Die Sänger stehen zwischen flackernden Glühlampen und werfen expressionistische Schatten. Die Aufführung beginnt wie eine Geisterbeschwörung. Ein Mann hält das Notizbuch eines Ertrunkenen in der Hand und auf einmal ist dessen Stimme zu hören.
"I longed for freedom. Freedom from the hell of profitable labor. I wanted to play God. I mean as an artist."
Er hätte der Hölle des Profitmachens entfliehen wollen, erklärt der Tote. Deshalb sei er Künstler geworden. Der Text stammt aus dem Roman "Das rote Zimmer" von August Strindberg.
Zur Lage der Künstler
"Das Buch wurde geschrieben Ende des 19. Jahrhunderts", erklärt Marion Wörle. Sie hat das Stück gemeinsam mit Maciej Sledziecki inszeniert. "Es geht um diese Künstler-Bohème in Stockholm, und die Figuren wirken überhaupt nicht antiquiert. Also ganz viele Probleme, die die haben, wirken aktuell, und man konnte sich da mit vielem identifizieren."
Das Stück berichtet von Künstlern, die bereit sind, für eine warme Mahlzeit aufzutreten. Andere brechen die Fußbodendielen ihres Ateliers auf, um Brennholz zu gewinnen. "Was uns daran interessiert hat, ist die Idee, das als Metapher zu verstehen", sagt Maciej Sledziecki. "Man macht etwas auf. Was ist die tiefer liegende Schicht, die dann hochkommt? In dem Fall ist es eben die gesellschaftliche Gewalt."
Die Gewalt wird auf der Bühne nicht gezeigt, sie steckt in der Musik. Maciej Sledziecki spielt Bassgitarre, Marion Wörle Synthesizer. Elektronische Soundsamples werden mit Livemusik gemischt. "Wir haben vier Celli auf der Bühne, wir haben eine Posaune, Schlagzeug, E-Gitarre und Elektronik und dann auch noch die Stimme, die eine wichtige Quelle auch sind, das heißt ein elektroakustisches Ensemble, das je nach Szene verschiedene Schwerpunkte bekommt."
Altbewährtes Crossover-Konzept
Die Verwendung von Elektronik und live gespielten akustischen Instrumenten ist typisch für Marion Wörle und Maciej Sledziecki. Die beiden haben vor fünf Jahren die Gruppe "gamut inc" gegründet und wurden durch Konzerte bekannt, in denen sie mit selbst gebauten Musikrobotern auftraten.
"Specht nennen wir das. Da werden Klangstäbe von Magneten angeschlagen, also von kleinen Hämmern, die an Elektromagneten befestigt sind, und Elektromagnete funktionieren ja so, sobald Du Strom drauf gibst, lösen sie einen Impuls aus, und in dem Fall ist der Impuls eben der Hammerschlag."
In "REDЯUM" gibt es keine Roboter, aber das Zusammenspiel von klassischen Instrumenten und computergenerierten Sounds erzeugt eine ähnliche Spannung. "Weil es eben um die Wiederholung der Geschichte geht, um Wiederkehr, ist es eine zum Teil eine sehr repetitive Musik, die durchaus atonal wird, aber auch mal einen starken Puls hat."
Man spürt, dass sich die Komponisten nicht nur für die sogenannte Ernste Musik, sondern auch für Pop interessieren. Sie benutzen alles, was ihnen ins Konzept passt – schrille Töne und gefühlvolle Songs – ein bisschen Avantgarde, ein bisschen Pop, ein bisschen moderne Oper. Im Grunde nutzen sie ein altbewährtes Crossover-Konzept: Sie mischen Stilrichtungen, die auf den ersten Blick nicht zusammen gehören, und erzeugen so einen aufregenden neuen Klang.