"Med vold skal takes kristenliv" ("Mit Gewalt soll das Christenleben überzogen werden")
So klingt Black Metal - Das Stück der norwegischem Band Troll aus dem Jahr 1996 stammt von ihrem Album "Drep de Kristne" – das heißt: "Tötet die Christen". Black Metal ist eine Musikrichtung im Heavy Metal, die Ende der 80er-Jahre entstand und sich vor allem in Skandinavien in den 90ern zu einer der heftigsten, lautesten und auch umstrittensten Genres entwickelte.
Auf dem Album-Cover der norwegischen Band sind trollartige Wesen zu sehen, die mit Äxten und Keulen bewaffnet ein christliches Dorf zerstören. In Skandinavien kennt jeder die Geschichten und die böse Zauberei dieser mythischen Wesen. Die Musiker des Black Metal griffen die Symbolik in den 90er-Jahren auf und gaben ihr eine neue Bedeutung.
Heidensymbolik im Viking Metal
"Die Trolle haben vor allem in Skandinavien eine ganz lange Geschichte, die symbolisieren auch dieses Heidentum und kommen in vielen norwegischen Märchen auch vor. Sie sind so darstellt als Ungeheuer oder Monster in den meisten Fällen",
sagt Imke von Helden, Skandinavistin und Kulturwissenschaftlerin von der Universität Koblenz. Sie forscht über die Entwicklung der Black-Metal-Bewegung in Norwegen. Die Musiker des Black Metal oder des Viking Metal verknüpften die alten Heldensagen über die Götter der Germanen und Wikinger neu. Dabei werteten sie zugleich das Christentum stark ab. Sie brandmarkten es als die Religion der Eindringlinge in Skandinavien, die diese nordischen Götter verdrängt hatten. Weil Black Metal immer auch provozieren will, setzen diese Songs in Bildern auf dem Cover um, der Kampf gegen das Christentum und seine Symbole ist eröffnet. Die Kreuze werden auf den Kopf gestellt. Blasphemisches und Dämonisches wird Kult.
Von Helden: "Der Troll steht so dagegen für das Alte, das verdrängt wird. Die leben ja auch im Wald, in einer absoluten Abgeschiedenheit. Und die wehren sich gegen das Christentum. Es gibt zum Beispiel von Helheim, auf deren Album aus den frühen 90ern, auf "Av Norrøn Ætt" gibt es einen Song, auf dem auch die alten Götter wieder auferstehen. Die nordischen Götter wieder auferstehen und es kommt zu einer apokalyptischen Vision, in der das Christentum wieder ausgelöscht wird."
Provozieren mit satanischen Motiven
Anfang der 90er Jahre beginnt sich die Szene in Norwegen, aber auch in Europa zu radikalisieren. Das spiegelt sich in den Bandnamen. "Behemoth" ist Name eines apokalyptischen Ungeheuers aus der Bibel. Andere Bandnamen klingen ähnlich martialisch: wie "Deicide", also Gottesmord, oder "Blasphemous" oder "Hellhammer". Ging es anfangs darum, das ganze ironisch und als Spaß zu sehen, wird es bald immer ernster in den Inszenierungen.
"Okkulte oder satanistische Motive gibt es bei Bands wie Deicide oder Behemoth oder Gorgoroth, die gezieltes Zur-Schau-Stellen von Antichristlichem und damit auch gerne provozieren möchten. Da gibt es gekreuzigte Personen unter einem weißen Laken von Deicide auf dem Album ‚Once Upon a Cross‘. Auf der Bühne von Gorgoroth gibt es gekreuzigte Personen. Und Behemoth in ihren Musik-Videos haben ein konsequentes Gegenüberstellen von religiösen katholischen und blasphemisch-okkulten Momenten auf der anderen Seite und spielen damit", sagt Imke von Helden.
Nach und nach verschwanden Spaß und Ironie
Es gab einen regelrechten Wettbewerb im Black Metal, alles bislang Dagewesene zu toppen. Man machte den Sound schneller und verzerrter. Ersetzte den Klargesang durch Gekreische oder tiefes Growling. Die Optik wurde grotesker. Erste Musiker bemalten ihre Gesichter zu den Bühnenauftritten mit dem sogenannten "Corpse Paint", einer Art Leichenbemalung mit geweißten Gesichtern und geschwärzten Augenhöhlen. Nach und nach verschwanden Spaß und Ironie, sagt auch Niels Penke, Germanist von der Universität Siegen.
