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Musiktheaterstück besingt algerische Einwanderung in Frankreich

Die Cafés im Pariser Einwandererviertel Barbès sind und waren immer ein unverzichtbarer Ort für die algerische Diaspora in Frankreich. Hier wird nicht nur geredet, sondern auch gesungen. Den Musikern aus der algerischen Migration ist das Musiktheaterstück "Barbès Café" gewidmet.

Von Bettina Kaps |
    Im Spiegelzelt des Theaters "Cabaret Sauvage" ist ein Tresen aufgebaut. Dort steht die Französin Lucette.

    Lucette erzählt, wie sie sich im Paris der 30er-Jahre in einen Algerier verliebt, mit ihm zusammen das Café eröffnet und dort die Geschichte der algerischen Einwanderung miterlebt hat.

    Ein Orchester lässt die Lieder Revue passieren, die damals in den Cafés entstanden sind. Gleichzeitig wird auf einer Videoleinwand erklärt, wer sie komponiert hat und was sie besingen. Cheik El Hasnaoui erinnert an den Exodus der armen Algerier nach Frankreich. Slimane Azem besingt das Heimweh. Der Jude Salim Halali ist mit arabisch-andalusischer Musik weltberühmt geworden. Viele dieser Künstler haben tagsüber in Fabriken geschuftet und abends in den Kneipen von Barbès musiziert.

    "Das Café war für die Männer alles: ihre Nationalversammlung, ihr Postamt, ihr Fernsehraum, ihr Wohnzimmer. Einige Cafébesucher machten Musik. Sie sangen, um das Heimweh zu vergessen, komponierten Liebeslieder ... "

    ... sagt Meziane Azaïche, Direktor des Pariser Musiktheaters "Cabaret Sauvage" und Co-Autor des Schauspiels "Barbès Café". Mit seinem Stück, das die Zuhörer zum Tanzen bringt, will er eine Botschaft vermitteln:

    "Dass diese Musik zum französischen Kulturerbe gehört, weil sie in Frankreich geschaffen, in Frankreich gespielt wurde und hier Erfolg hatte, bevor sie in Algerien ankam."

    Auch die Schattenseiten der französisch-algerischen Geschichte werden auf der Bühne des Cabaret Sauvage angesprochen.

    Die Stimmung in den Einwanderer-Cafés kippte, als der Algerienkrieg ausbrach, berichtet die Cafébesitzerin Lucette. Auf der Videoleinwand sind jetzt Archivbilder von Unabhängigkeitskämpfern und Schlagzeilen aus französischen Zeitungen zu sehen. Auch in Frankreich selbst kam es damals zu Verhaftungen und schließlich zum Massaker von Paris, bei dem zahlreiche Algerier getötet wurden. Wie viele junge Franzosen wusste Samira Brahima, die Sängerin von Barbès Café, nichts darüber.
    "Einige wichtige Ereignisse der französisch-algerischen Geschichte habe ich erst durch dieses Musiktheater kennen gelernt. Vor allem, was am 17. Oktober 1961 geschah. An diesem Tag sind die Algerier auf die Straße gegangen, um zu demonstrieren, dass sie den Unabhängigkeitskampf in ihrem Heimatland unterstützen. Die französische Polizei hat sie niedergeknüppelt und viele von ihnen in die Seine geworfen ..."

    Das Musiktheater Barbès Café erzählt von diesen historischen Ereignissen, ohne anzuklagen, sagt Meziane Azaiche.

    "Wir müssen ohne Hass über unsere gemeinsame Geschichte sprechen. Wir haben keine Rechnungen zu begleichen. Aber wir müssen aussprechen, was geschehen ist, damit sich keine Frustrationen bilden. Das sind wir unseren Kindern schuldig, die Franzosen sind."

    Barbès Café endet mit einem Zusammenschnitt der vielen fremdenfeindlichen Äußerungen, wie sie seit Jahren von französischen Politikern verbreitet werden. Als Gegenreaktion sind Bilder von Groß-Demonstrationen zugunsten der Einwanderer und ihrer Nachkommen zu sehen, mit dem Slogan: "Übrigens sind wir von hier."

    Zum Abschluss spielt das Orchester das Lied "Wir lassen nicht locker" des Sängers HK, der ebenfalls algerische Eltern hat. Und Meziane Azaïche verkündet noch eine letzte Botschaft:

    "Wir sagen mit lauter Stimme: Wir sind eine Kraft für Frankreich und wir lassen nicht locker. Wir sind hier, um zu arbeiten und unsere Kinder zu erziehen und viele erfolgreiche Menschen wie den Fußballspieler Zidane hervorzubringen. Ein Einwanderer ist nie ein Minus, sondern immer ein Plus für die Gesellschaft."