir vom Stamm der Dinka die Waffen. Seither wird in Südsudan gekämpft. Mehr als 1,3 Millionen Menschen sind vor der Gewalt geflohen. Tausende starben. Mer Ayang verlor sieben Cousins. Am Tag, an dem der Konflikt ausbrach, war sie auf dem Weg zu einer Hochzeit, floh dann jedoch mit ihrer Familie für fünf Monate ins Nachbarland Uganda.
    "Erst schossen die Soldaten aufeinander. Dann rannten sie in unsere Nachbarschaft, wo der Terror begann. Es flogen Kugeln durchs Haus. Wir musste fliehen. Jeder suchte Schutz. Die Menschen rannten wie wild durcheinander, packten ihre Koffer und machten sich auf und davon."
    Vor ein paar Wochen kam sie zurück, ist aber hin- und hergerissen. Sie will Südsudan erneut verlassen, sagt aber, sie gebe ihr Land nicht auf und wolle zurückkommen. Doch im Moment brauche sie eine Pause. Auch ihre Musik wird sie erst mal aufgeben. Sie will in Uganda ein kleines Restaurant aufmachen. Dann sehe sie weiter.
    "Ich fühle mich taub. Ich suche nach etwas, mit dem ich den Schmerz der Leute lindern kann. So viele leiden, so viele sterben oder sind schon gestorben. Doch im Moment weiß ich nicht, was das sein könnte. Ich will die Situation erst einmal begreifen und ein Feingefühl dafür entwickeln, was ich tun kann und wie ich es am besten mache."