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Musiklehrermangel
Seiteneinsteiger als Ersatzpädagogen

Um kurzfristig den Musiklehrermangel an Schulen auszugleichen, setzen viele Bundesländer auf Seiteneinsteiger - auch in Thüringen. Auch wenn die Kollegen aus meist fachverwandten Bereichen kommen, begrüßen nicht alle diese Lösung.

Von Felicitas Förster |
    Ein Metronom steht in einem Gymnasium in Frankfurt am Main während des Musikunterrichtes auf dem Flügel.
    In Sachsen-Anhalt hat jeder vierte Musiklehrer kein normales Musik-Lehramtsstudium hinter sich gebracht (picture-alliance/ dpa - Frank Rumpenhorst)
    "Okay? Ich fang an und ihr steigt mal mit ein!"
    Es ist 12.15 Uhr an einem Mittwoch, die 6. Klasse arbeitet an der Weihnachtsstimmung. Am E-Piano steht Sandra Groksch, eine junge Frau mit blonden Haaren - die Musiklehrerin. Ein Staatsexamen hat sie allerdings nicht. Sandra Groksch hat Musikwissenschaft studiert und danach eine passende Stelle gesucht - erfolglos. Vor zwei Jahren hat sie sich dann bei der sächsischen Bildungsagentur als Lehrerin beworben - und wurde auch prompt eingestellt, damals noch an einer Grundschule, erzählt sie.
    "Ich bin ins kalte Wasser geworfen wurden. Ich hab kein Referendariat gehabt, ich wurde vor die Klasse gestellt. Heutzutage gibt’s jetzt einen dreimonatigen Vorbereitungskurs, den hatte ich damals nicht. Ich wurde wirklich einfach vor die Klasse gestellt, mit null Erfahrung und musste mich dann selber durchkämpfen."
    Hilfe hat Sandra Groksch bei den Kollegen gefunden, vor allem natürlich bei den Musiklehrern, von denen sie immer noch gerne Ratschläge einholt.
    "Oder ich hab zum Beispiel auch eine Fachbegleiterin an meiner Seite, die auch sagt, hier, da kannst du den Stoff machen und das Lied singen."
    Musiklehrer vor allem auf dem Land Mangelware
    Wenige Türen weiter in ihrem Büro sitzt Katrin Kühn, die Schulleiterin der Europäischen Oberschule. 4.500 Einwohner hat Hartmannsdorf und gerade im ländlichen Raum ist es schwer, Musiklehrer zu finden. Weshalb Katrin Kühn sich letztlich für die Seiteneinsteigerin entschieden hat. Um die Qualität des Unterrichts macht sie sich aber keine Sorgen.
    "Gott! Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man mal Neulehrer genommen, weil’s keine gab. Und da haben sich viele sehr wacker geschlagen und ganz viel dazugelernt, sind hervorragende Lehrer geworden. Also man kann jetzt nicht sagen, das geht nicht. Aber man muss Ihnen Zeit geben! Und man muss den anderen Kollegen - und das vergisst man häufig - auch Zeit geben, die sie nämlich dann für diesen Quereinsteiger investieren können."
    Gero Schmidt-Oberländer ist Professor an der Musikhochschule in Weimar und Präsident des Landesverbandes Musikunterricht in Thüringen. Der Lehrermangel habe sich ja schon lange angekündigt, sagt er.
    "Man müsste sich das mal vorstellen, im Mathematikunterricht wär das so, im Sprachenunterricht. Die Eltern würden auf die Barrikaden gehen! Da müssen wir, auch von den Berufsverbänden, ich spreche ja hier auch für den Bundesverband Musikunterricht, müssen da eben immer wieder kämpfen für die Anerkennung des Faches Musik, für den Erhalt in der Stundentafel, für einen Unterricht voller Qualität, voller Anregung, Spaß und Lust zum Musizieren."
    Um nun kurzfristig den Musikunterricht zu garantieren, setzen die meisten Bundesländer auf die bereits erwähnten Seiteneinsteiger, von denen es zwei Arten gibt: Erstens die musikalischen Experten, insbesondere Instrumentalpädagogen von den Musikschulen - und zweitens das fachnahe Personal, also Lehrer anderer Fächer, die zumindest ein Instrument spielen.
    In Sachsen-Anhalt zum Beispiel hat jeder vierte Musiklehrer kein normales Musik-Lehramtsstudium hinter sich gebracht. Häufig können diese Lehrer an Nachqualifizierungen teilnehmen. Trotzdem sollten sie nur eine Notlösung sein, findet Eckart Lange. Er ist ebenfalls Professor in Weimar und Präsident des Landesmusikrates Thüringen.
    "Sehen Sie, was zum Beispiel jetzt hier passiert in diesem Haus, in der Musikhochschule mit der Lehramtsausbildung, das ist nicht in weniger Wochen zu kompensieren. Vielfach bereiten sich heute unsere Lehramtsstudierenden jahrelang auf ihren Beruf vor."
    Mehr Studienplätze und Geld gefordert
    Darum sollten mehr Plätze für das Studium geschaffen werden, sagt Eckart Lange. In diesem Sinne fordert auch der Deutsche Musikrat zusätzliche 350 Millionen Euro vom Bund für die musikalische Regelförderung.
    "So, nächste Woche wiederholen wir nochmal alle Lieder, wer gerne sein sein eigenes Lied auch noch mal vorstellen will."
    Die Seiteneinsteigerin Sandra Groksch hat die Gunst der Stunde genutzt und viele abgelehnte Bewerbungen gegen eine feste Stelle als Musiklehrerin eingetauscht. Dabei fiel ihr der Anfang nicht leicht. Zweimal hat sie die Schule gewechselt, an der Oberschule will sie jetzt bleiben.
    "Da kann man so viel von seinem Fachwissen anwenden und das liegt mir viel mehr als die Grundschule. Also da würde ich schon sagen, da bin ich jetzt auch an der Oberschule an der Schulform angekommen, wo ich auch wirklich hingehöre, wo ich auch weiter tätig sein will. Ja, es war es ein harter Weg bis dahin, aber ich denke, es war der richtige und ich fühle mich angekommen."