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Musikmarkt
Künstler mit eigener Plattenfirma

Es gibt nur noch wenige Musiker und Plattenfirmen, die mit ihrer Musik gutes Geld verdienen. Selbst bei kleinen Labels unter Vertrag zu kommen, gelingt nur wenigen Newcomern. Deshalb haben Yesterday Shop, eine junge Band aus Reutlingen, ihr eigenes Label gegründet und sind neben Musikern auch Unternehmer geworden.

Von Dirk Schneider |
    Der Steg und die Saiten einer "Martin SPD-16 Special Edition" glänzen im Sonnenlicht. Diese Westerngitarre ist ein von Johnny Cash lizenziertes Modell, von dem es weltweit nur zwei Exemplare gibt.
    Mit Musik Geld zu verdienen wird immer schwieriger. Weil sie kein Plattenlabel finden, gründen viele Künstler ihre eigene Firma. (picture alliance / Maximilian Schönherr)
    Bei "Trees & Games" geht es darum: Was für ein Lebenskonzept hat man? Und der Song versucht so ein bisschen von außen, diese Spießigkeit, die jeder irgendwie auch kennt, so ein bisschen zu beleuchten. Also so diese typische Haus-Kind-Hund-Gartenzaun-Aufzählung, aber eben gar nicht aus einem Zeigefinger-Aspekt heraus, sondern ganz einfach aus dem Aspekt, dass jeder von sich das wahrscheinlich irgendwie kennt, dass man solche Muster hat, ob man das will, ob das einfach passiert, das sind so die Themen des Songs."
    Warum hat Clemens Kluck, Sänger und Gitarrist bei Yesterday Shop, wohl Angst vor Spießigkeit? Der Mittzwanziger stammt aus einer gutbürgerlichen Familie aus dem Schwäbischen und lebt heute als Musiker und Labelbetreiber in Berlin – da hat er es doch schon verhältnismäßig weit weg vom Verdacht des Spießertums gebracht, zumal er mit Musik und Label nur ein äußerst bescheidenes Auskommen hat. Vielleicht ist es eher die Angst vor der Langeweile, gegen die seine Band auch auf ihrem zweiten Album mit ordentlich Pathos anspielt.
    Pathos, einen ganzen Berg davon muss man erst einmal überwinden, um zu den feineren Stücken von Yesterday Shop zu gelangen, wie "The Water" oder "Ghost".
    Hier klingt die Stimme von Clemens Kluck dann auch nicht mehr ganz so sehr wie eine Mischung aus Chris Martin und Thom Yorke. Und dann ist man endlich ganz bei Ihnen, bei dieser Band, die von der Kritik besonders für ihren "internationalen Sound" gelobt wurde. Ein sehr zweischneidiges Kompliment, wie Clemens Kluck findet:
    "Also es ist ja zuerst mal total seltsam, weil man damit ja wirklich gesagt bekommt, dass es etwas Besonderes ist, wenn man als deutsche Band auch noch irgendwo aus der Provinz kommt und in der Lage ist, nicht deutsch zu klingen. Eine Band oder ein Künstler klingt halt, wie er klingt, und das macht er meistens auch mit Absicht und nicht aus Versehen. Es ist für uns auf der einen Seite dann natürlich doch wieder ein Kompliment, weil es gibt ja genug Beispiele für Künstler, die aus der Provinz kommen und großartige Musik machen. Wenn ich an so was wie The Notwist denke oder so was wie Sizarr denke, das sind ja alles Leute, die nicht großstadtsozialisiert sind und da irgendwie die ganzen Einflüsse nicht brauchen und so."
    Ihr Sound machte die Suche nach einem Label schwierig
    Bei ihrer Suche nach einem Plattenlabel wurde Yesterday Shop ihr Sound eher zum Verhängnis – hätten sie wenigstens auf Deutsch gesungen, wären sie vielleicht unter Vertrag genommen worden, so haben sie 2012 einfach ihr eigenes Label gegründet – Trickser Tonträger. Dort veröffentlichen sie inzwischen auch ausländische Künstler, die ihnen am Herzen liegen, wie etwa den Kanadier Kalle Mattson oder die Norwegerin Sea Change. Der Begriff "Independent", fast schon zum Schimpfwort geworden, denn eigentlich beschreibt er nur noch vage einen musikalischen Stil – für Kluck und seine Mitstreiter aber hat das Wort noch eine Bedeutung:
    "Ein Label ist für uns nicht einfach nur eine Firma, die profitorientiert denkt, was in dem Bereich vielleicht auch gar nicht möglich ist. Sondern ist eben auch einfach etwas: Wir bieten Künstlern eine Plattform, Musik zu veröffentlichen, die sie einfach sonst nicht hätten."
    Auch dass es in Deutschland keine Plattform gab für eine Band wie Yesterday Shop, die nicht nur großes Songwritingtalent und Gefühl für Sounds beweist, sondern auch nachdenken und über den Tellerrand blicken kann – es ist schon erstaunlich und weist vielleicht wirklich auf ein Vakuum in der deutschen Labellandschaft hin. Die Verbindung von Unterhaltsamkeit und Anspruch wird ja hierzulande von jeher mit Skepsis betrachtet, und unterhaltsam, oder eingängig, das ist die Musik von Yesterday Shop auf jeden Fall. Und bei allem Grübeln über den richtigen Lebensweg herrscht am Ende auch Optimismus vor. Dafür steht der etwas hochtrabende Titel dieses zweiten Albums: "Parodos".
    "Dieser Titel, der schlaumeierische Titel – Parodos ist quasi der Einzug des Chors in der griechischen Tragödie. Die Texte drehen sich sehr stark um Lebenskonzepte, in die man oft hineingerät, ohne es bewusst zu tun. In der griechischen Tragödie geht es ja auch darum, dass man der Tragödie ausgeliefert ist, ohne irgendeinen Einfluss darauf zu haben. Gleichzeitig geht es aber auch darum, dass der Chor in der griechischen Tragödie der Beobachter ist, der Außenstehende. Der Dinge beschreibt und einen positiven Ausweg dann doch gibt. Und das ist das, was dem Album, zu den Texten passend, den optimistischen Ausweg gibt, von wegen es gibt auch die Möglichkeit, unser eigenes Leben von außen zu betrachten und darauf einzuwirken und Dinge zu verändern."