Brummige Kontrafagottklänge in Halle 8: Ein Kunde testet Instrumente von Bernd Moosmann. Der Hersteller von Fagotten und Klarinetten reist seit den 80er-Jahren regelmäßig aus Waiblingen zur Frankfurter Musikmesse an – immerhin verkauft er 80 Prozent seiner Fagottinstrumente ins Ausland. Darunter inzwischen auch neumodische Varianten aus naturbelassenem hellbeigen statt rötlich-braun gebeiztem Ahornholz. Moosmanns Holzbläser-Konkurrenz auf der Messe ist diesmal überschaubar – zumal die Anzahl an Instrumenten-Ausstellern insgesamt seit Jahren zurückgeht. Das Problem sei auch hausgemacht, findet Moosmann.
"Es sind immer mehr internationale Musikmessen wie Pilze aus dem Boden gekommen. Und da ist meines Erachtens auch die Musikmesse in Frankfurt ein leidlicher Verursacher – hat man doch in Russland eine russische Musikmesse organisiert, hat man doch in Asien die Musikmesse in China, bei der wir auch schon öfter ausgestellt haben, kreiert: Warum sollen die Asiaten nach Frankfurt kommen, wenn sie eine Messe vor der Haustür haben? Man hat sich also sozusagen eine eigene Konkurrenz gebildet – und das finde ich sehr schlecht!"
Skype statt Messe
Konkurrenz kommt zudem von der amerikanischen Musikmesse, der sogenannten NAMM-Show. Die findet bereits im Januar statt – und viele Fachbesucher schließen schon dort ihre Geschäfte ab. Nicht zu unterschätzen ist natürlich auch das Internet – für viele Messeaussteller inzwischen die kostengünstigere Alternative: Warum für Messestand-Gebühr, Anreise und Hotel Geld ausgeben, wenn Handelsgespräche auch bequem von zuhause aus per Skype geführt werden können?
Johannes Graulich nimmt den Aufwand trotzdem noch in Kauf - er ist Leiter des Stuttgarter Carus-Verlags:
"Die Musikmesse bringt natürlich im Branchen-Austausch nach wie vor einiges: Es kommen Händler aus der ganzen Welt hierher, um die Verlage zu besuchen und über Neuerscheinungen zu sprechen. Insgesamt ist aber die Bedeutung der Information, der Kommunikation schon ins Netz gewandert. Viele Händler kommen hier schon so gut informiert an, dass wir denken: Was erzählen wir denen jetzt noch? Weil sie wissen eigentlich schon vieles. Das war vor 10, 15 Jahren total anders! Heute sucht man sich die Informationen primär auch übers Internet."
Carus-Music-App
Dass der Weg am Internet nicht mehr vorbeiführt, weiß auch der Carus-Verlag – und ist inzwischen sogar ganz smart geworden: Denn die Stuttgarter haben eine spezielle Übe-App herausgebracht:
"Wir haben eine App entwickelt für Chorsänger, die Carus-Music-App, mit der man große Werke der Chor-Literatur zuhause erarbeiten kann. Man kann mit der App die Stücke kennenlernen, man kann aber auch die eigene Stimme lauter hören und das Ganze auch langsamer hören, so dass man praktisch mit dem Eindruck des Konzertes schon Wochen vor dem Konzert üben kann. Und das wird von Chorsängern sehr gut angenommen und flankiert hervorragend unser Notenprogramm und unsere CD-Einspielungen!"
Liederbuch mit Mitsing-CD
Mit dem Daddeln loslegen können Chorsänger dann beispielsweise bei den "Liebesliedern", die der Carus-Verlag unlängst in seinem "Liederprojekt" publiziert hat: Für das Liederbuch mit Mitsing-CD haben die Stuttgarter bei der Musikmesse diesmal einen der Best-Edition-Preise bekommen.
Gleich drei dieser Preise gingen an den Mainzer Schott-Verlag, am Stand nebenan. Er wurde unter anderem für zwei Bände aus der "Pièces de Concours"-Reihe, mit Raritäten aus der Bratschenliteratur, ausgezeichnet. Auch der Schott-Verlag ist inzwischen ganz "App to date" – bietet etwa seine Magazine als Apps zum Download auf Smartphones und Tablets an. Sämtliche Noten kann man sich dann auf dem hauseigenen Internet-Portal notafina.de herunterladen. Allerdings werden Noten mittlerweile weniger nachgefragt. Schuld daran sei auch der häufige Ausfall des Schulmusikunterrichts in den letzten Jahren. Außerdem: sogenannte YouTube-Tutorials, erklärt Konstantinos Zafiriadis vom Schott-Verlag:
"Es gibt sehr viele Autodidakten, die im Internet schöne Erklär-Videos finden, die es kostenlos gibt. Das macht natürlich in erster Linie den Musikschulen Konkurrenz – und dann natürlich in der weiteren Folge auch den Verlagen, die Instrumental-Methoden entwickeln mit Autoren und diese natürlich nicht mehr an die Musiklehrer weitergeben können!"
170 Werke zum 170. Todestag von Fanny Hensel
Wird Klaviermusik, beispielsweise von Fanny Hensel, also bald nur noch "Learning by Hearing" gelernt? Fällt Notenmaterial damit völlig weg? Sabine Kemna vom Furore-Verlag glaubt nicht daran. Der Kasseler Verlag vertreibt seit 1986 ausschließlich Kompositionen von Frauen – und bringt zu Fanny Hensels 170. Todesjahr 170 ihrer Werke neu heraus. Die wollen die Kunden gern auch weiterhin durchblättern, ist Sabine Kemna überzeugt:
"Die nehmen einfach doch gerne eine gut gemachte Notenausgabe in die Hand – auf hochwertigem Papier, mit schönem Layout. Und die wird auch gerne dann gekauft – wohingegen das Internet ja eher sozusagen diese ganzen Download-Portale, das ist ja eher, dass man da seitenweise runterladen kann, aber ein Produkt, was einfach hochwertig ist, wird nach wie vor geschätzt und gekauft. Das zeigt sich auch im Bereich Bücher, wo der Bereich E-Book nicht so einen Anstieg verzeichnet als man ursprünglich dachte oder auch wieder rückläufig ist."
Anfassen gilt also doch! Sabine Kemna vertraut auf die Haptik, auf den direkten Kontakt – darum würde sie auch auf die Frankfurter Musikmesse weiterhin nicht verzichten wollen:
"Wir machen hier auch Termine mit internationalen Händlern, die Gott-sei-Dank noch den weiten Weg auf sich nehmen, um herzukommen. Es kommen vergleichsweise viele Dirigenten oder Chorleiter oder auch Musiker selber auf die Messe, die hier die Chance nutzen, auch zu gucken, was gibt es an Neu-Ausgaben, an der Backlist, um da reinzuschauen, was sie sonst nie in dieser Massivität die Chance hätten und natürlich auch, mit uns darüber zu sprechen und Beratung zu bekommen!"