Fabian Elsäßer: Nächste Woche kommt das vierte Album des Projekts Africa Express auf den Markt. "Egoli" heißt es und wurde in Johannesburg aufgenommen. Amy Zayed hat das Projekt nun über einige Jahre journalistisch begleitet. Wie kam denn das Projekt überhaupt zustande?
Amy Zayed: Es waren drei Leute, die irgendwann mal zusammen bei einem Bier drauf gekommen sind - nämlich Damon Albarn, Stephen Budd und Ian Birrell. Damon Albarn kennt man von Blur und Gorillaz, Stephen Budd ist ein bekannter Musikproduzent und Manager, der mit Leuten wie Tony Visconti, David Bowie oder New Order gearbeitet hat. Und Ian Birrel, der ist Journalist, hat früher die Pressetexte für David Cameron geschrieben und schreibt nun viele politische Artikel, setzt sich aber auch für Behindertenrechte ein und hat damit auch schon so einige Preise eingeheimst. Will sagen: Das sind drei vollkommen grundverschiedene Menschen - und genau dass macht auch das Projekt so vielseitig.
Geburtstunde bei Live Aid
Stephen Budd hat mir erzählt, wie die Idee eigentlich zustande kam:
"Es war so um 2005 herum, da gab's dieses Live Aid Konzert, wo viele große Künstler überall auf der Welt Konzerte gegeben haben, um die Politiker dazu zu bewegen, Afrika die Schulden zu erlassen. Bloß war nur ein einziger afrikanischer Künstler dabei. Ein Einziger! Und wir dachten: Das kann doch nicht angehen! Dabei hat Afrika so eine unglaublich vielseitige Musikszene. Und so wurde Africa Express geboren."
Tja, und da Albarn ja schon in Mali gewesen war, hat er dann alle eingepackt, mit ein paar namhaften britischen und amerikanischen Musikern zusammen und ist nach Mali gefahren, da kannte er schon genug Musiker, und so entstand das erste Album.
Elsäßer: Was genau spielt Damon Albarn für eine Rolle bei Africa Express? Sie meinten ja, dass alle drei die Idee hatten. Ist er der Mastermind?
Zayed Eigentlich nicht. Bei Africa Express hat jeder seinen Bereich. Ian Birrell ist der, der die Visa besorgt für die afrikanischen Künstler, was wirklich nicht einfach ist, besonders wenn sie aus politisch unsicheren Regionen kommen. Stephen Budd koordiniert die musikalische Produktion und kümmert sich um die Promo-Agenturen, die Africa Express die afrikanischen Künstler empfehlen, mit denen sie zusammenarbeiten. Und Albarn ist der musikalische Kreativkopf.
Oft höre ich im Zusammenhang mit Africa Express dann sowas wie "das Projekt von Damon Albarn", und das klingt dann irgendwie so, als wäre das eine von Albarns Bands, mit denen er sich selbst profilieren will. Aber das eben ist Africa Express genau nicht, und das möchte er auch gar nicht, hat er mir erzählt:
"Eigentlich versuche ich mich zurückzuhalten. Es geht bei Africa Express nicht um mich. Auch bei den Shows. Natürlich bin ich dabei, denn schliesslich bin ich Musiker und es macht Spaß, aber ich bin lieber Anstoßgeber und nicht so gern omnipräsent."
Und er ist tatsächlich auf den Alben nur auf zwei allerhöchstens drei Songs zu hören.
Elsäßer Wie läuft das denn ab? Kennt er, oder jemand anderes die Musiker, mit denen gearbeitet wird, oder schreiben die alle Songs und bringen die mit - oder wie geht das?