"Das hat dann in Norwegen Anfang der 90er Jahre eine ganz starke Wendung genommen, wo es auch nach der Maxime ging: Die alten Bands haben nur davon gesungen, wir meinen es jetzt ernst, wir machen das jetzt wirklich. Wir bekennen uns zu Mord und Totschlag. Wir zünden Kirchen an und versuchen diese ganzen Fantasien auch in die Praxis umzusetzen."
In Norwegen gab es nach Angaben von Niels Penke bis zu 60 Kirchenbrandstiftungen in wenigen Jahren. Auch schwere Körperverletzungen und Vergewaltigungen bis hin zu Morden. Von 1992 bis 1996/1997 dauerte die Gewalt, ausgelöst durch Black-Metal-Musiker, an und strahlte auf ganz Europa aus.
Welt abseits vom Alltag
"Aber diese Form der Gewaltartikulation hat aufgehört. Es gab zwar immer mal wieder Versuche, daran anzuknüpfen. Aber zum allergrößten Teil ist man doch auf die Ebene von Text und Bild wieder zurückgekehrt und hat die Tat, Tat sein lassen. Zumal sich die Gewalt als Sackgasse erwiesen hat. Die meisten Protagonisten dieser Szene sind entweder auf der Strecke geblieben oder ins Gefängnis gewandert. Das hat ja in keiner Weise die gewünschten Ergebnisse gehabt: Weder ist das Christentum in Norwegen verschwunden, noch hat das sonst irgendwie etwas gesellschaftlich geändert. Die Vorstellung, dass man eine Revolution auslösen könnte, davon haben sich alle verabschiedet."
Bands wie Mayhem sind seit 30 Jahren als Gesamtkunstwerk unterwegs: Mit viel Kunstblut, Tierschädeln und Kerzenleuchtern auf Altären machen sie die Bühne zur Hölle. Die Musiker tragen zerschlissene Mönchskutten. Niels Penke meint, solche Black-Metal-Shows und Musik seien für die Fans wie ein Ritual, um möglichst weit weg zu kommen von dem, was Alltag sei:
"Das hat schon viel damit zu tun, diese verhasste Zivilisation, die bürgerliche Welt hinter sich zu lassen."
Black Metal ist eigentlich unpolitisch. Es gibt aber eine rechtsextreme Ausrichtung. Im Viking Metal werden die Kriegszüge der Wikinger thematisiert. Oder die finale Schlacht der nordischen Götter am Ende der Welt, zum Ragnarök. An diese Kampfbilder könnten Neonazis andocken mit ihrer Ideologie der "arischen Rasse".
Metal-Fans sind alarmiert
Es gibt auch Bands, die auf Neonazi-Festivals spielen. Die Musik-Szenen von Rechtsextremen und Nicht-Rechtsextremen sind eher getrennt. Viele Metal-Fans sind inzwischen alarmiert und grenzen sich von den Rechten ab.
"Ich hab ja viel Feldforschung auf dem Ragnarök-Festival in Bayern gemacht", sagt Imke von Helden. "Wo die Türsteher auch informiert werden, auf welche problematischen T-Shirts sie achten müssten und mit welchen T-Shirts sie auch gar nicht reinkommen. Zum Beispiel Burzum ist so ein Fall."
Burzum, das heißt Dunkelheit. Burzum war bis vor einem Jahr ein Black-Metal-Projekt des Norwegers Varg Vikernes, der wegen Mordes und Brandstiftung in christlichen Kirchen in Norwegen im Gefängnis saß. Schon vor dem Mord fiel er mit rechtsextremistischen Sprüchen auf.
Verherrlichung nordischer Götter
"Das Problemtische bei Varg Vikernes ist, dass der Kopf der Band eine ziemlich heftige Ideologie mit sich bringt, die er aber eher im Internet als in seinen Songtexten breittritt", sagt von Helden. "Also man muss sich schon damit auseinandersetzen, um zu verstehen, was das Problematische überhaupt an dieser Band ist."
Im Gefängnis und nach seiner Entlassung wandte sich Varg Vikernes weiter den Rechtsextremen zu, produzierte weitere Alben. Mit seiner Musik stieg er zum Star der rechten Szene auf, obwohl seine Alben keine offen neonazistischen Gedanken enthielten, sondern nordische Götter glorifizierten, Christenhass inklusive. In seinem Internetblog und Videokanal hingegen verbreitete Vikernes massiv Rassismus und verherrlichte Kriegsverbrechen. In Frankreich, seinem neuen Wohnsitz, wurde er dafür vor ein paar Jahren verurteilt. Bis heute wird Vikernes‘ Musik in der rechtsextremen Szene verehrt. Viele jüngere Metal-Fans hätten das noch nicht durchschaut, meint Imke von Helden. Vikernes ist ein Influencer geworden, der unablässig produziert.