Zayed: Für jeden Musiker, der, sagen wir mal, eine gängige Arbeitshaltung kennt, ist Africa Express erst mal ein Riesenchaos - aber eigentlich ist es das eben nicht, denn genau dieses Chaos ist es, was das Projekt so besonders macht. Die Musiker kennen sich nicht immer. Vor allem fahren die ja oft mit irgendwelchen westlichen Künstlern wie meinetwegen Alex Capranos von Franz Ferdinand oder Gruff Rhys von den Superfury Animals in ein afrikanisches Land, treffen dort zum ersten Mal die afrikanischen Musiker und legen los.
Für das neue Album "Egoli" sind sie nach Johannesburg gefahren und haben sich fünf Tage lang in Hütten verbarrikadiert und dann drauflosgejammt. Und aus dieser Jamsession entstand das Album. Sehr elektronisch geprägt, das Album greift die junge südafrikanische Szene sehr gut auf, also Afro-Punk, Elektroeinflüsse, sehr viel Funk und Hiphop, aber eben auch traditionelle südafrikanische Gesänge. Aber trotzdem - sehr ohrwurmlastig und tanzbar und überhaupt nicht sperrig.
Moonchild Sanelly ist eine der südafrikanischen Künstler, die in Johannesburg mit dabei waren, die hat mir erzählt, wie es war:
"Ich fühlte mich wie ein Kind in einem Süßigkeitenladen! Überall waren Hütten, wo mobile Studios drin waren und es gab so viele Produzenten, so viele Künstler! Und wir haben einfach angefangen zu jammen! Ich konnte mich als Musikerin richtig ausleben!"
Moonchild Sanelly ist in Südafrika gerade in der Undergroundszene schon ziemlich bekannt. Sie macht eine Mischung aus Hiphop, Funk und südafrikanischem Traditionssound. Sie gilt als Stilikone für junge Mädchen, vor allem, weil sie über so Dinge wie sexuelle Aufklärung singt, manchmal auch etwas kontrovers, weil sie unter anderem auch einen Nacktclub eröffnet hat, was in den sozialen Medien nicht nur gut angekommen ist.
Die junge Szene in Südafrika näherbringen
Elsäßer: Waren Sie mal bei einer dieser Sessions?
Zayed Ja, zwei Mal. Nicht in Afrika. Aber die Shows laufen ja oft ähnlich ab. Im März haben sie zum Beispiel eine Show in Leytonstone, dem Geburtsort von Damon Albarn, gemacht, am Tag, wo eigentlich der Brexit stattfinden sollte. Das war Grund genug für Africa Express, eine Art Zeichen zu setzen für kulturelle Vielseitigkeit, aber auch eine Möglichkeit, schon mal ein paar der neuen Songs einem Publikum vorzustellen. Und es war total verrückt. Die Proben waren in einer Kirche, in jedem Raum saßen irgendwelche Musiker und haben gejammt.
Eine südafrikanische Sängerin namens Toya hat zusammen mit den Jungs von der britischen Indie-Band Django Django irgendeinen vollkommen abgefahrenen Mix aus Hiphop, südafrikanischem Rap und Gitarrensound gespielt. In einem anderen Raum jammten The Good, the Bad and the Queen, also Damon Albarn, Ex-Clash-Bassist Paul Simonon, Verve-Gitarrist Simon Tong und Afro-Beat-Drummer Tony Allen zusammen mit einem Brass-Orchster. Um sie herum saßen zig andere Musiker. Plötzlich springt Naime, eine Sängerin aus Mali, auf, reißt Albarn das Mikro aus der Hand und macht aus der Version des Songs, den sie gerade probten, ihre eigene. Ich saß nur da und dachte: Krass, wie super ist das denn!
Ich muss einfach sagen, ich mag diesen etwas chaotischen Stil, und ich finde auch das neue Album richtig gut, auch wenn man sicher dagegenhalten kann, dass es eben nicht so kantig ist, nicht so traditionell wie vielleicht andere Africa-Express-Alben. Aber ich finde das auch wieder gut, denn ich glaube, das Album soll auch gerade junge Leute ansprechen und ihnen die junge Szene von Südafrika näherbringen.